HSG München:Kimme und Zorn

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Die Pistolenschützen tragen ihren Heimwettkampf in Hochbrück aus, weil der Verband ihre eigene Anlage für die Bundesliga nicht zulässt. Der Klub hat seinen Rückzug angekündigt - bislang ohne Reaktion

Von Julian Ignatowitsch, München

Zur Erklärung, wieso sein Verein bald nicht mehr in der Bundesliga antreten wird, erzählt Schützenmeister Helmut Fischer von der HSG München gerne folgende Anekdote: In der vergangenen Saison musste seine Mannschaft den Heimwettkampf in Thambach bei Reichertsheim, 70 Kilometer östlich von München, austragen. Die HSG hatte dafür extra einen Shuttleservice eingerichtet, vom Schützenheim in München nach Thambach. "Wissen Sie, wie viele mitgefahren sind?", fragt Fischer und gibt die Antwort gleich selbst: "Genau einer. Und das war der ärztliche Betreuer, der bei jedem Wettkampf vor Ort sein muss." Fischer lacht bitter. "So hat das doch keinen Sinn."

Wenn die HSG ihr Luftpistolen-Heimspiel diesmal am kommenden Wochenende auf der Olympia-Schießanlage in Hochbrück austrägt, erwartet Fischer kaum mehr Zuschauer. "Ein Dutzend Leute werden da sein. Mehr nicht", sagt er. "In unserem Schützenheim wäre das vielleicht anders." Dort dürfen die Münchner allerdings nach den Regeln des Deutschen Schützenbundes (DSB) nicht mehr antreten - und das ist ein großer Streitpunkt. Die Sicht auf die Schießstände sei zu schlecht, so die Begründung des Verbandes. Tatsächlich befinden sich in der Schießhalle der HSG mehrere Balken zwischen Zuschauern und Athleten. Ob man dadurch zu wenig sieht, ist Interpretationssache. Die Meinung des Vereins steht gegen die Meinung des Verbandes. Der Verband hat untersagt, dass die HSG ihre Wettkämpfe zu Hause austrägt. Und die HSG hat deshalb jetzt beschlossen, ihre beiden Bundesliga-Mannschaften (Luftpistole und Luftgewehr) für die kommende Saison abzumelden. Ein typischer Prinzipienstreit. "Regeln sind nun mal Regeln", sagt ein DSB-Sprecher. "Ich empfinde das als sehr kleinlich", sagt HSG-Schützenmeister Fischer.

Fischer und viele HSG-Verantwortliche stellen das Konstrukt Bundesliga mittlerweile insgesamt in Frage, was ihnen die Entscheidung für den Rückzug erleichtert hat. Jährlich investiert der Verein gut 50 000 Euro in seine Bundesliga-Teams, obwohl sich von den 700 Mitgliedern kaum jemand für den Wettbewerb interessiert. "Das ist nicht mehr verhältnismäßig", erklärt Fischer. "In erster Linie sind wir ja für den Breitensport und nicht den Profisport zuständig." Dazu kommt, dass in der Bundesliga-Mannschaft kaum mehr vereinseigene Sportler schießen, sondern Top-Athleten von überall her. Fischer möchte das Geld in Zukunft lieber in die Jugendarbeit stecken und die Förderung von Ausrüstung und Übernachtungsräumen bei der HSG ausbauen.

Der Verein soll auch für junge Leute wieder attraktiv werden. Während auf dem Land die Mitgliederzahlen relativ stabil bleiben, haben gerade Vereine in den Städten, wie die HSG oder auch "Der Bund" München, Probleme. Ähnlich ist das beim Zuspruch für die Bundesliga. In München kommt kaum jemand zu den Wettbewerben, im Umland dagegen sind die Zuschauerzahlen schnell dreistellig. Die Bundesliga allerdings ist für jeden Verein ein Verlustgeschäft und ohnehin mehr Prestigesache. "Wir großen Vereine müssen da eigentlich vorangehen", meint zum Beispiel Simon Muschiol vom "Bund" München. Er sieht die Entscheidung des Nachbarn kritisch: "Wenn die HSG zurückzieht, dann ist das ein fatales Signal." Der Verband glaubt jedoch nicht, dass auch andere Vereine dem Beispiel folgen werden. "Das wird der Bundesliga nicht schaden", meint Ralf Horneber vom Bayerischen Sportschützenbund. Dass die Liga insgesamt wenig Strahlkraft und Sponsoren hat, räumt aber auch er ein. "Noch", glaubt Horneber.

Zu viele Balken versperren die Sicht? Zumindest nach Ansicht des Deutschen Schützenbundes. Die HSG München sieht das anders. (Foto: oh)

Die Leidtragenden des Rückzugs sind letztlich die Sportler um HSG-Trainer Detlef Polter, der die Entscheidung des Vereins zwar verstehen kann und mitträgt, der aber auch etwas enttäuscht ist. "Wir haben hier in den vergangenen Jahren sportlich viel aufgebaut und uns stetig verbessert. Es ist schon schade", sagt er. Die Luftpistolen-Schützen sind von der zweiten Liga bis in die Spitze der Bundesliga aufgestiegen. Zuletzt standen sie dreimal in Serie in der Finalrunde. Dort wollen die HSG-Schützen auch in dieser Saison noch mal landen. Der Start glückte mit zwei Siegen. "Vielleicht hören wir ja mit einem Titel auf", sagt Polter. Die Chancen, dass der Verband und die HSG sich noch einmal zusammensetzen? "Die sehe ich nicht", sagt Fischer. "Auf die Bekanntgabe unseres Rückzuges hat ja bis heute keiner reagiert." Immerhin: Den Shuttlebus kann man sich in Zukunft sparen.

© SZ vom 21.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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