Linksaußen:Endstation Gleis 9 ³/₄

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Von wegen per ICE in die zweite Liga: Für Hachings Kicker ist nach zuletzt sechs Spielen ohne Sieg der Aufstiegszug abgefahren. Da helfen nicht einmal mehr magische Kräfte.

Kolumne von Andreas Liebmann

War es am Ende ein Kommunikationsproblem? Er hätte ja auch sagen können: "Wir wollen durch die dritte Liga gleiten wie ein heißes Messer durch Butter." Oder ein Messer durch heiße Butter, geht beides. Doch Manfred Schwabl wählte Ende Mai das Bild vom ICE. Wie der Schnellzug wolle man nach der Corona-Pause Richtung Aufstieg rauschen. Haching unterwegs ins ICE-Age.

Nun weiß man ja von der Bahn, dass nicht jede Ansage leicht verständlich ist. Doch schon Tage später bekam man eine Idee davon, wie der Rest der Liga am Bahnsteig steht und hilflos zusieht, wie da mit Geratter und Getöse ein Zug durchfährt ohne anzuhalten, und der pure Windstoß die Mitbewerber fast umwirft. Eine Partie gegen Großaspach hatte genügt, Haching war Zweiter und in voller Fahrt. So hatte sich der Präsident das vorgestellt. (Für Begriffsstutzige: Kürzlich musste ein ICE bei Limburg und 280 eine Vollbremsung machen, er kam nach zwei Kilometern zum Stehen. Noch Fragen?)

Elf Tage später ... - war Haching Neunter. Auch eine Art Vollbremsung nach einer bis dahin fabelhaften Saison. Und rätselhaft: Hatten sie bemerkt, dass in Unterhaching gar keine ICEs fahren? Erinnerte das Gleichnis des Chefs die Spieler eher an die ICE-Pannenstatistik? Oder hatte die Image-Kampagne der Bahn sie irritiert? In deren Spot sieht man Nico Rosberg erst am Steuer seines Formel-1-Boliden entschlummern, dann im ICE, der ja auch ohne sein Zutun rast. "Außen Rennwagen, innen Wohnzimmer", erklärt der Sprecher. Es gibt auch den Slogan: "Außen schnell. Innen verschmust." Ob es sich die Spieler lieber im ICE gemütlich machen wollten, statt selbst einer zu sein?

Schwabl hat diese Phase nun im tz-Interview mit der Bayerischen Oberland-Bahn gleichgesetzt. Und Dichter Heinrich Heine hat sie (natürlich vorausblickend) mit den Worten kommentiert: "Durch die Eisenbahn wird Raum getötet, und es bleibt nur noch die Zeit übrig." Heine hat das wohl durcheinander gebracht, denn der Raum zwischen Haching und dem Aufstieg ist gewachsen, auf acht Punkte. Zeit dagegen ist kaum noch übrig.

Vielleicht gibt es auch gar keine triftigen Gründe für die Ergebniskrise. "Alles in der Welt endet durch Zufall und Ermüdung." Hat ebenfalls Heine gesagt. Durch Daumenbrüche, Kreuzbandrisse, Nervenflattern, Pfostentreffer, wer weiß das schon? In München hat sich die Bahn vor einigen Tagen jedenfalls einen Scherz erlaubt. Für einen ICE aus Berlin hat sie nach Medienberichten die Anzeige "Gleis 9 ³/₄" eingeblendet, und: "Hogwarts-Express." Für Potter-Unkundige: Gleis 9 ³/₄ nutzen ausschließlich Zauberer. Einmal, als Harry Potter und sein Kumpel Ron den Zug nach Hogwarts verpassten, holten sie ihn in einem fliegenden Auto ein.

Der ICE ist für Haching wohl abgefahren. Vielleicht fürs nächste Mal: Weiß zufällig einer, wo dieses Zauberauto steht?

© SZ vom 22.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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