Linksaußen:Alles eine Frage der Schreybweise

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Es ist dieses Ypsilon, das immer dort auftaucht, wo man es gerade nicht braucht

Von Andreas Liebmann

Mit dem Buchstaben Ypsilon verhält es sich wie folgt: Beim Stadt-Land-Fluss-Spielen stellt er einen vor absurde Herausforderungen, ansonsten haben ihn die alten Griechen erfunden, an die alten Etrusker weitergegeben, die den Strich nach unten jedoch verschlampten, weshalb sie den alten Römern für deren Alphabet nur noch ein "V" hinterließen. Dummerweise entdeckten die Römer den Strich später wieder. Es dürfte weitgehend Einigkeit darüber bestehen, dass dieser Buchstabe so unverzichtbar ist wie Lippenherpes.

Dragan Koyacevic brauchte ihn am allerwenigsten. Er war mal Stürmer beim Fußball-Landesligisten TuS Geretsried, zu einer Zeit, als die Landesliga noch fünftklassig war statt sechstklassig wie heute. Koyacevic war ein Knipser, einer, der sich mit allen Tricks und Kniffen durchsetzte, technisch beschlagen, kopfballstark. Sein Trainer schwärmte von ihm, der Stadionsprecher, die Fans, die örtlichen Zeitungen. Volle zwei Jahre lang. Dann erst fragte der Torjäger nach, wieso ihn eigentlich - ach, übrigens: dauernd alle Koyacevic nennen? Wo er doch Kovacevic heiße. Mit V. Ein Name, der mit dem deutschen Schmidt gleichzusetzen ist und ähnlich häufig vorkommt. Irgendwer hatte ihm beim Ausfüllen des Spielerpasses offenbar versehentlich einen zusätzlichen Senkrechtstrich verpasst (vielleicht ein Fundstück aus einer etruskischen Ausgrabung), und Kovacevic, ein äußerst höflicher, zurückhaltender Mensch, beschwerte sich nicht.

Auch der Hochspringer Tobias Potye ist ein wohlerzogener, zurückhaltender junger Mann. Als er noch für seinen Heimatklub FC Aschheim startete, war er U-20-Europameister. 2014 wechselte er zur LG Stadtwerke München, die er kürzlich bei der U-23-EM in Tallinn und am vergangenen Wochenende bei den deutschen Meisterschaften in Nürnberg vertrat - und für die er sich offenbar ganz widerstandslos umtaufen ließ. Zumindest heißt er seitdem in jeder Pressemitteilung der LG beharrlich "Tobias Poyte" - also so, dass es sich auf "Leute" oder "heute" reimt, im Gegensatz zu seinem Geburtsnamen Potye, auf den sich beim besten Willen kein Reim finden ließ. Es ist dieses Ypsilon, das immer dort auftaucht, wo man es gerade nicht braucht; das einen damit in den Wahnsinn treibt.

Dass Fehler, einmal begangen, oft lange bestehen, ist keineswegs neu. Der Bayerische Fußball-Verband zum Beispiel führt seit Jahren einen "SC Kirchheim" im Sortiment. Dabei weiß doch jeder, dass der Klub "Kyrchheimer SC" heißt.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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