Gävle/München:Erste Klasse aus der zweiten Liga

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Ohne neun Profis qualifiziert sich der EHC München als Gruppen-Erster fürs Achtelfinale der Champions League. Die entscheidenden Akteure spielen sonst in der DEL2.

Von Christian Bernhard, Gävle/München

Noch nicht ganz Champions, aber schon mal im Achtelfinale der CHL: Torwart Kevin Reich und der EHC München. (Foto: Simon Hastegård/Imago)

Maximilian Daubner konnte sich der vielen Kopftätschler nicht mehr erwehren, da liefen die Schiedsrichter noch einmal zur Zeitmessung. Es galt zu prüfen, ob diese surreale Schlusspointe, die der EHC Red Bull München da in der allerletzten Spielsekunde gesetzt hatte, auch wirklich in der allerletzten Spielsekunde war - und nicht etwa eine Sekunde später. 1:2 war der EHC am Dienstag beim schwedischen Klub Brynäs IF in Gävle bis zur 58. Minute zurückgelegen. Platz eins in der Gruppe G der Champions Hockey League (CHL), für den die Münchner einen Sieg in der regulären Spielzeit brauchten, schien unerreichbar. Dann glich erst Frank Mauer aus, ehe Daubner die Gesetze der Wahrscheinlichkeit aushebelte.

"Das werden wir so schnell nicht vergessen": Das 3:2 für München fällt 0,1 Sekunden vor Schluss

Die Unparteiischen schauten kurz auf den Videoschirm, dann kehrten sie in die Mitte des Eises zurück - und deuteten auf den Anspielpunkt: Tor. Daubners Treffer zum 3:2 für den EHC war noch in der Zeit gewesen, um genau zu sein: 0,1 Sekunden vor Ende des Spiels. Die Folge: Weitere Kopftätschler für Daubner. Das Last-Second-Tor "war etwas Besonderes", sagte Münchens Angreifer Dominik Kahun, bevor er am Mittwoch in Stockholm das Flugzeug nach München bestieg. "Das werden wir so schnell nicht vergessen."

Durch den Sieg zog der EHC am letzten Gruppenspieltag an Gävle vorbei, er bekommt es nun im Achtelfinale (Hinspiel 31. Oktober/1. November, Rückspiel 7. November) mit einem Zweiten aus einer der anderen sieben Gruppen zu tun. Die Auslosung erfolgt am Freitag. Potenzielle Gegner sind der Schweizer Meister SC Bern (den der EHC im ersten Testspiel vor der Saison 7:2 besiegte) und der finnische Spitzenklub JYP Jyväskylä. "Das war ein großartiges Spiel", sagte EHC-Trainer Don Jackson, der seinen Torhüter Kevin Reich in der Schlussphase zweimal auf die Bank geholt und jeweils sechs Feldspieler aufs Eis geschickt hatte: "Ich habe es auf der Bank gespürt, die Jungs wollten es unbedingt."

Banger Blick zur Uhr: In seinem ersten Champions-League-Spiel schoss Maximilian Daubner (Mitte) den EHC gerade noch rechtzeitig zum Sieg. (Foto: Simon Hastegård/Imago)

Die "Jungs" waren diesmal tatsächlich Jungs. Da das Weiterkommen bereits feststand, hatte Jackson auf neun Stammkräfte verzichtet und dafür neun jungen Spielern eine Chance gegeben. Daubner, 20, war am Ende der Matchwinner, aber auch Reich hatte großen Anteil am Sieg. Der 21-Jährige, der normalerweise bei Münchens Kooperationspartner SC Riessersee in der DEL2 spielt, hielt in seinem ersten CHL-Spiel den deutschen Meister mit einigen Paraden im Spiel. Damit legte er die Basis für die Aufholjagd, die Mads Christensen (30.), Mauer (58., Überzahl) und Daubner zu einem glücklichen Ende brachten. "Er ist mittlerweile zum Mann geworden, physisch und mental", sagte Jackson vor der Partie über Reich, der als 17-Jähriger in der Saison 2013/14 in zwei Kurzeinsätzen unter dem damaligen Trainer Pierre Pagé sechs Gegentore kassiert hatte und danach nicht mehr in der DEL zu sehen war.

Sehr positiv sei der Auftritt der jungen Spieler gewesen, sagte der ebenfalls noch junge Dominik Kahun. Der 22-Jährige war gegen Brynäs als Kapitän aufgelaufen - was alleine verdeutlicht, wie sehr der Ausflug nach Schweden unter dem Motto Jugend forscht stand. Die Nachwuchsspieler "haben viel Power und sind viel gelaufen", sagte Kahun, "das macht es für die Gegner schwer". Dazu komme der mentale Aspekt: "Sie kommen zu uns hoch und haben keinen Druck. Sie können frei aufspielen." Frei reden durften Daubner und Reich nach der Partie nicht, die Red-Bull-Verantwortlichen ließen sie nicht vor die Mikros. Stellvertretend erklärte Kahun für sie, alle könnten "zufrieden nach Hause fliegen".

Das stimmte so nicht ganz. Nicolas Strodel, Tobias Eder, Niklas Postel und Pascal Grosse, die bei der Hinreise aus Finnland kommend in Stockholm zum Team gestoßen waren, flogen wieder nach Finnland zurück. Dort bestreiten sie am Wochenende mit dem RB-Farmteam drei weitere Spiele gegen finnische U-20-Mannschaften. Die von der ganz jungen Garde mit einem Augenzinkern an Jackson gerichtete Aufforderung "never change a winning team" wird der Trainer also nicht befolgen. Der EHC kehrt am Freitag in Straubing in den Liga-Alltag zurück. Obwohl der Meister seine letzten drei Partien in Niederbayern verloren hat, sagt Kahun, die Mannschaft könne "selbstbewusst" dorthin fahren.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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