Linksaußen:Könige gesucht

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Überall werden zurzeit Königstransfers gefunden. Wer diesen Titel nicht erhält: Kopf hoch. Und an Pinguine denken.

Kolumne von Andreas Liebmann

Nicht nur bei offiziellen Anlässen strahlt Sir Nils Olav III. große Würde aus. Sein Frack faltenfrei und glänzend, die Haltung kerzengerade, an der rechten Flosse baumeln Orden. Vor zehn Jahren schlug ihn der norwegische König Harald V. zum Ritter. 2016 wurde er zum Brigadegeneral ernannt. Dass er oft ein wenig tapsig wirkt, wenn er an seinem Wohnsitz, dem Zoo von Edinburgh, mal wieder eine Parade der norwegischen Königsgarde abnimmt - geschenkt. Für einen Pinguin macht er seine Sache ganz ausgezeichnet.

Wesentlich wichtiger als die Frage, wieso um alles in der Welt sich die norwegische Leibgarde tatsächlich ein Maskottchen im Edinburgher Zoo hält, das mit Ehrungen überhäuft wird (Hintergrund ist eine Südpolexpedition vor mehr als hundert Jahren), ist an dieser Stelle, dass es sich bei Sir Nils Olav III. um einen aptenodytes patagonicus handelt, zu deutsch: einen Königspinguin. Denn diesen Namen trägt er ja nicht etwa aufgrund seiner Nähe zum norwegischen König. Es gibt drei Millionen andere seiner Art, die von skandinavischem Adel nie etwas gehört haben (und deren bessere Hälfte, Königinnenpinguine oder Königspinguininnen, man auch nicht verschweigen sollte). Nein, Königspinguine heißen Königspinguine, weil sie, also, nun ja, ähm ... , - nächste Frage? Jedenfalls nicht wegen der lustigen gelben Federn auf dem Kopf, die wie eine Krone wegstehen. Denn die gehören, man ahnt es: dem Kronenpinguin.

Was der Adelstitel meistens zu bedeuten hat? Nichts. Gar nichts

Solch komplizierte Gedanken muss man sich schon mal machen vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse im Amateurfußball. Am Sonntag hat offiziell das neue Spieljahr begonnen, bis Samstag sollten sich wechselwillige Fußballer günstigenfalls bei ihrem alten Klub abgemeldet haben. Wer nicht sofort in einem neuen Kader unterkam, dribbelt vielleicht gerade als Probespieler vor. Damit sind seine Chancen allerdings gesunken, das Mode-Prädikat der Woche verliehen zu bekommen: den des Königstransfers.

Im restlichen Leben gibt es allerhand Geschöpfe und Dinge, die das "Königs-" aus teils unerfindlichen Gründen im Namen tragen. Zum Beispiel hat Königs Wusterhausen bei Berlin seinen hochtrabenden Namen einzig einem alten Jagdschloss zu verdanken. Die Königskobra ist die größte Giftschlange der Welt - der Königspython dagegen ist die kleinste Art seiner Gattung. Mit durchschnittlich eineinhalb Metern Länge ist er so winzig, dass andere Python-Arten sich solch einen kleinen König gerne mal bei Erkältungen als Schal um den Hals knoten. Das alles sollte man wissen, um einzuschätzen, was die Vorsilbe "Königs-" in den allermeisten Fällen zu bedeuten hat. Nämlich überhaupt nichts.

Selbstverständlich ist das im Fußball anders. Weshalb ehrfurchtsvoll festzuhalten ist: Der ehemalige Sechziger Stefan Aigner gilt der Westdeutschen Zeitung bereits als neuer "Königstransfer" des KFC Uerdingen. Vor zwei Jahren war er das noch beim TSV 1860, während nebenan der FC Bayern einen gewissen Renato Sanches als solchen bejubelte. Nach Ansicht des Donaukuriers hat der FC Pipinsried bereits im Mai seinen "Königstransfer" Marian Knecht bekommen, was den Regionalligisten nicht daran hinderte, im Juni seinerseits Michael Denz als "Königstransfer" vorzustellen. Der Ligarivale VfR Garching hat sich derweil auf Torwart Maximilian Engl festgelegt. Kaum ein Klub bis hinab zur C-Klasse kommt in diesen Wochen ohne "KT" aus.

Für die wenigen, die gerade den Verein gewechselt haben, ohne zum Königstransfer ernannt zu werden: Nicht traurig sein! Tief durchatmen und an Pinguine denken. An Pythons. Oder an Renato Sanches. Und ganz zur Not: Einfach weiterwechseln. Bis Ende August sind fast überall noch Königstransfertitel zu vergeben.

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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