Innsbruck/Herrsching:Sicheres Quintett

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Einer geht: Während Zuspieler Leon Dervisaj keinen neuen Vertrag bekommt, spielen Ferdinand Tille und Tim Peter (v.l.) weiter am Ammersee. (Foto: Oryk Haist/imago)

Herrschings Volleyballer blicken zufrieden auf ihre alte Saison zurück - und planen die neue.

Von Sebastian Winter, Innsbruck/Herrsching

Max Hauser pressierte es ein wenig, er wollte am Samstagabend unbedingt weg vom Spielfeldrand in der Olympiahalle und schnell in die Umkleidekabine. Der Trainer von Herrschings Volleyballern hatte dort noch etwas Wichtiges vor - seine letzte Saisonansprache an die Mannschaft. Sie muss ziemlich feierlich ausgefallen sein, genauso wie das anschließende Abschlussessen gegenüber der Arena bei einem Asiaten. Denn Hauser war trotz der 1:3-Niederlage gegen die Alpenvolleys Haching und dem neuerlichen Saisonende im Playoff-Viertelfinale zufrieden mit der gerade zu Ende gegangenen Spielzeit: "Ein bisschen nervt mich die knappe Niederlage, aber es war trotzdem ein gutes Ende. Wir hatten ein schönes Flair in der Mannschaft, menschlich gab es fast keine Probleme." Und dann gab es da noch diesen 3:2-Erfolg gegen die Alpenvolleys vom vergangenen Donnerstag, ausgerechnet in Herrschings erstem Livespiel überhaupt im Fernsehen.

Auf dem Papier haben die Herrschinger einen kleinen Rückschritt gemacht im Vergleich zur vergangenen Saison. Damals hatten sie im Pokal-Halbfinale gestanden, diesmal hatten sie auch dort nur das Viertelfinale erreicht. Der spätere Pokalsieger VfB Friedrichshafen erwies sich als übermächtiger Gegner. Der Rückschritt relativiert sich allerdings, wenn man sich die Stärke der Liga vor Augen führt. Aus dem ewigen und längst ein wenig angestaubten Zweikampf zwischen Meister Berlin und Pokalsieger Friedrichshafen ist spätestens in diesem Jahr ein Dreikampf geworden, in dem die Alpenvolleys von Mittwoch an im Meisterschafts-Halbfinale Berlin herausfordern - der Ausgang ist völlig ungewiss.

Dahinter hat sich inzwischen ein breites Mittelfeld formiert, in dem sich auch die Herrschinger befinden, wenn auch nicht an erster Stelle. Aber Siege in der Hauptrunde gegen Düren, Frankfurt und die Alpenvolleys zeigen, dass der Klub vom Ammersee inzwischen fest verankert ist im stärker werdenden Feld - und das, obwohl "die Saison katastrophal begonnen hat", wie Hauser sagt. Sein neuer Zuspieler Johannes Tille war lange verletzt, während der Vorbereitung, berichtet Hauser, "hat er auf einem Stuhl gesessen und die Bälle von dort aus gepritscht".

Dem starken Mittelblocker Alpar Szabo liegen gute Angebote vor

Kurz vor dem Saisonstart war dann plötzlich Angreifer Artem Sushko weg, weil ihn ein südkoreanischer Klub noch schnell aus dem Vertrag herausgekauft hatte. Als er dort bald darauf wieder hinausgeworfen wurde und kurz vor Weihnachten nach Herrsching zurückkehrte, hatte er seine Form verloren. Kapitän Lukas Bauer verletzte sich im Januar, Nicholas West, Humberto Machacon und Tim Peter in den Playoffs. "Wir haben das aber dieses Jahr gut kompensieren können, unsere Mannschaft war stark wie noch nie", findet Herrschings Marketingmanager André Bugl. Und doch wird sie ihr Gesicht verändern.

Dem starken Mittelblocker Alpar Szabo liegen gute Angebote vor, jenes der Herrschinger hat er bislang nicht unterschrieben, der Ungar wird wohl nicht zu halten sein. Den zweiten Steller Leon Dervisaj zieht es auch weg, nachdem Herrsching für kommende Saison das große Dachauer Zuspieltalent Benedikt Sagstetter verpflichtet hat, den Bruder des Alpenvolleys-Außenangreifers Jonas Sagstetter. Benedikt Sagstetter hatte seit Januar ein Doppelspielrecht für Herrsching und Dachau, Hauser hat außerdem ein klitzekleines Lob für den 18-Jährigen parat: "Eines der größten Talente, die es je im deutschen Volleyball gab", sei Sagstetter, der künftig im Schatten von Johannes Tille lernen soll.

Tilles Vertrag läuft noch ein weiteres Jahr, sein Bruder Ferdinand hat eine mündliche Vereinbarung mit Hauser, ebenfalls in Herrsching zu bleiben, "und auf die kann man sich verlassen", sagt der Trainer. Tim Peter und Artem Sushko sind ebenfalls noch ein Jahr an Herrsching gebunden. Außerdem möchte Kapitän Bauer nach der Abgabe seiner Studienarbeit bald beruflich in München Fuß fassen - und ist nicht abgeneigt, auch weiterhin für Herrsching ans Netz zu gehen. Dieses Sextett wäre schon einmal ein ordentliches Skelett, dem allerdings noch das Fleisch drumherum fehlt. Sprich, die starken Angreifer. Und da lässt Hauser noch offen, ob er weiter mit West, Griffin Shields oder Bryan Fraser plant. Allen dreien fehlte letztlich der Punch in den Schlägen, die Durchschlagskraft, die Hauser kommende Saison vermehrt sehen möchte, um vielleicht auch mal eine Chance aufs Playoff-Halbfinale zu haben.

Hauser selbst hat vor, sich im Sommer bei Bundestrainer Andrea Giani fortzubilden und Talente in Mexiko zu sichten. Parallel versuchen die Herrschinger laut Bugl, den Etat für die kommende Saison um zehn Prozent auf dann rund 650 000 Euro zu hieven. Und in ihrer leidigen Hallenthematik voranzukommen. "Es gibt positive Signale", sagt Hauser vielsagend, "aber nicht in der Gemeinde Herrsching."

© SZ vom 09.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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