Gaelic Football:Reif für die Insel

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Irland begrüßt den Rest der Welt zu den World Games gälischer Sportarten. Nicole Werner von den Munich Colmcilles tritt für das europäische Football-Team an

Von Andreas Liebmann, München

Angefangen hat alles mit einer Reise nach Irland, mit ein paar Zwölf-, 13-Jährigen, die dort etwas spielten, was nach Fußball aussah, aber doch keiner war. "Ich hatte in einem Reiseführer darüber gelesen", erinnert sich Nicole Werner, und später sei ihr dann eingefallen, dass es auch in ihrer Heimatstadt München einen Verein gebe, der diesen irischen Sport betreibt: Gaelic Football. Das ist gar nicht lange her. Nun könnte sie bald im Croke Park in Dublin stehen, vor 80 000 Zuschauern, und um die Weltmeisterschaft spielen. Nun ja, mit sehr viel Glück jedenfalls.

Seit vergangenem Sonntag laufen die Gaelic World Games, Nicole Werner, 34, ist dabei. An diesem Dienstag findet ihr erstes Spiel statt, gegen Kanada. Sie tritt für das nichtirische europäische Frauenteam an. Das Mutterland dieses Sports hat den Rest der Welt zu Gast, Australier, Südafrikaner, Argentinier, Chinesen. Eine aufregende Sache. Und durchaus ulkig, denn die Münchnerin hat sich wie alle ihre Mitspieler für dieses Team beworben - mit einem Fragebogen. "Es war dann relativ schnell klar, dass ich dabei bin, wir kennen uns ja alle vom Gegeneinanderspielen. Und es wurden noch gute Verteidiger gebraucht."

Erst vor einigen Tagen war München Gastgeber einer europäischen Meisterschaft, bei den Frauen gewann Seriensieger Brüssel. (Foto: Claus Schunk)

Eine Gaelic-Football-Karriere läuft außerhalb Irlands etwas anders ab, als man das zum Beispiel vom Fußball kennt. Zurück von ihrer Irland-Reise, habe sie bei den Munich Colmcilles vorbeigeschaut. Sie durfte sofort mitspielen. "Sie haben gesagt, es sei ganz leicht: Du spielst einfach Fußball und nimmst den Ball in die Hand." Werner spielte 17 Jahre lang Fußball, bis zur Landesliga. Dann sei sie auf der Suche nach einem etwas weniger laufintensiven Sport gewesen, heute weiß sie, dass sie das Gegenteil gefunden hat: Die raue Mischung aus Fußball und Rugby erfordere ständige Bewegung. Eine Woche später jedenfalls durfte sie für München schon bei einem Freundschaftsspiel gegen Wien mitmachen. Und in diesem Tempo ging es weiter. "Ehe man sich's versieht, macht man die Pressearbeit und organisiert Turniere", sagt Werner, die lange als Journalistin arbeitete. Seit vergangenem Dezember ist sie Vorsitzende der Colmcilles, im Januar wurde sie zusätzlich Vorsitzende des Deutschen Bundes Gälischer Sportarten. Darin sind neun Klubs organisiert, die Gaelic Football und Hurling anbieten.

Ein Dutzend Mal in den vergangenen vier Jahren sei sie in Irland gewesen, erzählt Nicole Werner, sie hat sich so sehr in dieses Land verliebt, dass sie plant, dorthin auszuwandern. "Im Anschluss an die World Games wollte ich zwei Monate in Dublin auf einem Bauernhof bleiben, alles regeln und Ende des Jahres auswandern", erzählt sie, "ein Häuschen mit Bed and Breakfast, ein paar Hühner, Esel, Schafe." Schon in Deutschland hat sie als Schäferin gearbeitet, und nach 23 Jahren, die sie sich in München sehr wohl gefühlt habe, finde sie, es sei allmählich an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren. Dazu muss man vielleicht wissen: Werner ist in Holland aufgewachsen, als Tochter eines Österreichers und einer Südafrikanerin.

Seit ein paar Wochen liegen die Pläne auf Eis. Bei einem Turnier in Brüssel war sie mit einer Gegnerin zusammengeprallt, das Schlüsselbein habe nachgegeben, "ziehharmonikamäßig", sagt sie. Eine acht Zentimeter lange Narbe ist unter ihrer linken Schulter zu sehen. Eine Platte sei ihr dort eingesetzt worden, "aber der Arzt hat mir versichert, dass ich die WM spielen kann". Im nächsten Jahr muss die Platte entfernt werden, so lange will Werner nun in Deutschland bleiben. Sie gilt als robuste Verteidigerin, ihre Mitspielerinnen hätten kaum geglaubt, dass sie es war, die sich verletzt hatte, und nicht die Gegnerin. "Ich wäre ja lieber im Mittelfeld", sagt sie, aber sie landet doch immer wieder in der Verteidigung, das war schon im Fußball so. "Ich höre immer wieder, dass niemand gegen mich spielen will", sagt sie lachend. "Ich nehme das als Kompliment."

Nun freue sie sich darauf, mit all den "Wahnsinnsspielerinnen" zusammenzuspielen, die sie bisher nur als Gegnerinnen kennt: die Französin Margaux Mansanarez, die sonst für Brüssel antritt, oder die Spanierin Anay Rios, die so schnell sei, "dass ich ihr letztes Jahr nur das Trikot zerreißen konnte". Auch wenn sie die gemeinsamen Trainingseinheiten wegen ihrer Verletzung verpasst hat: "Die WM hat uns nähergebracht", sagt Nicole Werner.

Vor etwas mehr als einer Woche fand in München eine europäische Meisterschaft statt, 238 Spieler aus 21 Klubs ermittelten den nichtirischen Champion. Bei den Männern gewann Luxemburg, bei den Frauen schafften es die Colmcilles ins Finale, wo sie wie üblich den Gästen aus Brüssel unterlagen. Nicole Werner spielte kaum, sie wollte keine Verletzung mehr riskieren vor ihrem großen Abenteuer. "Alle sind sehr aufgeregt", sagt sie. Der Croke Park ist das fünftgrößte Stadion Europas, und er wird voll sein, weil im Anschluss das Halbfinale um den irischen Pokal stattfindet. Aber nur die Finalistinnen der World Games dürfen dort spielen.

© SZ vom 09.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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