Heinrich-Zisch-Weg:Mehr als zwei Präsidenten

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Heinrich Zisch stand vor knapp 100 Jahren gleichzeitig dem SV und dem TV München 1860 vor. Hartnäckig trieb er den Bau jener Arena voran, in dem der Münchner Fußball groß werden sollte.

Von Markus Schäflein, München

Der TSV 1860 München, ein wohlhabender Gönner und der Umgang mit Geld - das war schon vor rund 100 Jahren so eine Sache. Die Geschichte des Stadions an der Grünwalder Straße beginnt im Jahre 1911 noch bescheiden: Damals pachtete der TSV 1860 eine 2,5 Hektar große Wiese von der Erbengemeinschaft des Bauern Peter, der in den Quellen keinen Vornamen (oder keinen Nachnamen?) besitzt. 1922 erwarben die Löwen das Gelände dann, für 700 000 Mark - denn es hatte sich ein Gönner gefunden, der als Kaufmann zu Geld gekommen war und Darlehen gab. Er kam nicht aus Jordanien, sondern aus Landshut: Heinrich Zisch, als ehemaliger Fußballer seit 1886 Mitglied des TSV 1860, ermöglichte durch seine guten Kontakte ins Rathaus zudem ein Hypothekendarlehen der städtischen Sparkasse. Damit wurde es möglich, auf der Wiese ein richtiges Stadion zu bauen. 1925 ging es mit dem Bau einer Stehhalle los, am Ende gab es 35 000 Plätze - es war damals die größte Arena in Süddeutschland. Auch andere Münchner Klubs spielten dort. Der FC Bayern war Mieter bei den Löwen.

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(Foto: Löwenwiki)

Heinrich Zisch, 1860-Präsidenten und Stadion- bauer.

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(Foto: Florian Peljak)

Heute erinnert ein kleiner Weg hinter der Westkurve des Grünwalder Stadions.

1927 wurde das 1860-Stadion nach Zisch benannt. Er war nicht einfach Präsident des TSV 1860 München, sondern er war: zwei Präsidenten des TSV 1860 München. Ein Streit zwischen der Deutschen Turnerschaft (DT) und den unabhängigen Fachverbänden für Fußball, Leichtathletik und Schwimmen hatte im Jahr 1923 nämlich die so genannte "reinliche Scheidung" zur Folge gehabt. Die Turner forderten von ihren Klubs, entweder die restlichen Sportler auszuschließen oder sich für einen Übertritt in einen der Fachverbände zu entscheiden. Der TSV München von 1860 gliederte deshalb 1924 die Fußball- und Leichtathletikabteilung durch Gründung eines "Sportvereins München von 1860" aus dem Verein aus, benannte den Hauptverein wieder in "Turnverein München von 1860" (TV München 1860) um und fasste beide Vereine unter dem Dach eines gemeinsamen Verwaltungsrates zusammen, um den Zusammenhalt zu wahren. Zisch war zunächst Präsident des Sportvereins, ab 1929 dann auch des Turnvereins. Blöd nur, dass der SV als Bauherr die (wenn auch mäßigen) Einnahmen aus dem Stadion hatte, der TV als Grundstückseigentümer hingegen Darlehen bedienen musste. Es kam zu Zwistigkeiten, Zisch trat 1932 von beiden Ämtern ab. Am 23. Juli 1937 kaufte die Stadt München das Stadion für 357 560 Reichsmark, die Hypothekenschuld des seit 1934 wieder zusammengeschlossenen TSV 1860 wurde mit dem Kaufpreis verrechnet, die Löwen waren wieder Mieter.

Timo Konietzka trifft für die Löwen im Grünwalder Stadion gegen Borussia Mönchengladbach im Mai 1966, das Spiel endete 3:3. (Foto: imago/Horstmüller)

Die Münchner Neuesten Nachrichten fanden anlässlich der Ernennung Zischs zum Ehrenvorsitzenden 1933 dennoch nur lobende Worte: "Die Verdienste von Heinrich Zisch gehen weit über das Vereinsleben von 1860 hinaus. Seiner Zähigkeit ist vor allem die Erbauung des nach ihm genannten Stadions an der Grünwalder Straße zu verdanken. Diese Anlage trug zu dem heutigen Aufstieg des Münchner Fußballs viel mit bei. Sie ermöglichte vor allem, dass die vorzüglichen Leistungen auf dem grünen Rasen in weiten Kreisen der Münchner Bevölkerung die notwendige Resonanz finden konnten." Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Stadion 1941 in "Hanns-Braun-Kampfbahn" umbenannt (von dem im Rahmen dieser Serie auch noch die Rede sein wird, d. Red.). Nach dem Krieg gehörte Zisch zu den wenigen unbelasteten ehemaligen Funktionären des TSV 1860, wie der Münchner Stadtarchivar Anton Löffelmeier in seinem Buch "Die Löwen unterm Hakenkreuz" schreibt.

Heinrich Zisch wollte beim Neuaufbau des Klubs helfen, konnte dies aber nicht mehr lange tun: Er starb 1947. 1956, neun Jahre nach seinem Tod, wurde ein kleiner Weg hinter der Westkurve nach ihm benannt.

© SZ vom 05.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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