Leilani Ettel:Bereit zum Abflug

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Mit gerade einmal 17 Jahren hat sich die Snowboarderin aus Pullach zum zweiten Mal für eine Weltmeisterschaft qualifiziert. Dazwischen musste die Abiturientin eine lange Verletzungspause überstehen.

Von Moritz von Laer

Die Straße zum Haus der Familie Ettel ist tief verschneit. Mutter Julia öffnet die Tür, Tochter Leilani, genannt Lani, wartet dahinter im Flur. Schnell wird noch der Esstisch abgewischt, dann beginnt die 17-Jährige auch schon zu erzählen: "Wenn man oben in der Luft ist, hat man das Gefühl der Schwerelosigkeit und des Fliegens. Man ist einfach frei!" Ob Skateboard, Surfbrett oder Snowboard - irgendein Brett hat sie eigentlich immer unter den Füßen. Einen Favoriten habe sie nicht: "Ich liebe alle drei. Im Winter fahre ich vor allem Snowboard und im Sommer gehe ich surfen oder in den Skate-Park." Das Snowboard ist für sie freilich mehr als ein Freizeitspaß - es ist ihr Arbeitsgerät.

Leilani Ettel ist Profi. Mit dem Nationalteam "Snowboard Germany" reist sie um die Welt. Im Dezember hat sie sich mit einem siebten Platz beim Weltcup in Secret Garden/China für die Weltmeisterschaft vom 1. bis 10. Februar in Park City/USA qualifiziert, in der Disziplin Halfpipe. Es ist nach 2017 bereits ihr zweiter WM-Start. Ihr Talent hat Leilani Ettel von ihrem Vater Julian. Der war ebenfalls Snowboard-Profi und 1991 deutscher Meister. "Von ihm habe ich sehr viel gelernt. Er hat mir auch meine ersten Tricks beigebracht. Durch meine Familie habe ich mich von Anfang an wohl auf dem Board gefühlt." Druck habe sie nie verspürt. "Wir haben sie nicht zum Snowboarden gezwungen", sagt Mutter Julia. "Sie hat auch andere Sportarten wie zum Beispiel Tanzen ausprobiert. Aber es war ziemlich schnell klar, dass Lani aufs Board will." Neben den Wettkämpfen mache ihr vor allem das Reisen Freude: "Wir machen auch immer kleine Ausflüge in den jeweiligen Ländern. Wir sehen einiges und lernen andere Kulturen kennen. Das macht mir sehr viel Spaß." Skateboarden und Surfen sind gewissermaßen ihr Privatvergnügen. "Ich bin auch im Skaten und im Surfen schon auf Contests mitgefahren. Aber ich kann nicht in allen drei Sportarten an Wettkämpfen teilnehmen, das wird sonst zu viel." Für sie seien das Skaten und das Surfen ein Ausgleich zum Profisport.

„Wenn man in der Luft ist, hat man das Gefühl der Schwerelosigkeit“: Leilani Ettel beim Training in Laax. (Foto: privat/oh)

Um auf diesem Niveau Snowboard zu fahren, ist hartes Training notwendig. Im Winter ist Leilani Ettel quasi an jedem Wochenende in Laax in der Schweiz. Dort hat die Familie eine kleine Wohnung. Nähere Optionen gibt es kaum. In Laax seien die Bedingungen zum Trainieren optimal, die Halfpipe ist dort immer in gutem Zustand. Wenn es die Zeit zulässt, verbringt sie ganze Wochen im Schweizer Skiresort. Ettel ist aber auch oft mit dem Nationalteam zum Training unterwegs. Drei- bis viermal in der Woche mache sie Kraftsport, "das ist auch nötig, wenn man so einen Tag am Berg wegstecken will," sagt sie. Auch auf dem Trampolin trainiert sie. Die Sprungmatte eigne sich sehr gut, um die Tricks, die sie auf dem Board machen will, einzuüben. Vorbilder für ihre Tricks sind der dreimalige Olympiasieger Shaun White und Iouri Podladtchikov, Olympiasieger von 2014, der sie mit seinem Comeback nach schwerer Verletzung beeindruckte. Aber auch ihre Teamkameraden habe sie zum Vorbild. "Wir pushen uns alle gegenseitig," erzählt sie.

Finanzielle Unterstützung bekommt Ettel vom Deutschen Snowboard Verband, von der Deutschen Sporthilfe und Sponsoren. "Die helfen mir besonders. Ohne sie wäre das gar nicht möglich," sagt sie.

Die Schule besucht sie quasi nebenbei. Obwohl sie viele Unterrichtstage verpasst, sind ihre Noten gut. Allerdings steht nun das Abitur bevor, das bedeutet anstrengende Monate. "Ich räume mir immer Lernzeit ein und habe meine Schulunterlagen auch bei den Wettkämpfen dabei," sagt sie. Eine große Hilfe seien ihre Schulfreunde, die ihr die Unterlagen oft über die sozialen Kanäle zuschicken. Und auch die Schule unterstütze sie, wo es nur geht. Oft bekommt sie für ihre Klausuren individuelle Alternativtermine, da sie am eigentlichen Termin mal wieder in 5000 Kilometern Entfernung eine Halfpipe zu bezwingen hat. Die Schule habe aber auch klar gemacht, dass das nur geht, solange die Noten stimmen. Bei Ettel stimmen sie.

Leilani Ettel. (Foto: Guenter Schiffmann/imago)

Was sie nach dem Abitur machen möchte, weiß sie noch nicht - "auf jeden Fall möchte ich weiter professionell Snowboard fahren!" Ein Studium strebe sie früher oder später auch an: "Interessant finde ich Kunst, Medizin oder etwas in Richtung Chemie."

Die Erfahrung, dass ihr Sport durchaus riskant ist, musste Leilani Ettel im April 2017 machen. Sie verletzte sich am Kreuzband. "Das war eine echt schwere Zeit für mich. Ich hatte meine erste Operation und musste zwölf Monate pausieren." Der Auszeit kann sie im Rückblick dennoch Gutes abgewinnen: "Ich konnte die Pause sinnvoll nutzen, indem ich mich auf die Schule konzentriert habe. Meine Reha verlief sehr gut. Ich war danach so fit wie nie und mein Knie war auch besser als je zuvor."

Besser als je zuvor könnte sie nun bei der WM in Park City abschneiden. Sie weiß aber auch, dass das sehr schwer wird: "Die Konkurrenz ist sehr stark. Ich werde einfach versuchen, einen guten Run abzugeben. Bei einer WM ist alles möglich." Ihr großer Traum ist es, einmal bei Olympischen Spielen anzutreten. 2018 war dieser Traum durch ihre schwere Verletzung geplatzt, nun strebt sie die Winterspiele 2022 in China an. Zuvor steht aber erst einmal der Weltcup in Laax (14. bis 19. Januar) an. Darauf freut sie sich ganz besonders: "Da ich mich schon für die WM qualifiziert habe, will ich Laax einfach genießen. Für mich ist es fast ein Heimspiel, ich werde alles raushauen."

© SZ vom 12.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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