Landesliga live:Comedy-Show ohne Herz

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Zentrale Figur: Als offensiver Gestalter ist Jona Lehr beim BCF Wolfratshausen unverzichtbar. Gegen Geretsried ist er an zwei Toren beteiligt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der BCF Wolfratshausen zeigt eine klare Aufwärtstendenz und bezwingt die komplett ratlosen Nachbarn aus Geretsried.

Von Karl-Wilhelm Götte, Wolfratshausen

Jona Lehr kam strahlend vom Platz und nahm die Glückwünsche von Zuschauern und Freunden entgegen. Der Kapitän des BCF Wolfratshausen war kurz zuvor im Landesliga-Lokalderby gegen den TuS Geretsried sehr wesentlich am 3:0-Sieg beteiligt gewesen. Lehr erzielte ein Tor, holte einen Elfmeter heraus und prägte als Stürmer, als hängende Spitze, das BCF-Spiel. Ein paar Meter daneben herrschte tiefe Niedergeschlagenheit vor. TuS-Trainer Florian Beham ließ nach Schlusspfiff kein gutes Haar an seiner Formation, zeigt doch die Leistungstendenz seiner Mannschaft vehement nach unten.

"Die zwei schnellen Gegentore", hob Beham an, "dass kann man in keiner Comedy-Show besser machen." Gemeint waren Aussetzer in der Abwehr von Sebastian Rosina und Ludwig Buchmair, die Kerem Tokdemir und Lehr (11./21.) zu frühen Toren verhalfen. Tokdemirs 1:0 immerhin war ein spektakulärer 25-Meter-Schuss in den Winkel, bei dem TuS-Torwart Sebastian Untch völlig machtlos war; Lehr aber nutzte Buchmairs "Slapstick-Fehler", so Geretsrieds Kapitän Christoph Herberth, per Alleingang zum 2:0-Halbzeitstand. Nach dem Seitenwechsel versuchten die Gäste mit energischem Forechecking, Wolfratshausen in Verlegenheit zu bringen. Hier und da kombinierten sie ansehnlich, doch Torchancen erspielten sie sich kaum.

"Nur im Mittelfeld kannst du kein Spiel gewinnen", meinte TuS-Abwehrchef Herberth, der auch zehn Minuten nach dem Spiel noch draußen vor den Umkleiden saß und merklich ungehalten war. Die zwei Abwehrfehler und die Gegentore bezeichnete er als "Genickbruch" für die Mannschaft. Coach Beham hatte nach der Pause noch Hoffnung auf eine Wende, doch die kam nicht. "Die letzten Prozente haben gefehlt", analysierte er mit finsterer Miene, "das ist verwunderlich in einem Derby." Er habe nicht gespürt, dass seine Mannschaft das Spiel nach dem 0:2 umbiegen wollte. "Die haben sich hängen lassen", kritisierte Beham, "sie haben kein Herz gezeigt." Gar so schlimm war es sicherlich nicht gewesen, aber der Frust saß tief bei ihm, zumal dem TuS nach einem Zwischenspurt in den vergangenen sieben Spielen kein Sieg mehr gelang, nun steht er auf Rang zehn.

Beim BCF ist die Tendenz gegenläufig. Nach misslungenem Saisonbeginn geht es für den Bayernliga-Absteiger seit einigen Wochen aufwärts. Das liegt vor allem an einer "sehr stabilen Defensive", sagt BCF-Trainer Philipp Bönig, um die groß gewachsenen Innenverteidiger Timon Hummel und Aleksandar Spehar. Bei ihnen war auch TuS-Torjäger Srdjan Ivkovic vollkommen abgemeldet. Torgefahr gab es in Durchgang zwei nur durch zwei Halbchancen von Anastasios Karpouzidis und Ryosuke Kikuchi. Sonst bekam BCF-Keeper Cedomir Radic nicht viel zu tun. Danach waren die Gastgeber wieder dicht am 3:0. Ibrahim Cakir und Tokdemir im Nachschuss vergaben zunächst weitere Gelegenheiten. Bis Jona Lehr drei Minuten vor dem Ende im TuS-Strafraum gefoult wurde und Tokdemir dann den Elfmeter sicher verwandelte - sein zweiter Treffer.

"Nach unserer bisher schwachen Heimbilanz endlich wieder ein Heimsieg", merkte BCF-Coach Bönig nach dem Schlusspfiff zufrieden an. Euphorisch wirkte er keineswegs. Er lobte die Einstellung seiner Mannschaft. "Intensität und Laufbereitschaft haben gepasst", meinte Bönig, "und die Tore haben wir im richtigen Moment gemacht." Der BCF hat von den vergangenen neun Spielen nur eines gegen Neuburg verloren. Allerdings hatte er dabei viele Unentschieden gesammelt. Nun springt er auf Platz zehn, während der TuS den Abstiegsrelegationsplätzen entgegen taumelt. "Das macht mich ein stückweit ratlos", gestand Trainer Beham ein. Derweil hatte Lehr seine Gratulationsrunde gerade beendet. Der 28-Jährige spielt seit fünf Jahren beim BCF, er ist einer der wenigen im Kader, die schon vor dem Abstiegsjahr für den BCF gekickt haben. Und er ist eindeutig der Kopf des Teams. "Wir werden noch im oberen Drittel der Tabelle ankommen", bekräftigte Lehr das BCF-Saisonziel. Dann ging er duschen.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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