Galopp:Hindernis-Ritt

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Die Münchnerin Tamara Hofer ist eine von nur 13 Profi-Jocketten in Deutschland. Trotz Ausbildung bei Jutta Mayer und einer erfolgreichen Zeit in Chile sieht sie sich noch immer Vorurteilen ausgesetzt.

Von Raphael Weiss, München

Tamara Hofer und Power Sandy haben die Trainingsbahn fast für sich alleine. Während die Morgensonne die letzten Nebelfetzen vertreibt, bewegt sich das Duo geschmeidig über den weichen Boden. Nicht zu schnell, ein Teil der Strecke steht knöcheltief unter Wasser. Sturzgefahr. Nach dem Training duscht Hofer das rotbraune Fell des Hengstes ab. "Für mich war es schon als Kind das Schönste, die Pferde einfach so schnell wie möglich laufen zu lassen", sagt die 25-Jährige. Als Hofer in Riem zum ersten Mal ein Galopprennen sah - die Geschwindigkeit der Pferde, die Jockeys tief gebeugt auf deren Rücken -, wusste sie, dass sie genau das später einmal machen will. Sie begann die Jockey-Ausbildung im Stall von Jutta Mayer, ihre Mutter war wenig begeistert, ihr Vater bestärkte sie: Nichts sei besser, als seine Leidenschaft zum Beruf zu machen.

Heute ist Tamara Hofer eine von 13 Frauen, die in Deutschland eine Profi-Lizenz haben. Das Pfingstmontagrennen steht an. Obwohl mittlerweile hauptsächlich Frauen die Ausbildung beginnen, üben nur wenige den Beruf aus. Hofer ist die einzige Jockette, die in München fest angestellt ist.

Als ihr Trainer hört, dass sie eine Beziehung zu einem Kollegen hat, darf Hofer nicht mehr starten

Rückblende: Beim Saisonauftakt am 1. Mai ritt Hofer als Zweite ins Ziel, der Jockeychampion Filip Minarik kam drei Plätze hinter ihr an. Vor dem Rennen hatte er gesagt: "Das ist Männersport, da haben Frauen nichts verloren. Die halten das nicht lange aus. Meine Theorie ist, dass sie mit 30 Muttergefühle bekommen." Er hätte es am liebsten, wenn Frauen in einer eigenen Liga ritten. Er sprach nicht über Hofer, er meinte das ganz allgemein.

Im Rennen sind Tamara Hofer und ihr Ehemann Roberto Almonacid Gegner, danach „sind wir wieder Freunde“, sagt die Münchner Jockette. Am Pfingstmontag in Riem war sie schneller als ihr Gatte. (Foto: Claus Schunk)

Trainerin Mayer sieht das anders: "Tami hat sich überall durchgebissen." Sie sieht die Jockette fast täglich, beide verbringen an Rennwochenenden zahllose Stunden gemeinsam auf der Autobahn. Vor drei Jahren begann Hofer regelmäßig Spanischvokabeln auf den Fahrten zu pauken, wenige Monate später brach sie nach Chile auf, um dort als Jockey zu arbeiten. Doch der Anfang war schwer, die Zeitungen voll von Artikeln über die deutsche Frau im chilenischen Rennsport. Die Jockeys beobachteten das mit Argwohn, zudem sprach sie nicht gut Spanisch. Bei ihrem ersten Rennen kletterten sechs Jockeys auf die Startbox, nur um zu sehen, ob sie tatsächlich starten kann. Hofer kam mit zehn Längen Vorsprung ins Ziel.

Fortan lief es rund für die junge Reiterin, sie startete häufig, gewann 14 Rennen, gewann die Zuneigung des Publikums und den Respekt der Kollegen. In wenigen Monaten hat sich Hofer in Chile einen Namen gemacht. Dann erfuhr ihr Trainer, dass sie und Jockey Roberto Almonacid ein Paar sind: "Der Trainer hat mich von allen Pferden runter geholt. Er dachte, dass sich eine Frau nicht gleichzeitig auf die Arbeit und eine Beziehung konzentrieren kann." Sie arbeitete noch härter als zuvor, um ihren Chef vom Gegenteil zu überzeugen. Doch Hofer ritt kein Rennen mehr - Almonacid durfte weiter starten. Als ihr Chef die Beziehung zu ihrem heutigen Ehemann beendet glaubte, sollte Hofer wieder antreten, doch für sie war das Kapitel Chile beendet.

Heute ist sie dennoch froh über das Erlebte: "Ich würde Nachwuchsjockeys, insbesondere Frauen, auf jeden Fall empfehlen, nach Chile zu gehen. In Deutschland ist es schwerer, Fuß zu fassen. Es gibt ein paar Frauenfeinde, die lassen dich wissen, dass du nicht dazu gehörst." Auch Trainerin Mayer weiß, wie schwer es ist, sich in Deutschland zu etablieren: "Es gibt bei den Jockeys an der Spitze einen ziemlichen Klüngel. Es ist ganz schwer, da reinzukommen. Nachwuchsjockeys haben es ohnehin nicht leicht, aber als Frau ..."

Seit eineinhalb Jahren ist Hofer wieder in München, in der vergangenen Saison startete sie 44 Mal. Doch es ist oft frustrierend, einen Startplatz zu suchen. Sie hört dann Sätze wie diese: "Nein, wir wollen einen richtigen Jockey."

Rebecca Danz ist die einzige Frau, die es 2017 in Deutschland auf über 100 Rennen im Sattel brachte. Jockey Minarik hat mit 566 die meisten Rennen, 26 seiner männlichen Kollegen haben mehr als 100. Gruppe-I-Rennen, das sind die wichtigsten mit den höchsten Preisgeldern, finden fast nur ohne weibliche Beteiligung statt. Lediglich Sibylle Vogt startete 2017 im Hamburger Derby. Der Kölner Express titelte: "Sexy Jockette kämpft gegen 18 Jockeys um 390 000 Euro". Erika Mäder, erste Vorsitzende des Deutschen Trainer- und Jockeyverbandes, versteht, warum Trainer und Besitzer vor allem in wichtigen Rennen auf Männer setzen: "Männer haben im Endkampf einen körperlichen Vorteil. Durch Taktik und Rennverständnis kann man das nur bedingt ausgleichen." In Frankreich dürfen Pferde weiblicher Jockeys 1,5 Kilogramm weniger tragen als bei männlichen Kollegen. Seitdem haben sich die Starts der Jocketten verdoppelt, die Siege mehr als verdreifacht. Auch in Deutschland wurde eine Quote beantragt, sagt Mäder. Ob es dazu kommt, sei aber offen.

Am Pfingstmontag nun steht Hofer vor dem vorletzten Rennen im Führkreis der Riemer Rennbahn, Ehemann Roberto Almonacid reitet vorbei und lächelt ihr zu. "Im Rennen sind wir Gegner, danach sind wir Freunde", sagt Hofer und lacht. Wenige Minuten später steht sie tief gebeugt auf Antonia Bella. Nach dem Start fällt sie zurück, ist an letzter Stelle. Hofer bleibt an letzter Position, wartet ab, wie sich das Rennen vor ihr entwickelt. Als sie auf die Zielgerade einbiegt, ist sie Vorletzte. Neun Reiter vor ihr, die Pferde dicht an dicht, kaum ein Durchkommen. Doch Hofer und Antonia Bella zwängen sich durch, je näher das Ziel kommt, desto schneller wird das Duo. Siebte, Sechste, Fünfte, Hofer passiert ihren Ehemann. Die ersten beiden Plätze sind nicht mehr zu erreichen, doch die braune Stute holt sich im Endkampf Platz drei. Hinter ihr: nur Männer - und ihr Mann. Doch der wird bald wieder ihr Freund sein.

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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