Linksaußen:Der Tiger im Tiger

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Wer tigert durch Haching? (Foto: SpVgg)

Der Fußball-Drittligist SpVgg Unterhaching treibt seinen Neuaufbau konsequent voran. Neben dem Trainer und einigen Spielern wird auch das Maskottchen erneuert. Doch wer steckt nun unter dem Tigerkostüm? Die SZ hat da so einen Verdacht.

Ein Maskottchen? Lächerlich! Es gab wohl mal eine Zeit, da vermuteten besonders ahnungslose Beobachter, dieser Hermann Gerland säße nur als Gute-Laune-Onkel mit auf der Bank des FC Bayern München, aus Folklore-Gründen; wegen der Fan-Freundschaft mit Bochum, und weil der Bermuda-Shorts-und-Birkenstocklatschentyp aus der Bergarbeitersiedlung in der Kurve eindeutig besser ankam als Berni. Inzwischen lassen sich leichter die Gefahren eines Virus leugnen als die Verdienste des ewigen Co-Trainers. Zum Beispiel gehört ja dazu, dass er als Nachwuchscoach ein paar beachtliche Fußballer geformt hat, damals, kurz nachdem er Himmel und Erde erschaffen, die Arche gebaut, das rote Meer geteilt, Amerika entdeckt und Einstein die Relativitätstheorie eingeflüstert hat. Hargreaves und Schweinsteiger zum Beispiel. Babbel. Hummels. Müller. Alaba. Als seine Frau mal Skepsis andeutete ob seiner Begeisterung über Philipp Lahm, will er ihr geantwortet haben: Wenn das kein Superspieler werde, wolle er seine Lizenz zurückgeben und Volleyball- oder Wasserballtrainer werden. Hat ja dann halbwegs geklappt. Mit Lahm, nicht mit der Karriere im Wasserball.

Jedenfalls hat er nicht nur ein bis zwei sehr gute Augen für Talente, dieser Hermann Gerland, sondern auch für Talentförderer, weshalb er es schaffte, den späteren Meistercoach Sebastian Hoeneß gegen den Willen des Onkels Uli Hoeneß im Verein zu installieren. "Lass mich mal machen, Uli", soll er gesagt haben, dabei kam Sebastian Hoeneß in der Kurve anfangs weniger gut an als Plüschbär Berni. Dass es Hansi Flicks erste Amtshandlung war, den knorrigen Typen zurück ins Trainerteam zu holen, war auch kein Zufall.

Insofern ist die SpVgg Unterhaching auf einem ausgezeichneten Weg. Kaum ist Claus Schwomm nicht mehr Cheftrainer, hat auch sie den Tiger zurückgeholt. Natürlich nicht DEN Tiger, also nicht Gerland (der übrigens anfangs den Spitznamen "Eiche" trug und bis heute rätselt, wie sich die Umtaufung durch einen Journalisten in "Tiger" je hat durchsetzen können). Die Pressemitteilung kam vergangenen Mittwoch. Anstelle des neuen Trainers präsentierte Haching darin ein neues Maskottchen und einen neuen Slogan. Der Slogan ist nicht ganz selbsterklärend, er erinnert an den des FC Bayern und lautet: "UNS schreibt man WIR." Gegner, die ihn künftig auf Trikots lesen und verstehen wollen, könnten dadurch für entscheidende Sekunden oder Minuten (im besten Fall 90) abgelenkt sein. Aber weil in dem zweiseitigen Erklärtext viel von Zusammenhalt und Tradition und sozialer Verantwortung die Rede ist, geht das mit dem Slogan schon in Ordnung. Und der Tiger ist nicht wirklich neu, er war früher schon Vereinsmaskottchen.

Schromm steckt übrigens nicht unter dem Plüsch, auch als neuer Sportchef hat er keine Zeit für solche Albernheiten. Außerdem hat er kürzlich nach dem Trainingsauftakt unkostümiert (!) versichert, man befinde sich bezüglich eines Nachfolgers in guten Gesprächen. Aber mit wem? Einen wie Klopp wollen sie, in preiswert, jung (höchstens 66?), mit Fußballlehrer-Lizenz (die Gerland nie abgegeben hat); einen, der Spieler herzlich in den Arm nehmen und ihnen herzhaft in den Hintern treten kann, am besten gleichzeitig. Vielleicht ist der Tiger ja doch ein Hinweis? Hilft Gerland im Kostüm bei der Trainersuche? Inkognito, weil ihn sein Hauptarbeitgeber niemals freigeben würde? Oder ist er gar selbst der Neue? Sollte Haching bis zum ersten Spiel keinen Trainer benannt haben, aber ein knurrendes Maskottchen auf der Bank sitzen, denken Sie daran: Wir wissen, wer darunter steckt.

© SZ vom 10.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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