Leichtathletik:Mehr Freiraum für die Laufkarriere

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Die Fürstenfeldbruckerin Jannika John trainiert in Texas unter Profibedingungen

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Profibedingungen für eine aufstrebende Dauerläuferin sind in Deutschland nicht gerade selbstverständlich: Häufig kollidiert die Läuferkarriere mit der beruflichen Ausbildung, oder sie steht lange hinten an, um nach Ende der Sportkarriere mit großem Zeitverlust nachgeholt zu werden. Jannika John ist eine Athletin, die in den USA gleichzeitig ihren beruflichen Weg gehen und ihre Ambitionen als Mittel- und Langstreckenläuferin verfolgen kann. Die Fürstenfeldbruckerin genießt seit Sommer des vergangenen Jahres ein Vollstipendium an der Lamar University in Beaumont/Texas.

"Man kann durchaus sagen, dass es hier für mich so gut wie ein Leben unter Profibedingungen ist", sagt Jannika John nach einem halben Jahr in Nordamerika. "Ich bin froh, dass das Laufen durch die Universität ein bisschen aufgelockert wird und man auch seinen Geist anstrengen muss." John ist 22 Jahre alt, mehrmals war sie in den Juniorenklassen bayerische Meisterin über 1500 und 3000 Meter Hindernis, sie gehörte auch auf Bundesebene zur erweiterten Spitze und gewann bei der Junioren-EM mit dem deutschen Team Medaillen. Sie absolvierte parallel zum Laufen ihr sportwissenschaftliches Bachelorstudium an der TU München. An der Universität in Beaumont strebt sie nun den Master in Sport- und Bewegungswissenschaften an.

Doch im Mittelpunkt steht für John an der Universität das Laufen. Die Bruckerin mit der Abiturnote 1,0 hatte mehrere Angebote von US-amerikanischen Universitäten. Sie entschied sich ganz bewusst für die kleinere Universität im Südosten von Texas. Wichtig war für sie, dass der Lauftrainer zu ihren Vorstellungen passte. "Ich hatte viele negative Geschichten über amerikanische Trainer gehört", sagt John. Ihr Trainer ist ein Schotte. "Sein Training ist europäisch geprägt", sagt John zufrieden. In der Trainingsgruppe sind neben Deutschen auch viele andere Europäer aus England, Finnland, Irland und Russland.

Als Masterstudentin hat John "einen äußerst entspannten Tagesablauf", wie sie sagt. Nur an drei Abenden pro Woche gibt es eine Vorlesung. John ist selbst überrascht: "Ansonsten habe ich Zeit." In München ging viel Zeit durch Fahrerei verloren oder durch ungenutzte Freistunden zwischen Vorlesungen. Studieren in den USA ähnele eher der Schule in Deutschland. Sie müsse viele Hausaufgaben erledigen, Forschungsartikel lesen und kleinere Hausarbeiten schreiben. "Das alles ist aber mit dem Stress an einer deutschen Universität nicht vergleichbar", ist sich John sicher.

Ihre Abiturnote von 1,0 hat Jannika John ein Stipendium ermöglicht. In den USA kann sie sich auf ihren Sport konzentrieren und verbessert sich stetig. (Foto: oh)

Die Leichtathletin wohnt nicht nur auf dem Campus. Alles, was sie braucht, Mensa, Vorlesungssaal, Leichtathletikstadion, Kraftraum, Schwimmbad, Physiotherapie, ist in fünf Minuten zu Fuß erreichbar. "Zu Hause hatte ich immer einen vollgestopften Tag und musste meinen Sport hineinzwängen, hier kann ich mich mehr auf das Laufen konzentrieren und spüre keinen Zeitdruck", sagt sie. Da bleibe sogar genügend Zeit für "Soft Skills" wie Massagen, Dehnen, Krafttraining und Verletzungsprävention. Auch ein Eisbad bei Sommertemperaturen von 35 Grad zur Unterstützung der Regeneration sei möglich. Selbst für einen Mittagsschlaf reiche die Zeit noch.

Ihr Tag beginnt vor allem in den feucht-heißen Sommermonaten von Mai bis Oktober nicht selten schon um 5.30 Uhr. Eine Stunde später fängt das Training an. "Unser Laufteam besteht aus zehn Mädchen", berichtet John. Das sei sehr motivierend. Zu Hause habe sie fast nur alleine trainiert. Sie kommt inklusive zweimaligem Aquajoggen auf acht bis elf Trainingseinheiten in der Woche. "Das ist deutlich mehr als zu Hause, trotzdem fühle ich mich erholter, weil ich mehr Zeit für Regeneration habe." Trainiert werden in Texas höhere Umfänge und intensivere Einheiten. Aus dem gemütlichen, 70-minütigen Dauerlauf in Deutschland ist ein "ziemlich schneller, langer Dauerlauf geworden". 22,5 Kilometer müssen, so will es der Trainer, in 90 Minuten zurückgelegt werden. Für John war das eine enorme Umstellung: "Damit hatte ich am Anfang echte Probleme."

Das Laufen unter Profibedingungen drückt sich bei Jannika John in neuen Bestzeiten aus. Kürzlich war sie bei einem Hallenrennen in Seattle die schnellste Studentin über 3000 Meter und verbesserte sich auf 9:23,20 Minuten. In Birmingham/Alabama holte sie für ihre Universität drei Siege in 24 Stunden und verbesserte sich über 5000 Meter auf 16:36 Minuten. Das ist immerhin Platz zwei in der deutschen Jahresbestenliste in der Halle. Johns Ambitionen liegen auch eher auf der langen Strecke. Anfang April beginnt in den USA die Sommersaison. Das erste 5000-Meter-Rennen startet in Stanford bei San Francisco. Für dieses traditionelle Meeting, bei dem auch schon deutsche Top-Athleten wie Arne Gabius oder Sabrina Mockenhaupt starteten, hat sich John einiges vorgenommen: "Da würde ich gerne an die 16 Minuten heranlaufen." Auch eine Zeit darunter hält sie in diesem oder im nächsten Jahr für möglich - dank dem "hochwertigen Training" in Texas.

© SZ vom 27.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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