Landesliga-Relegation:Harmonischer Schlussakkord

Lesezeit: 3 min

Mit flatternden Haaren: Kirchheims Maximilian Leimeister (links) drehte in der zweiten Halbzeit auf und entschied die Partie fast im Alleingang. (Foto: Stephan Rumpf)

Dem KSC gelingt durch ein 4:1 im Rückspiel gegen Kolbermoor der Klassenerhalt, Maximilian Leimeister erzielt alle vier Tore

Von Andreas Liebmann, Kirchheim

Stefan Effenberg auf dem Rathausbalkon, vielleicht. Möglicherweise Bastian Schweinsteiger nach vier Goaßn-Mass. Ganz eventuell auch einer jener talenfreien Kandidaten, die bei Deutschland sucht den Superstar gelegentlich eingeblendet werden. Aber sonst? Es ist schwer zu vermitteln, welch fürchterlich schiefe Töne 20 Minuten vor Anpfiff des Regelationsrückspiels zwischen dem Kirchheimer SC und dem SV DJK Kolbermoor plötzlich die Stille über dem Kirchheimer Rasen zerrissen. Kaum etwas war bis dahin zu hören gewesen, einige Male klatschte Kirchheims Trainer Michael Hofmann laut in die Hände, während sich die Spieler die Zeit mit etwas vertrieben, das an weniger heißen Tagen wohl "aufwärmen" genannt wird. Die Zuschauer hatten sich in den Schatten verkrümelt. Bis ein Gästefan zum ersten Mal laut in sein Megafon quäkte. Wer den Gesang freundlich interpretierte, schlussfolgerte wohl: Aha, der Bezirksliga-Zweite will sich ganz offenbar nicht verstecken. Alle anderen warteten wohl eher darauf, dass jemand wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses einschreiten würde.

Hochkant rausschmeißen wäre die einfachste Möglichkeit gewesen, doch nach dem 0:0 im Hinspiel mussten die Kirchheimer die Sache schon sportlich lösen, wenn sie in der Landesliga bleiben wollten.

Das gelang: Mit 4:1 (1:0) sicherten sich die Kirchheimer am Sonntag den Ligaverbleib. Dabei sah es zu Beginn alles andere als einfach aus: "Ballbesitz, Jungs", monierte Hofmann mehrmals, und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Keine Mannschaft brachte erkennbar Struktur auf den Rasen. "Wir waren sehr nervös", sagte der Trainer später. Noch dazu war Mittelfeldspieler David Schittenhelm wegen einer Oberschenkel-Blessur ausgefallen, kurz vor Anpfiff hatte er abgewunken; und das, obwohl der Trainer zuvor schon betont hatte, sein Team fahre auf der letzten Felge. "Schade, dass immer wieder diese Rückschläge kommen", sagte Hofmann - und meinte damit die gesamte Saison, in der es immer wieder Ausfälle gab, sich sein Team gelegentlich aber auch "zu dämlich" angestellt habe.

Kolbermoor versteckte sich tatsächlich nicht, Tobias Hotter brachte eine Flanke von rechts nur knapp nicht zum Abschluss (14.). Der erste Torschuss des KSC stammte von Benedikt Weinzierl, der im zentralen Mittelfeld viele Bälle eroberte und rackerte, als hätte er es 20 Grad kühler als alle anderen; schwer zu halten war sein Schuss allerdings nicht.

Nach 30 Minuten gab es eine Trinkpause. Noch deutete nichts darauf hin, dass Hofmann kurz vor dem Pausenpfiff mit geballten Fäusten in die Luft hüpfen würde, doch da fiel der Ball nach einem Luftkampf Maximilian Leimeister vor die Füße, und Leimeister, der im Hinspiel gute Chancen vergeben hatte, traf vollspann zum 1:0. Kolbermoor brauchte nun ein Tor. Fast im Gegenzug wurde ein Schuss des bulligen Gästeangreifers Hotter abgeblockt.

Nach der Pause wollte es Leimeister, 28, dann wissen. Gleich zu Beginn zeigte er ein spektakuläres Solo auf der linken Seite, kurz darauf dribbelte er durch die Mitte, Stürmer Fabian Löns ließ den Ball kurz prallen, und Leimeister schlenzte ihn neben den linken Pfosten zum 2:0. Mit links, seinem schwächeren Fuß. Löns hätte kurz darauf fast alles klar gemacht, als er sich durchtankte, Torwart Mario Schmitt allerdings mit dem Fuß klärte. Und wieder war es Hotter, der im Gegenzug nach einer Flanke beinahe getroffen hätte.

Nach gut einer Stunde begann die letzte Felge endgültig zu eiern, nach einem Foul musste Nico Schrallhammer (der für den angeschlagenen Schittenhelm im Spiel war) verletzt raus, doch sicherheitshalber zog Leimeister nach dem folgenden Freistoß noch einmal ab - sein Schuss wurde abgefälscht zum 3:0 (63.). Allein vor dem Torwart hätte er beinahe gleich noch das 4:0 nachgelegt, und 15 Minuten vor dem Ende verweigerte er gar den freien Abschluss, um auch mal Mitspieler in Position zu bringen. Zehn Minuten vor Schluss allerdings konnte er nicht mehr anders: Allein war er zum Konter durchgestartet, die langen Haare flatterten wieder im Wind, er konnte sich das Eck aussuchen: 4:0. Den zweifelhaften Strafstoß zum 4:1-Endstand (86.) konnte der KSC verschmerzen.

Vor einem Jahr hatte Leimeister in der Abstiegsrelegation gegen seinen Ex-Verein TSV Ebersberg getroffen, diesmal habe er fürs Hinspiel in Kolbermoor "zwei Tore angekündigt", erzählte er grinsend; als er nun auch in der ersten Halbzeit des Rückspiels wenig zuwege gebracht hatte, "da habe ich gedacht: Jetzt musst du was probieren." Seine ersten Dribblings gelangen, "plötzlich hast du Kraft, dann geht auch mal ein Schuss mit links rein und einer abgefälscht". Trainer Hofmann war erleichtert, dass es in der Landesliga weitergeht, und auch, dass sein Team diese Klasse am Schluss noch einmal gezeigt hatte - trotz all der Rückschläge. Und Kirchheims Fans besangen nun ihr μTeam. Das Megafon mit den schiefen Tönen war schon längst nicht mehr zu hören.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: