Jugendfußball:Lernen auf dem Rangierbahnhof

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Danach kam nichts: Joshua Zirkzee (rot) traf zum 3:0 für die Bayern, an denen ihr Trainer im Anschluss "Freude und Gier“ vermisste. (Foto: Claus Schunk)

Der U19 des FC Bayern München geht es ähnlich wie den Profis: Der Favorit hat derzeit nur eine Verfolgerrolle inne. Auch das 3:0 gegen den FSV Frankfurt kann nicht darüber hinwegtäuschen.

Von Christoph Leischwitz, München

Nach dem Schlusspfiff wagte Angelo Stiller ein kleines Tänzchen. Der Mittelfeldspieler breitete die Arme aus und bewegte sich dann auf die Melodie der Vereinshymne "Stern des Südens" - ohne allerdings, dass auch nur einer der Mitspieler eingestiegen wäre. Das war dem gerade erarbeiteten 3:0 wohl auch angemessen: Mal wieder ein klarer Sieg - aber zum Überschwang bestand noch kein Anlass.

Ein Grund zur Zurückhaltung war, dass im FSV Frankfurt der Tabellenletzte zur U19 des FC Bayern angereist war. Ein anderer, dass die Gastgeber erneut jene Schwächen gezeigt hatten, die sich schon durch die ganze Saison ziehen: "Wir brauchen ja in dieser Saison oft zu viele Chancen", sagte Trainer Sebastian Hoeneß nach dem Spiel. Die Tore durch Jahn Herrmann per Foulelfmeter (14.), Alex Timossi Andersson per Abstauber (45.) sowie durch Joshua Zirkzee mit einem perfekten Kopfball ins Kreuzeck (49.) waren eigentlich viel zu wenig für den Aufwand, den die Mannschaft betrieben hatte. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt. Nach dem dritten Treffer zeigten die Junioren nämlich wenig Nachholbedarf, und das, obwohl sie zuvor fünf Pflichtspiele in Serie nicht gewonnen hatten. "Das dritte Tor war gut herausgespielt, da habe ich gedacht: Jetzt geht's los", sagte Hoeneß. Doch danach kam nichts mehr. "Freude und Gier" hatte er vermisst, und das habe er hernach in der Kabine auch angesprochen.

Die Situation der U19 in der Tabelle ist jener der Profis nicht unähnlich. Sie ist, etwas überraschend, nur ein Verfolger, in diesem Fall heißt die Spitzenmannschaft der Süd-/Südwest-Staffel VfB Stuttgart. Und wie in der Bundesliga patzte der Spitzenreiter am Samstag in der Schlussphase und spielte gegen Hoffenheim nur remis. Der Abstand der Bayern auf Rang drei beträgt nun sechs Punkte. Am 9. März steht das direkte Duell auf dem Bayern-Campus an.

Hoeneß sagt, über Platz eins brauche man im Moment nicht zu reden, es gehe mehr um die Entwicklung von Talenten. "Wenn es nach Titeln und Meisterschaften geht, dann müsste ein Lars Lukas Mai immer bei uns spielen", sagte Hoeneß - diesmal gab Mai den Chef in der U-19-Abwehr, weil sich die U23 bis Sonntag auf USA-Reise befand. In Daniel Jelisic, Marin Pudic und Marcel Zylla waren drei U-19-Stammspieler mit nach Dallas gereist (wo die U23 am Samstag ihren Abschluss-Test gegen die Profis von Dallas FC 0:4 verlor).

Seitdem im Nachwuchs des FC Bayern verstärkt darauf geachtet wird, die besten Talente möglichst früh in höhere Altersklassen einzubinden, ist die U19 ein wenig der Rangierbahnhof des Campus geworden. Neuestes Beispiel ist Malik Tillman, der nach neun Hinrundentoren für die U17 seit dem Winter bei Hoeneß trainiert. "Er war teilweise unterfordert", sagte der Neffe des Vereinspräsidenten und: "Im Training ist er gut, deshalb hat er auch gespielt, ihm wird nichts geschenkt." Aber selbst gegen den Tabellenletzten in der U19 werde er anders gefordert als in einem Spitzenspiel der U17, was man diesmal gesehen habe, "es ist der erwartbare Gewöhnungsprozess". Dabei zeigte das Offensivtalent Tillmann in seinen 77 Einsatzminuten trotzdem einige energische Läufe bis zur Grundlinie und ein bisweilen gutes Zweikampfverhalten. Tillman wird in drei Monaten übrigens erst 17 Jahre alt.

In seiner Entwicklung arg zurückgeworfen ist dagegen Oliver Batista Meier, der in der Saison 2017/18 starke 33 Tore in 41 Pflichtspielen schoss. Ohne seinen Knöchelbruch im vergangenen November hätte er womöglich auch schon bald eine weitere Altersklasse übersprungen. Der 17-jährige Angreifer könnte dafür aber gegen Ende der Saison noch einmal eingreifen und mit seiner Kaltschnäuzigkeit die Chancenverwertung verbessern. Anfang März, schätzt Hoeneß, 36, wird Batista Meier wieder ins Mannschaftstraining einsteigen. Der Angreifer könnte in den verbleibenden Spielen vielleicht auch dazu beitragen, die Meisterschaft noch einmal spannend zu machen. Man wolle sicherlich durch die Tür gehen, wenn es möglich ist, sagt Hoeneß. Aber im Moment sei sie noch nicht aufgestoßen.

© SZ vom 11.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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