Geschichten aus der Bezirksliga: SZ-Serie, Teil 2:Vierter Anlauf in fünf Jahren

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Der TSV Grünwald will nach oben - diesmal sieht es gut aus

Von Stefan Galler, Grünwald

Diesmal soll nichts, aber auch gar nichts dem Zufall überlassen werden. Die Verantwortlichen des TSV Grünwald sind ständig am Analysieren. Sobald sich irgendwelche Parameter ändern, die die Mannschaft betreffen, greifen sie ein. Paul Seidl und seine Mitstreiter in der Abteilungsleitung haben mittlerweile gewisse Antennen entwickelt. Angesichts von drei knapp verpassten Landesligaaufstiegen in den vergangenen vier Spielzeiten wissen sie, wie fragil das Konstrukt eines Fußballvereins sein kann. "Erfolg ist schlichtweg nicht planbar", sagt Seidl, der die Sparte im TSV seit 23 Jahren leitet.

Dabei ist die Situation komfortabel wie noch nie: Grünwald führt die Bezirksliga Süd nach 19 Spieltagen mit acht Punkten Vorsprung auf den TSV Neuried an. Und die Konkurrenten der Vorjahre spielen diesmal allesamt keine Rolle: Geretsried und Gilching, die vor zwei Jahren vor dem TSV ins Ziel gingen, kicken jeweils in der Landesliga. Gleiches gilt für den SC Oberweikertshofen, der in der Saison 2012/13 ein Zählerchen besser war als Vizemeister Grünwald. Der SV Planegg-Krailling, der den Grün-Weißen in der Saison 2013/14 in die Suppe spuckte, ist nach der Rückkehr aus der Landesliga personell ziemlich auseinandergebrochen, liegt aktuell 14 Punkte hinter Grünwald auf dem achten Platz.

In gewissem Sinne sind die Spieler aus dem noblen Vorort im Landkreis München gerade dabei, sich an den Planeggern zu rächen. Denn ihr aktueller Erfolg ist auch einem Quartett zu verdanken, das im Sommer vom Würmtal-Rivalen gekommen war. Die Verteidiger Markus Dieckmann und Tobias Schöglmann sowie Mittelfeldspieler Moritz Hochholzner avancierten in Grünwald zu absoluten Leistungsträgern; Florian Böhm ist ein wichtiger Ergänzungsspieler. Doch da geht bei Abteilungschef Seidl bereits wieder eine Alarmlampe an: Hochholzner wird in der Rückrunde fehlen, er begleitet seine Freundin zu einem längeren Australien-Aufenthalt. Der Abteilungsleiter konnte im Gegenzug den langjährigen TSV-Stammspieler und -Kapitän Patrick Baum, 30, zu einem Comeback überreden. "Er wird mindestens für die Rückrunde reaktiviert, gut möglich, dass er danach weitermacht", sagt Seidl.

Dass es diese Saison überhaupt wieder so gut läuft, konnte man nicht zwingend erwarten. Die Isartaler hatten eine komplizierte Spielzeit hinter sich, die geprägt war von schwerwiegenden Absenzen. So hatten sich Ivan Bakovic und Luka Coporda im Sommer 2015 abgemeldet, beide studierten in den USA. Auch der ansonsten so treffsichere Stürmer Albert Rudnik hatte kein gutes Jahr, er litt an verschiedenen Blessuren, erkrankte sogar an einer Blutvergiftung. Das alles führte dazu, dass Trainer Andreas Eger mit seiner Mannschaft nie wirklich auf die Füße kam. Im Frühjahr verlor das Team sechs der ersten sieben Spiele und rutschte sogar in den Tabellenkeller. Letztlich schaffte Grünwald den Klassenerhalt, für Coach Eger war das Engagement an der Keltenstraße dennoch im Sommer vorbei. "Ich bin aber stolz, dass alles gütlich über die Bühne ging und wir bis zum Saisonende am Trainer festgehalten haben", sagt Paul Seidl.

Der neue Coach Andreas Koch kam vom Ligarivalen SV Aubing. Dort hatte er aufgehört, weil er im Osten Münchens eine Spedition betreibt und die Fahrerei in den äußersten Westen für ihn zu umständlich wurde. "Er passte ins Anforderungsprofi", sagt Seidl. "Wir wollten einen Trainer, der die Liga kennt und andererseits die schwierige Sprache der Jugend spricht." Der Mittvierziger mit der Langhaarfrisur ist laut Seidl keiner, der viel philosophiert über Gegenpressing und andere moderne Phänomene im Fußball. "Er nimmt die Jungs mit, begeistert sie für das Spiel. Das ist viel wichtiger und schwieriger", weiß der Abteilungsleiter.

Und weil zugleich die früheren Leistungsträger in starker Form zurückkehrten - Bakovic traf in 13 Spielen bereits 13 Mal, Coporda führt das Team als Kapitän an und Rudnik hat immerhin schon elf Treffer auf dem Konto - läuft es nun rund beim TSV. Doch halt, da tut sich die nächste Baustelle auf: Torwart Patrick Schulz, einst bei Mainz 05 ausgebildet, muss wegen eines Praktikums im Rahmen seines Medizinstudiums im Frühling für zwei Monate nach Rheinland-Pfalz. Seidl reagierte sofort, er lotste den Unterföhringer Ersatzkeeper Patrick Nothhaft, ehemals Planegg, in den Münchner Süden. Wie eingangs erwähnt: Diesmal soll nichts schiefgehen. Oder wie Paul Seidl es ausdrückt: "Wir haben dazugelernt."

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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