Gerätturnen:Geschmeidiger Abgang

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Markus Müller und Felix Remuta werden bayerische Meister. Remuta will demnächst vom TSV Unterhaching zu einem Erstligisten wechseln

Von Andreas Liebmann, Unterföhring

Er ist einfach nicht zu übersehen. Nicht, wenn er aufsteht, um sich seiner Trainingskleidung zu entledigen; nicht wenn er bei der Begrüßung in einer Reihe mit seinen Konkurrenten steht; schon gar nicht, wenn er mit seinen langen Beinen um das Pauschenpferd kreiselt wie andere vielleicht um eine Stuhllehne. Markus Müller, schlank, kurze, schwarze Haare, ist 195 Zentimeter lang. Er könnte Volleyballer sein, oder Hochspringer. Doch er ist eben Turner, und damit ein bis zwei Köpfe größer als alle anderen. Manche Übung sieht bei ihm deshalb etwas ungewöhnlich aus. Am Barren, erzählt er, könne er bestimmte Elemente wegen seiner Länge gar nicht zeigen. Am Boden tue er sich ebenfalls schwerer mit den langen Hebeln, die ihm auch bei den Kraftübungen an den Ringen Schwierigkeiten bereiten. Das Reck wird meist um zehn Zentimeter höher gestellt, ehe Müller daran turnen darf.

Trotzdem war der Mühldorfer mit dem Team Exquisa Oberbayern in der vergangenen Saison Zweitliga-Meister. Und am Samstag wurde der 19-Jährige in Unterföhring bayerischer Meister im Mehrkampf. Überraschend? "Für mich schon", sagt er, "ich habe mich auf jeden Fall gefreut."

Tags darauf geht es noch um die Einzeltitel. Gerade kreiselt Müller wieder um sein Lieblingsgerät, das Pferd, herum. Felix Remuta vom TSV Unterhaching, seit Jahren Müllers Mannschaftskollege im Team Oberbayern, flüstert: "Es gibt keinen anderen in Deutschland, der mit dieser Größe auf seinem Niveau turnt. Die anderen bewundern ihn dafür." Plötzlich muss Müller absteigen, die Schulter hatte sich etwas verdreht. "Weiter!", ruft Remuta, "Sauber!", und: "Zieh durch!" Auch die Konkurrenten feuern ihn an. Das ist nichts Außergewöhnliches. "Im Turnen geht es freundschaftlich zu, es entscheidet ja immer nur die eigene Leistung", sagt Remuta. Vor allem deshalb ist der 18-Jährige hier. Eine Woche, nachdem er bei den Europameisterschaften in Bern zwei Junioren-Finals erreichte, wolle er "einfach Spaß haben und viele gute Freunde treffen". Bei dieser Gelegenheit ist er am Samstag natürlich bayerischer Juniorenmeister im Mehrkampf geworden, sogar mit einer neuen Höchstpunktzahl. In der zweiten Liga der Männer ist Remuta längst einer der Besten. Für die Einzelwertung am Sonntag hat er zwei Geräte abgesagt. Schon vor der EM hatte sich der blonde Teenager den Mittelfinger der rechten Hand ausgekugelt, den wolle er nun etwas schonen. Trotzdem sei er in der Halle wahrscheinlich gerade der Fitteste, erzählt er - zwei Wochen EM-Vorbereitung haben sich ausgewirkt.

Zwischen Schwer- und Fliehkraft: Meister Felix Remuta will demnächst zu einem Erstligisten wechseln. (Foto: Claus Schunk)

Auch Felix Remuta hat diesen Wettkampftag mit einem Absteiger vom Pauschenpferd begonnen, beim Stöckli zum Handstand blieb er mit einem Bein hängen. Er holte sich dennoch den Titel. Genau wie Müller bei den Männern, der nun zwar hadernd von seiner Übung zurückkehrt, kurz darauf aber erfährt, dass seine Punkte dennoch gereicht haben. Schon im Mehrkampf hatte Müller zwei Stürze, einen am Pferd, einen beim Abgang von den Ringen, doch er habe es geschafft, einfach konzentriert weiterzumachen. Nun hat er etwas Pause und erzählt, dass auch seine Eltern groß seien und eigentlich immer klar war, dass er keine typische Turner-Statur haben würde. "Auch mein Trainer hat öfter darauf hingewiesen", erinnert er sich schmunzelnd, "aber ich habe gesagt: Solange es Spaß macht, mache ich weiter."

Offensichtlich macht es Spaß. Müller gewinnt auch noch am Reck, am Barren wird er Vierter. Mit seinen Leistungen sei er gar nicht ganz zufrieden, das Ergebnis habe seine Erwartungen aber übertroffen.

Anders ist die Lage bei Remuta, der bei den Junioren der große Favorit ist. Er zeigt noch einmal seine EM-Sprünge, einen Kasamatsu mit eineinhalb Schrauben und einen Überschlag-Doppelsalto. "Ich wollte sie einfach noch mal machen", sagt er. Beide Male landet er nicht ganz sauber, aber gewinnt. Ebenso am Boden. Am Reck wird er Dritter - nach einem Flugelement verliert er den Griff und stürzt auf den Rücken. Nicht schlimm. Er habe eine neue Übung ausprobiert, erklärt er lapidar.

Markus Müller ist einer der neuen bayerischen Meister. (Foto: Claus Schunk)

Seine EM-Teilnahme sei ein "Riesenerfolg" gewesen, findet Landestrainer Kurt Szilier. Nach der Fingerverletzung in der Vorbereitung habe Felix Remuta in Bern "das Optimale herausgeholt". Zumal er ja kein einfaches Jahr gehabt habe: Er steht gerade mitten in den Abiturprüfungen.

An diesem Dienstag findet die letzte Prüfung statt, in Englisch. Sofern er nicht völlig versage, hat er sein Abitur dann geschafft - "und dann läuft es auf einen Vereinswechsel raus". Sprich: Remuta wird nicht mehr für seinen Heimatverein in der zweiten Liga starten, der ja Teil der Turngemeinschaft Exquisa Oberbayern ist, sondern sich einen Erstligisten suchen. Wie vor ihm Marcel Nguyen und Lukas Dauser. "Angebote sind da", sagt er, "aber ich wollte mich vor dem Abitur nicht damit befassen, wie es weitergeht." Er sei zwar traurig, freue sich aber auf Erstliga-Wettkämpfe. In Unterhaching nehme man ihm die Entscheidung nicht krumm. Markus Müller bedauert Remutas Weggang. "Aber vielleicht reicht es ja trotzdem für einen vorderen Platz", blickt er voraus. An einem Aufstiegsfinale wie im Vorjahr würde er gerne wieder teilnehmen.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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