Kurzbahn-DM:Rekord mit Ansage

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Alexandra Wenk, die mit drei DM-Titeln, aber zweifelnd zur EM nach Israel reist. (Foto: dpa)

Die Erfolge der Münchner Schwimmer sind nicht nur als gutes Zeichen im vorolympischen Jahr zu werten, sondern auch im Rennen um die Ernennung zum Bundesstützpunkt

Von Sebastian Winter, München

Es muss eine ziemliche Gaudi gewesen sein da auf der Rückfahrt von Wuppertal, viele gut gelaunte Münchner Schwimmer in einer Karawane aus drei Kleinbussen, am Steuer eines der Busse ihr Stützpunkttrainer Olaf Bünde, der die Wünsche seiner Passagiere zwar nicht immer nachvollziehen kann, aber doch akzeptiert. So auch am Montag, während der Reise zurück von der deutschen Kurzbahn-Meisterschaft in Wuppertal. Die Karawane machte Mittagspause an einer Raststätte, in der auch eine US-amerikanische Fastfood-Kette ihr als Club-Sandwich getarntes Weißbrot verkauft. "Das ist nicht so mein Geschmack", sagte Bünde, aber er verdonnerte seine Athleten auch nicht gleich zu einer Diät. Besonders nach diesem Wochenende.

Vier Titel gewannen die Stützpunkt-Schwimmer bei dieser DM, allein drei davon Alexandra Wenk von der SG Stadtwerke, die ihren Vorjahreserfolg damit wiederholte. Ihrem Klubkollegen und Freistilexperten Florian Vogel gelang zwar kein erneuter Doppelerfolg, die 1500 Meter ließ er aus und auf der 400-Meter-Strecke wurde er diesmal Zweiter hinter dem zweimaligen Weltmeister Paul Biedermann. Dafür glückte dem 21-Jährigen ein spektakuläres Titelrennen über die 800 Meter: Vogel verbesserte Biedermanns sieben Jahre alten deutschen Rekord um fast zwei Sekunden auf 7:33,44 Minuten, und sagte hinterher glückselig: "Grandios. Das war seit letztem Jahr mein Ziel, den Rekord wollte ich unbedingt haben. Ich habe Paul vorher gesagt, dass ich den schwimmen werde."

Bünde sprach von einem "sehr, sehr guten Gesamtergebnis", wobei er nicht nur die Leistung seiner beiden besten Schwimmer Vogel und Wenk betonen wollte. Denn neben ihnen setzten sich eine ganze Reihe weiterer Teilnehmer aus der Region in der deutschen Spitz fest: SG-Schwimmer Philipp Wolf, der noch nie eine Medaille in der offenen Klasse gewonnen hatte, wurde Zweiter über 100 Meter Freistil und knackte zugleich die Normzeit für die Kurzbahn-Europameisterschaft in Israel (2. bis 6. Dezember).Hinter ihm wurde sein Klubkollege Marius Kusch Dritter. Kusch holte dafür über 100 Meter Schmetterling Silber vor Wolf und unterbot seinerseits die EM-Norm. Stark war auch der zweite Platz von Helen Scholtissek (TSV Hohenbrunn-Riemerling) über 100 Meter Freistil. Überzeugend waren auch SG-Athleten wie Max Nowosad und Pascal Winter, die in A-Finals mitschwammen, oder der vierte Platz von Lyubomir Agov (SC Wasserfreunde München) über 50 Meter Brust.

Mit den Erfolgen Wenks und Vogels, die den Durchbruch geschafft haben, sei "eine Sogwirkung da, die Athleten sind motiviert im Training, jeder versucht, den beiden nachzueifern und selbst ein paar Prozent besser zu werden", sagt Bünde, der die verbesserten Zeiten als "logische Konsequenz aus Jahren vernünftiger Arbeit" sieht - und warnt: "Mir ist bewusst, dass das auch in die andere Richtung gehen kann. Nichts ist vergänglicher als Erfolg." Der Erfolg von Münchens Schwimmern ist nicht nur als gutes Zeichen im vorolympischen Jahr zu werten, sondern auch im Rennen um die Ernennung zum Bundesstützpunkt, auf den die Münchner schon lange hinarbeiten. "Die Tendenz ist da, dass das gewollt wird", sagt Bünde vorsichtig optimistisch, "wir hätten es verdient. Aber vor den Olympischen Spielen passiert in dieser Hinsicht nichts."

Abseits der Erfolge und Strukturdebatten gab es aber noch eine große, fast überwölbende Frage in Wuppertal - auch und gerade bei den Münchner Schwimmern: Soll man in diesen unsicheren Zeiten überhaupt bei der Kurzbahn-EM in Istanbul starten? Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) hatte es den Normerfüllern nach den Terroranschlägen von Paris freigestellt, ob sie Anfang Dezember in den nordisraelischen Badeort Netanja reisen wollen oder nicht. Viele Athleten äußerten nun Bedenken wegen dieser Reise, selbst Bundestrainer Henning Lambertz blickte am Rande der deutschen Meisterschaft mit zwiespältigen Gefühlen auf die EM: "Ich bin nicht erfreut bei dem Gedanken, dass wir dahin fahren", sagte Lambertz dem Sportinformationsdienst.

Bei einer Umfrage des Athletensprechers Hendrik Feldwehr hatten angeblich 13 von 25 Olympia-Kandidaten erklärt, dass sie wegen Sicherheitsbedenken nicht in Netanya starten wollen. Florian Vogel, der die EM-Norm über 800 Meter Freistil knackte, sagte ab, "aufgrund der politischen Lage, aber auch weil das Training für Olympia im Fokus steht". Bei Vogels Überlegungen hat auch sein Studium eine Rolle gespielt: Vogel legt im Sommer wegen Rio eine Semesterpause ein, jetzt im Wintersemester möchte er "schon noch vier oder fünf Prüfungen bestehen".

Auch Alexandra Wenk hatte Bedenken, noch am Freitag hatte sie in Wuppertal gesagt: "Ganz ehrlich: Das Risiko ist mir zu groß." Mittlerweile hat sie sich doch noch umentschieden, eine Sitzung mit den anderen Spitzenschwimmern und Lambertz nach den Finals am Sonntag hatte daran offenbar größeren Anteil: "Ich habe mich dann doch überreden lassen, weil ich denke, dass es wichtig ist, sich vor den Spielen noch mit der internationalen Spitze zu messen. Und viele Möglichkeiten gibt es da nicht mehr", sagte Wenk am Montag der Süddeutschen Zeitung. Bevor Wenk im Januar mit dem Nationalkader zu einem dreiwöchigen Trainingslager auf die thailändische Insel Phuket reist, startet sie also nun doch in einer Woche mit den anderen DSV-Athleten Richtung Israel.

Die Terrorangst hatte sich am Ende auch sonst etwas verflüchtigt bei den deutschen Schwimmern in Wuppertal. Denn am Montag verkündete der DSV, mit insgesamt 27 Aktiven - 13 Frauen und 14 Männern - nach Netanya reisen zu wollen, unter ihnen neben Wenk die Weltmeister Marco Koch, Biedermann und viele Debütanten, darunter zwei aus München: Marius Kusch und Philipp Wolf hätten jedenfalls nichts dagegen, wenn der Sog anhält.

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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