Futsal-Regionalliga:"Ja, das ist er! Mit der 73!"

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"Es ist gut, wenn man so eine Kante vorne drin hat“: Dasselbe Haupthaar, derselbe Torriecher – nur spielte Jan Koller für Blau-Weiß statt Schwarz-Gelb. (Foto: Claus Schunk)

Jan Koller, Tschechiens hünenhafter Rekordtorschütze, dekoriert mit 61 Treffern für Borussia Dortmund, schießt Deisenhofens Futsaler zum 4:2 gegen Neuried.

Von Niccolo Schmitter, Oberhaching

Als die 13 Männer in Reih und Glied stehen, kann sich der ein oder andere ein Lächeln nicht verkneifen. Verschmitzt schielen zwölf der 13 immer wieder nach rechts, etwas ungläubig auf diesen Hünen blickend, der ganz am Ende der Reihe im Trikot des FC Deisenhofen steht. Selbst den Schiedsrichtern ist das Grinsen schwer auszutreiben. Ja, in dieser kleinen Sporthalle im Münchner Umland, in der schon das Abklatschen der Spieler die Geräuschkulisse dominiert, steht wirklich Jan Koller. Der Jan Koller.

Eigentlich sollte es nur ein ganz normales Futsal-Spiel sein. Zweiter Spieltag in der Regionalliga Süd, der FC Deisenhofen empfängt den TSV Neuried. Doch normal ist nichts in der Gymnasiumshalle in der Gemeinde Oberhaching an diesem Samstagnachmittag. Dafür hatte Roman Tyce schon vorher gesorgt. Der ehemalige Bundesliga-Profi vom TSV 1860 München ist seit Jahren Teil der Futsal-Mannschaft, seit dieser Saison ist er auch ihr Trainer. Tyce und Koller kennen sich seit ihrer gemeinsamen Zeit bei Sparta Prag. Letzterer wollte seinen Freund zur Wiesn-Zeit besuchen, da habe Tyce ihm ein Angebot gemacht: "Ich besorge uns einen Tisch, wenn Du ein Spiel bei uns mitmachst."

So stehen da nun geballte 61 Bundesligatore für Borussia Dortmund, verteilt auf 2,02 Meter, im Trikot mit der Nummer 73. "Ja, das ist er! Mit der 73!", raunt es aus dem Publikum. Nicht nur für die Mit- und Gegenspieler, auch für die Zuschauer ist es ein besonderes Ereignis. Ein Kind im BVB-Pullover, drei recht angeheiterte Tschechen, eine große Gruppe von Wiesnbesuchern, die den Frühschoppen in der Halle fortführen. Sie alle sind auch oder nur wegen Koller hier. Und natürlich treibt sie alle die Frage um: Kann er's noch?

Knappe Antwort: Ja, er kann's noch. Koller, EM- und WM-Teilnehmer und tschechischer Rekordtorschütze, agiert an diesem Nachmittag als Zielspieler für Deisenhofen, macht mit dem Rücken zum Tor die Bälle in der Spitze fest und leitet sie klug und technisch klasse weiter. Einen weiten Ball vom Torhüter touchiert er mit dem Außenrist, sodass er perfekt in den Lauf seines Mitspielers fällt (25.). Oder er tropft mit der Brust ein Zuspiel vom anderen Hallenende so ab, dass sein Kollege freie Bahn auf das Tor hat (36.). Alternativ dreht er sich auch mal schnell um die eigene Achse, schirmt mit seiner Körpermasse den Ball ab und schießt ihn an den Innenpfosten (9.). Bei jeder Aktion Kollers geht ein Raunen durch die Halle. "Es ist gut, wenn man so eine Kante vorne drin hat", sagt Michael Mayer, einer von Kollers Teamkollegen an diesem Tag: "Das macht schon was aus."

Tatsächlich sind die Fähigkeiten des inzwischen 45-Jährigen beim 4:2-Sieg nicht nur schön anzuschauen, er ist auch der Spieler, der den Unterschied ausmacht. Eigentlich ist der FC Deisenhofen gegen Neuried nicht die bessere Mannschaft, auch wenn er nach einem Ballgewinn in der zweiten Spielminute gleich in Führung geht. Im Anschluss agiert der FCD dann aber zu fahrig und kann sich keine guten Gelegenheiten erspielen. Neuried schiebt dagegen gut raus und hält die Gastgeber vom eigenen Tor fern. Schwer wird es allerdings, wenn Koller in der Spitze für Zuspiele bereitsteht. Wie soll man ihn auch verteidigen, wenn selbst der größte Neurieder fast einen Kopf kleiner ist?

In der 14. Minute ist es dann soweit, mit einem schönen Doppelpass schüttelt Koller seinen Gegenspieler ab und lässt dem Keeper per Pike keine Chance. Die Halle jubelt, Koller schnauft. Die Anstrengung ist ihm sichtlich anzumerken. "Es hat Spaß gemacht, aber es war schon schwer", gibt Koller nach dem Spiel zu. Wenigstens spiele er auch zu Hause in Monaco Hallenfußball, aus der Form ist er also nicht. "Jan ist ein guter Sportler", sagt Tyce und fügt scherzend hinzu: "Zum Glück muss man beim Futsal nicht ganz so fit sein." Sowohl Koller als auch Neuried kommt zugute, dass ständig rotiert wird, auch der Ex-Profi spielt kaum mehr als drei Minuten am Stück.

In der 35. Minute trifft er dann mit seinem zweiten Tor zur Vorentscheidung. Wie zu Beginn dreht er sich rechts um die eigene Achse, trifft diesmal aber am Innenpfosten vorbei ins Netz - 4:1. Neuried kann nur noch auf 4:2 verkürzen. Nach der Partie steht der Tscheche noch mit Schweiß auf der Stirn, aber auch mit kühlem Bier in der Hand zwischen den Zuschauern, gibt Autogramme und steht für Fotos bereit. Was er jetzt mache? "Jetzt geht's auf die Wiesn."

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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