Linksaußen:Die Wucht des Fußballs

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Erpressung ist ein hartes Wort - aber ein klitzekleines bisschen Druck hat der BFV auf die Staatskanzlei doch ausgeübt. Und siehe da: Bald rollt der Ball.

Kolumne von Stefan Galler

Bei den Ewings hat es eigentlich immer ganz gut geklappt, im Denver-Clan ebenfalls und auch in modernen Fernsehzeiten kommt kaum eine gute Seifenoper ohne das immergrüne Motiv der Erpressung aus. Wer unbedingt etwas erreichen will, muss nicht immer mit Argumenten überzeugen, manchmal genügt es, ordentlich Druck auszuüben. Jeder, der Kinder hat, weiß, dass es in vielen Situationen dazu eben keine Alternative gibt ("Wenn du jetzt nicht aufhörst zu plärren, kriegst du nie wieder ein Eis!").

Auch beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) sind Leute in Führungspositionen, die über Erfahrung in der Pädagogik verfügen, Präsident Rainer Koch ist ebenfalls Familienvater. Und so dachte er sich womöglich: Was bei den Kleinen funktioniert, klappt bei den Groß(kopfert)en sicher auch. Eine Klage gegen die Ungleichbehandlung der Fußballer durch die Staatsregierung wäre wohl das Mittel, um den Restart der Amateur- und Jugendklassen zu erwirken, und prompt fügten sich zwei Drittel der Vereine im Freistaat in die Drohkulisse ein. Koch machte Ministerpräsident Söder ein Angebot, das der nicht ablehnen konnte.

Obwohl es noch eine Woche zuvor aus dem Maximilianeum geheißen hatte, dass die Situation frühestens Mitte September überdacht werden würde, dauerte es nun keine 24 Stunden, da knickte das bayerische Kabinett ein: Vom 19. September an dürfen Wettkampfspiele nun also wieder stattfinden - und bis zu 400 Zuschauer können live dabei sein. Und die Lockerungen greifen nicht nur im Fußball, bei Hallensportarten sind bis zu 200 Besucher zugelassen.

Eine Entwicklung, die zweierlei zeigt: Erstens, dass ein wenig Druck an der richtigen Stelle viel bewirken kann, auch auf höchster politischer Ebene. Und andererseits, dass vor allem der Fußball über Möglichkeiten verfügt, seine Interessen durchzusetzen: 1,6 Millionen organisierte Balltreter im Freistaat haben eben eine ungeheure Wucht - und viele von ihnen sind bereits jetzt wahlberechtigt. Die anderen werden es irgendwann sein.

Bleibt die Frage nach der Umsetzung. Gibt es den Bierbecher am Kiosk künftig mit Strohhalm, um den Gerstensaft an der Maske vorbeizubekommen? Und wie ist das mit der Stadionwurst? Darf man dieses zum Fußballbesuch dringend benötigte Accessoire überhaupt genießen? Und wenn ja, können sich die Standlbetreiber dann die Servietten sparen?

Ganz wurscht, womit sich der Fan den Senf aus dem Gesicht putzt, die Erleichterung der Sportler ist flächendeckend. Nur ein unbeugsamer kleiner Klub aus dem Fünfseenland teilt die Euphorie nicht: Wie berichtet, überlegt der TSV Tutzing, seine Teams aus dem Spielbetrieb zu nehmen. Und zwar ganz ohne Hintergedanken und schon gar nicht, um irgendjemanden zu erpressen. Einfach nur, weil man dort das Infektionsrisiko weiterhin als zu hoch einschätzt.

© SZ vom 14.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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