Handball-DHB-Pokal:Futter für den Grizzlybären

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Szenenapplaus für den Rückkehrer: TuS-Spielmacher Falk Kolodziej setzt sich gegen den serbischen Nationalspieler Bogdan Radivojević (re.) durch. (Foto: Günther Reger)

Nach starkem Beginn unterliegt der TuS Fürstenfeldbruck Titelverteidiger Rhein-Neckar Löwen in der ersten Cup-Runde klar mit 19:43 - das Duell vor ausverkauftem Haus wird dennoch niemand so schnell vergessen.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Mikael Appelgren kommt ziemlich locker rüber, und das nicht nur, weil der Handballtorwart in den sozialen Medien neuerdings als Tänzer mit freiem Oberkörper zu sehen ist. Am Samstagabend hat es der Schwede mit den zum Dutt gebändigten langen blonden Haaren am wenigsten eilig, die Wittelsbacher Halle von Fürstenfeldbruck zu verlassen. Erst als ein Pfiff aus der Entourage ertönt, nimmt er sein Rollköfferchen und verlässt die Sportstätte über einen Seitenausgang. Nicht ohne zuvor zähnefletschend noch für ein paar Selfies bereit zu stehen und ein paar Autogramme zu schreiben. Die meisten Fans, die im Sinne hatten, den Idolen aus der Handball-Bundesliga näher zu kommen, haben Pech am Samstag, denn die Rhein-Neckar Löwen entschwinden schnell. Konzentration auf den Sonntag ist angesagt, an dem der amtierende DHB-Pokalsieger durch einen 38:29-Erfolg über den Zweitligisten TV Hüttenberg den Sprung von der ersten Pokalrunde ins Achtelfinale schafft.

Das Feld der 64 teilnehmenden Mannschaften ist nach der im Final-Four-Modus gespielten Auftaktrunde auf 16 geschrumpft, auch Drittligist TuS Fürstenfeldbruck ist erwartungsgemäß ausgeschieden - nach einer 19:43-Niederlage im Halbfinale gegen die Rhein-Neckar-Löwen. Um die 1000 Zuschauer wollen das Spiel in der seit Wochen ausverkauften Wittelsbacher Halle sehen. Die Partie ist auch für den deutschen Handball-Meister von 2016 und 2017 der Auftakt für die neue Saison, die am Mittwoch mit dem Supercup gegen Flensburg und am Samstag mit dem Bundesligaauftakt gegen Lemgo weitergeht. Entsprechend engagiert zeigt sich Löwen-Trainer Nicolaj Jacobsen am Spielfeldrand. In die nächste Pokalrunde einzuziehen, gilt als Pflichtaufgabe, zudem muss die neue Stammformation gefunden werden, einige Neue sind zu integrieren.

Wie Kreisläufer Jannik Kohlbacher. Der 23-jährige Nationalspieler, von dem sein neuer Verein sagt, er habe "das Kreuz eines ausgewachsenen Grizzly-Bären", zeigt mit neun Toren gegen Fürstenfeldbruck, was von ihm zu erwarten ist, nämlich einiges, vor allem, wenn ihn Andy Schmid mit Traumanspielen bedient. Gegen den Schweizer antreten zu dürfen, der zuletzt fünfmal in Serie zum besten Handballer der Bundesliga gewählt wurde und den manche als "Messi des Handballs" bezeichnen, "ist eine Ehre", findet Brucks Frederik Hartz, der auch schon mal gegen Kohlbacher gespielt hat - mit einer schleswig-holsteinischen Landesauswahl.

Über ihr Abschneiden als Sechster der Vorjahressaison erhielten Fürstenfeldbrucks Drittliga-Handballer die Zulassung für die erste Pokalrunde. Als "Belohnung" stuft TuS-Trainer Martin Wild die Partie deshalb ein - auch für einen wie Julian Prause. Der reist an diesem Freitag für ein Auslandssemester nach Boston und wird erst im Januar zurück sein. Den vorläufigen Abschied mit einem Einsatz gegen die Rhein-Neckar Löwen feiern zu dürfen, bei dem er zudem das erste Brucker Tor im Spiel macht (4.), taugt dem Kreisläufer nicht schlecht, wenngleich er lakonisch feststellt, "dass wir körperlich gegen die aussehen wie eine A-Jugend".

Wer könnte das besser bestätigen als Falk Kolodziej, der nach drei Jahren in Bad Neustadt, Balingen und Saarlouis jetzt nach Fürstenfeldbruck zurückkehrte. Der 12:20-Halbzeitstand leuchtet schon auf der Anzeigentafel, da soll er noch einen Freiwurf ausführen. Ein kollektives Raunen ist auszumachen, als sich der 1,84 Meter kleine Kolodziej jenen Hünen entgegenstellt, die sich auf einer Linie aufgereiht und ihre Arme hoch genommen haben, so dass diese kleine Menschenkette wie eine Mauer wirken muss. Doch der 24-jährige Brucker Spielmacher wirft den Ball tief an der linken Seite der Mauer vorbei - und scheitert knapp. Szenenapplaus.

Immer wieder verdienen sich die Gastgeber in Halbzeit eins Beifall für gelungene Einzelaktionen. Etwa als der groß gewachsene Matthias Hild eine Lücke in der Löwen-Abwehr zum 2:3-Anschlusstreffer findet (5.). Als der Torverhinderungsreflex von Keeper Michael Luderschmid ähnlichen Jubel unter den Brucker Fans auslöst wie sonst nur ein Tor (7.). Oder als der gerade 20 Jahre alt gewordene Zugang Max Horner Appelgren im Tor per Siebenmeter überwindet (17.) Die erste Hälfte läuft, wie TuS-Trainer Martin Wild später urteilt, "wie erhofft, mit schönen Aktionen und guten Kombinationen". Nach der Pause kommt es dann, wie von Wild "befürchtet". Der Bundesligist, der über weite Strecken der Partie seinen Torhüter zugunsten eines siebten Angreifers aus dem Spiel nimmt, geht konsequenter zu Werke und lässt nur noch sieben Gegentore zu.

Derweil leiden Verletzte und Rekonvaleszenten aus dem TuS-Team auf der Tribüne. "Sehr, sehr bitter" sei das, sagt Korbinian Lex, dass er an diesem Tag nicht mitspielen könne. Davon profitieren freilich die übrigen 16, die Wild einsetzen darf. Wie Torhüter Markus Winkler. Ausgerechnet zum Siebenmeter gegen Andy Schmid. Winkler wehrt ab, kann sein Glück kaum fassen und macht sich mit aufgeblasenen Backen zurück auf den Weg zur Ersatzbank. "Einfach traumhaft" sagt er später. Der Moment bleibt auf ewig in seiner Vita.

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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