Linksaußen:Hilferuf an Greta

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Herrschings Volleyballer sind die geilsten Ökos der Welt - und werden aus ihrer Heimat vertrieben. Sie ziehen am kommenden Donnerstag nach Unterhaching.

Von Sebastian Winter

D och du bist heimatlos, belogen, betrogen, übern Tisch gezogen, wie von 'nem schwarzen Loch aufgesogen. Heimatlos, abgezockt, trocken gedockt, schwer geschockt, in die Falle gelockt. Und wie ein Schaf an den Hinterbeinen angepflockt. Ein blödes Gefühl, du findest kein Asyl, du bist nackt und bloß, heimatlos."

Vor 19 Jahren hat Reinhard Mey diesen Refrain geschrieben, für das Lied Heimatlos, erschienen auf seinem Album Einhandsegler. Und er könnte 19 Jahre später aktueller kaum sein: Im Dezember schloss in Bottrop ja Prosper Haniel, die letzte deutsche Steinkohle-Zeche. Und manch zerfurchter Steiger, der Jahrzehnte lang in die Dunkelheit gefahren ist, weiß nun nicht mehr, wohin. Erst am vergangenen Donnerstag wurde dann das Ende Mühlroses besiegelt. Der 200-Seelen-Ort in Ostsachsen soll nun komplett umgesiedelt werden, oder vielmehr umgegraben: Die Braunkohle-Monsterbagger vom Tagebau Nochten rücken schon gefährlich nah heran. Während tief im Westen die Kohle also endgültig unter der Erde verschwindet, weichen noch tiefer im Osten ganze Gemeinden für das braune Gold. Geht's eigentlich noch?

All das ist natürlich ein Thema für Greta. Dieses mutige Fridays-for-Future-Mädchen aus Schweden, das gerade in Berlin war, die Goldene Kamera bekam und längst für den Friedensnobelpreis nominiert ist. Die Frage ist: Hat die 16-jährige Ökoaktivistin auch Herrschings arme, heimatlose Volleyballer im Blick?

Sie müsste Freudentränen weinen bei diesem winzigen Fußabdruck, den die geilsten Ökos der Welt im Landkreis Starnberg hinterlassen. Manch Profi duscht ja nicht mal zu Hause nach dem Training, sondern springt lieber selbst im Spätwinter in den klirrend kalten Ammersee. Und ihre Nikolaushalle brauchen sie gar nicht erst einheizen, bringt eh nix, weil die Kälte durch alle Ritzen kriecht.

Eigentlich lieben sie ihren Backsteinbau, aber pünktlich zu jedem Playoff-Start dürfen sie ja nicht mehr darin spielen, weil er der Liga zu klein geworden ist. Es kommt dann zu grotesken Szenen, weil Coach Max Hauser immer dann seine Abschlussrede in der Halle hält, wenn die Saison richtig spannend wird - für, aber eben nicht in Herrsching. Na ja, dem Bürgermeister ist's eh egal.

Am kommenden Donnerstag ziehen sie ja für ihr "Heimspiel" nach Unterhaching, in den Zweitwohnsitz der Innsbrucker Alpenvolleys. Das ist top für den Öko-Fußabdruck, aber auch irgendwie tragisch: Während die einen ihre Heimat verlieren und auf Asylsuche sind, haben die anderen gleich zwei. Allein dieser Benzinverbrauch beim Pendeln! Und die Gegner aus der Volleyball-Bundesliga blasen ja auch zig Liter Benzin oder gar Kerosin in die Luft, wenn sie mit dicken Reisebussen oder lärmenden Fliegern anreisen.

Was die Alpenvolleys nicht wissen: Sie sind die Heimatlosesten. In Unterhaching kräht kein Hahn nach ihnen, und in Innsbruck dürfen sie nicht mal deutscher Meister werden. Das hat ihnen die Liga verboten. Völlig zurecht übrigens: Die Funktionäre müssten ja aus ihrer Berliner Zentrale samt Pokal nach Tirol reisen. Das tun sie weder sich noch Greta an. Und schon gar nicht ihrer Ökobilanz.

© SZ vom 01.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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