Garching vs. Unterföhring:Nur 38 Sekunden Fußball

Lesezeit: 3 min

Ober sticht Unter: Das Duell von Garchings Mike Niebauer mit Unterföhrings Martin Büchel (im roten Trikot) passte zum einseitigen Derby. (Foto: Claus Schunk)

Beim 1:5 gegen Garching offenbart sich die Krise von Regionalligist Unterföhring. Er wartet damit auch nach dem 15. Regionalligaspiel auf den ersten Sieg.

Von Matthias Schmid, Kirchheim

Der Notizblock in der Größe DIN A5 lag akkurat auf der Bank, jederzeit griffbereit für Peter Faber. In der Anfangsphase noch ließ der neue Trainer des FC Unterföhring den Block rechts neben sich liegen, während er an der Seitenlinie stand, der 59-Jährige musste nichts notieren, weil die Regionalliga-Partie am Samstag gegen den VfR Garching so begann, wie es sich ein Trainer bei seinem Debüt wünscht: mit einem frühen Tor. Nach 38 Sekunden schoss Leonard Mayer den Ball über die Linie, nachdem zuvor Philipp Schmidt noch an Kai Fritz gescheitert war.

Zum Stift und Block musste Faber danach aber immer häufiger greifen, sogar viel häufiger, als ihm lieb sein konnte. Er schrieb seine Finger wund, so viel hatte er aufzuschreiben. "Fehlerquellen, die ich für die Pausenansprache brauchte", sagte Faber danach. Ins Detail wollte er nicht gehen. Es hätte viel zu lange gedauert, alle Mängel aufzuzählen. Denn am Ende verlor er sein erstes Spiel mit 1:5 (1:1). "Ich bin stocksauer und richtig angefressen", bekannte Faber danach. Er sagte das nicht wütend, sondern eher leise, aber bestimmt. "Jetzt muss hier endlich Klartext geredet werden."

Eine Woche hatte er Zeit, die Spieler auf die Partie gegen Garching vorzubereiten, er tat das in der ihm eigenen akribischen Art, mit vielen Übungsformen und Einzelgesprächen. Noch am Abend vorher hatte Faber, der in der Vergangenheit bei 1860 München und Unterhaching höherklassige Jugendteams trainierte, beim Abschlusstraining das taktische Verhalten bei Standardsituationen angesprochen. Und dann resultierten die Tore zum 1:2 und 1:3 jeweils aus einem Eckball. "Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis", klagte Faber.

Aufsteiger Unterföhring wartet damit auch nach dem 15. Regionalligaspiel auf den ersten Sieg, zwölf Punkte beträgt der Rückstand schon auf den FC Pipinsried, der als Tabellen-15. auf dem ersten Nicht-Abstiegsplatz steht. Dass sie in der nächsten Spielzeit noch in einer Liga mit Garching spielen werden, das mit dem Erfolg seine Ergebniskrise nach zuvor drei Niederlagen in Serie beendete, darüber wollte niemand sprechen. Es wäre auch absurd gewesen. "Wir sind für jeden nun abgestiegen", fand Martin Büchel, als er wieder in der Lage war, über das Spiel zu sprechen. Nach dem Schlusspfiff hatte Liechtensteins Nationalspieler noch auf dem Rasen gesessen. Minutenlang starrte er in den wolkenlosen Himmel, als würde er da oben irgendwo eine Lösung für die Misere finden. "So eine Serie habe ich noch nie in meiner Karriere erlebt", fügte der 30-Jährige hinzu. Er sprach von Leere, Resignation und Traurigkeit. Er sprach wie ein Trauerredner, der schon jetzt den Nachruf auf die Regionalligasaison hält. Doch Mitte Oktober ist noch niemand abgestiegen. Allerdings fällt es selbst Trainer Faber schwer, so etwas wie motivierende Worte zu finden, er verzichtet sogar darauf, die üblichen Durchhaltefloskeln aus dem Trainer-Wörterbuch zu zitieren. Stattdessen sagt er: "Es gibt schon noch Dinge, die wir tun können."

Garchings Kapitän Niebauer fehlt fünf Spiele lang, weil er mit dem Rucksack durch Vietnam reist

Sein Pendant auf Garchinger Seite, Daniel Weber, war dagegen entspannt wie lange nicht mehr. Auf der Pressekonferenz war es das Schwierigste für ihn, sein Töchterlein davon zu überzeugen, nicht ins Mikrofon zu brabbeln. "Das war eine Top-Leistung", fasste Weber also zusammen und meinte nicht sich, sondern seine Spieler. Selbst nach dem frühen Rückstand hatte er nie das Gefühl gehabt, dass sich sein Team dadurch herunterziehen lassen würde. "Man hat gesehen, dass wir eine Mannschaft sind, die auch nach drei Niederlagen Selbstbewusstsein ausstrahlt."

Die Körpersprache, sie stimmte bei den Garchingern, wie auch die Leidenschaft. Sie rannten, sie kämpften und viel wichtiger: Sie schossen Tore. Mike Niebauer köpfelte den Ausgleich (36.), per Kopf trafen auch Silas Göpfert (56.) und Florian Pflügler (68.) - jeweils nach einer Ecke von Kapitän Dennis Niebauer, der die nächsten fünf Spiele verpassen wird, weil er nach Südostasien reist, um Thailand und Vietnam mit dem Rucksack zu erkunden. Die Treffer vier und fünf schossen Hiroki Kotani (77.) und der eingewechselte Matthew Durrans (88.) nachdem sie nach Kontern nur noch lässig hatten einschieben müssen.

"Wir sind einfach zu brav für die Regionalliga", stellte Martin Büchel enttäuscht fest. "Befreiend" könne es nun sein, fügte er hinzu, dass niemand mehr etwas erwarten würde. Er machte eine Pause, fast so, als würde er seinen Worten selbst nicht glauben. Nach ein, zwei Sekunden fuhr er fort: "Aber wahrscheinlich ist es sogar gefährlich, weil du dich dann aufgibst." Auch sein Trainer stellte bei den Spielern einen Hang zur Mutlosigkeit fest: "Das Team ist in keiner Weise gefestigt, ohne Selbstvertrauen. Nach dem 1:0 haben sie sich gleich zurückgezogen und nur noch verteidigt, obwohl wir weiter Fußball spielen wollten." Vielleicht sollte er mal bei seinem Kollegen Daniel Weber nachfragen. Dessen Spieler müssen einiges aushalten mit ihm an der Seitenline. Als Göpfert in der ersten Hälfte eine taktische Anweisung mit einer Handbewegung abtat, schrie ihm Weber entgegen: "Halt deine Klappe, sonst gehst du gleich duschen."

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: