Linksaußen:Die Tücken der Direktübertragung

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Vor 40 Jahren galten Livebilder vom Bundesligafußball schon fast als Sensation, heutzutage gibt es fast jedes Amateurspiel in Livestreams zu sehen. Außer der Sender vertut sich mit dem Stadion.

Von Stefan Galler

Die Spannung war schier unerträglich: Samstags um kurz vor sechs, den Fernseher angeschaltet und dann kam auch schon Ernst Huberty um die Ecke und verriet, von welchen drei Bundesligaspielen es in der "Sportschau" diesmal bewegte Bilder geben würde. Am 12. Februar 1977 waren das zum Beispiel die Partien Rot-Weiss Essen gegen Saarbrücken (1:0), Bremen gegen Gladbach (1:0) und - Achtung Sensation! - Tennis Borussia Berlin gegen Bayern München (3:1). Vom Rest wurden kurz und schmerzlos die Resultate vorgelesen, basta.

Ja, so war das in der Siebzigerjahren: Im Fernsehen wurde keineswegs alles gezeigt, geschweige denn live; damals beschränkten sich diese Direktübertragungen auf Länderspiele und Europapokalfinals. Das mögen sich jüngere Fernsehsportler heutzutage gar nicht mehr vorstellen können in einer Zeit, in der man zwar andere (Sommer-)Sportarten im Fernsehen mit der Lupe suchen muss, fußballtechnisch aber alles verfolgen kann - und das sogar mit deutschem Kommentar. Egal ob ausgewählte Begegnungen der schwedischen Allsvenskan oder der japanischen J-League (DAZN), Highlight-Matches aus der indischen Super League (Sportdigital), alle Partien der dritten deutschen Liga (Telekom Sport), "Frühschoppenspiele" aus der Regionalliga wie zuletzt Schalding-Heining gegen Burghausen (Sport 1), man könnte sich rund um die Uhr die Zeit mit Fußballgucken vertreiben.

Und selbst die Bayern- und Landesligen haben mittlerweile eine Plattform gefunden: Im Internet kann man unter sporttotal.tv jede Menge Partien aus diesen Klassen im Livestream sehen, abgefilmt von einer automatisierten Kamera und nur mit den Hintergrundgeräuschen vom Fußballplatz. Was oftmals skurrile Augenblicke generiert: Die Kamera verharrt penetrant in der menschenleeren Spielhälfte, während abseits des Bildes das entscheidende Tor fällt. Zuletzt hätte es beinahe Livebilder vom Toto-Pokalspiel zwischen Türkgücü-Ataspor und Buchbach gegeben. Die sporttotal-Kameras schickten Bilder nur leider von der völlig verwaisten Sportanlage in Heimstetten in die Welt. Dort pfiff am Mittwoch kein Schiedsrichter, sondern höchstens mal ein einsamer Spatz vom Tribünendach. Eigentlich trägt Türkgücü seine Bayernligaspiele sehr wohl in Heimstetten aus, die Kamera war also auf der richtigen Fährte. Die Cup-Partie fand jedoch an der Heinrich-Wieland-Straße statt.

Doch wer weiß, vielleicht war das auch nur ein Pilotprojekt für weitere hochbrisante Live-Events, die schon bald das Datenvolumen der Nutzer an seine Grenzen bringt. Wie wäre es mit Übertragungen von der Platzpflege in Pipinsried in der Post-Höß-Ära? Oder Trikots waschen live aus den Katakomben des Erich-Greipl-Stadions in Ismaning? Auch ein Stream aus dem Vereinsheim des SC Olching ("Maiers Sportsbar") fände bestimmt richtig viele Anhänger. Das Ende der Fahnenstange ist also noch lange nicht erreicht.

© SZ vom 27.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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