Linksaußen:Das Schicksal der Marlboro-Männer

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Der "Slogan" gewinnt in Zeiten des Kampfes gegen den pandemischen Feind Corona für Sportvereine zusehends an Bedeutung - er soll identitätsstiftend und zukunftsweisend sein. Aber nicht jeder Slogan ist auch gut.

Kolumne von Sebastian Winter

Der Slogan stammt aus den USA, könnte man meinen, dort werden schließlich die allermeisten Slogans erfunden (America first!). Tatsächlich wurde der Begriff im rau-regnerischen europäischen Norden geprägt. Genauer leitet er sich vom schottisch-gälischen sluagh-ghairm ab, was sich nach einer Flasche Single Malt sicher am besten aussprechen lässt - und so viel heißt wie: Schlachtruf. In Friedenszeiten nutzten ihn die Highlander bei Versammlungen, im Krieg während des Kampfes. Sluagh!

In Zeiten des Kampfes gegen den pandemischen Feind Corona, in denen die Schlachtrufe der Fans in den Sporthallen und -stadien allenfalls aus der Konserve kommen (wie auch beim Relegationsspiel Bremen gegen Heidenheim, wo man wählen konnte zwischen Fan-Atmosphäre und original Geisterspiel-Ton), bekommt der Slogan der Vereine umso größere Bedeutung: Wo kommt man her? Wo will man hin? Wo steht man gerade? Und für was überhaupt? In einem guten Slogan sind all diese Dinge vereint. Es gibt aber auch schlechte Slogans.

Die Münchner Kinos zeigten mal monatelang einen Spot mit dem bescheidenen Titel "Nothing can stop us now" - "Nichts kann uns mehr aufhalten". Hört sich nach Rocky oder Rambo an, ist aber die SpVgg Unterhaching. Exakt jene aus dem Jahr 2009, die, just als der Spot vorbei war, von fast jedem Gegner aufgehalten wurde - und auf Platz elf landete. Elf Jahre später dasselbe Bild: Im Herbst davor kann sie schier nichts aufhalten Richtung Aufstieg, "nothing can stop us now", im Sommer ist sie zurück im Mittelfeld.

Oder ein paar Hundert Meter weiter entfernt, die Unterhachinger Volleyballer: "Local heros" heißen sie jetzt, da sie mit jungen Talenten zurückkehren in die erste Liga. Sie wünschen sich, dass die Spieler künftig wieder beim Bäcker erkannt werden. Äh, hat jemand schon mal Sonntagmorgens um, sagen wir 9 Uhr, 17- oder 18-Jährige beim Bäcker gesehen? Na ja, lassen wir ihnen eine Chance, die Alpenvolleys hatten ihre ja auch. Vermutlich sind Brasilianer Hachinger Brezn gegenüber eher skeptisch eingestellt, jedenfalls rauschte das südamerikanisch geprägte Team nach Spielen schnell aus der Vorstadt zurück ins Innsbrucker Hauptquartier. Ihr Slogan: "Wir schreiben Geschichte." Vermutlich schreiben sie immer noch, und merken nicht, dass sie längst selbst Geschichte sind. Immerhin ohne Anglizismus.

Apropos Anglizismus: In Tönnies' Fleischfabrik gibt es neben der Division Beef, der Division Pork und der Division Sausages auch die Nachhaltigkeits-Rubrik "Tierschutz beim Schlachten". Hahaha, guter Witz. Slogans, also Schlacht-Rufe, gab's und gibt's dort natürlich auch, nicht nur vom Pork und Beef. Zum Beispiel: "Tönnies Fleisch - worauf du dich verlassen kannst." Die ebenfalls virusgeplagten Geflügel-Kollegen von Wiesenhof, übrigens Bremens Trikotsponsor, "Wissen, was schmeckt." Mhhhh.

Ein guter Slogan betont die Vorteile ("Guinness is good for you"), ist glaubwürdig (Tönnies und Co.), witzig ("Wir können alles. Außer Hochdeutsch.") oder übergeschnappt ("Läuft und läuft und läuft"; VW). Manche bedienen sich der Alliteration ("Bitte ein Bit") oder der Ellipse ("Heute ein König"), andere nutzen Metaphern ("Come to Marlboro Country") oder rhetorische Fragen ("Wohnst du noch, oder lebst du schon?"). Ingvar Kamprad, der Sparfuchs vom Bauernhof Elmtaryd im schwedischen Dorf Agunnaryd, machte aus diesem Akronym einen Möbelgiganten, samt super Slogan.

Im wissenschaftlichen Vergleich kann das "Mia san Mia" (Fröttmaning), "Einmal Löwe, immer Löwe" (Giesing) und "Geilster Club der Welt" (Herrsching) nicht ganz mit solchen Slogan-Weltmächten mithalten. Gelungen sind sie dennoch. Nur geht's ihnen halt leider so wie allen Sprüchen: Irgendwann klingen sie abgedroschen - und sind im Falle der Löwen außerdem pure Tierquälerei.

Noch schlimmer für die Werbeindustrie: Auch der Zigaretten-Cowboy ist inzwischen dem Untergang geweiht. Denn wie der Bundestag vor einer guten Woche beschlossen hat, ist von 2021 an Kinowerbung fürs Rauchen verboten, außer vor FSK-18-Filmen. Der Marlboro Man (der als erstes vom Quarterback der New York Giants verkörpert wurde) also nur noch vor dem Splatter-Film zur Spätvorstellung, womöglich mit Mundschutz? Gut so, wenn man weiß, dass Wayne McLaren, David McLean und andere Marlboro-Man-Darsteller allesamt an den Folgen des Qualmens gestorben sind. Come to Marlboro-Heaven. Sluagh!

© SZ vom 13.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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