Fußballtrainer Ziege:Balearen-Hoch

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Aus dem deutschen Abstiegskampf ins spanische Aufstiegsrennen: Christian Ziege, 43, bei der SpVgg Unterhaching zurückgetreten, steht als Chefcoach des Drittligisten Atlético auf Mallorca am Start eines ambitionierten Projekts

Von Christoph Leischwitz, München

Es geht immer recht schnell beim Trainer Christian Ziege, das war schon in Unterhaching so. Im März 2014 lag gerade einmal eine gute Woche zwischen der ersten Anfrage der SpVgg und seiner Präsentation als Chefcoach. Bei seiner Vorstellung sagte Ziege damals: "Da fliegt einem viel um die Ohren, alle möglichen Dinge, die jetzt organisiert und besprochen werden müssen. Das ist schon brutal, wir haben kaum Zeit." Er brauche eigentlich nur ein Konzept, das ihn überzeugt, alles andere ergebe sich dann von selbst.

Seine einleitenden Worte kann Ziege sich jetzt eins zu eins ins Spanische übersetzen lassen, denn sie treffen auf sein neues Engagement genauso zu. Erst am Montag war der 43-Jährige nach Mallorca geflogen, um abschließende Gespräche zu führen, an diesem Donnerstag wird er nun offiziell als nuevo entrenador, als neuer Trainer des spanischen Drittligisten Atlético Baleares vorgestellt.

Im Vergleich zum damaligen Drittligisten Unterhaching gibt es - neben der Landessprache - auf Mallorca einen weiteren Unterschied: das Geld. Der deutsche Unternehmer Ingo Volckmann hat Atlético vor der Insolvenz bewahrt und plant nun Großes (SZ vom 2. Dezember). In Unterhaching dagegen konnte Ziege den Abwärtstrend nicht stoppen. Zwei Monate, bevor die SpVgg in die vierte Liga abstieg, trat der ehemalige Nationalspieler nach ziemlich genau einem Jahr als Cheftrainer zurück. Offizielle Begründung damals: In höchster Finanznot getätigte Spielerverkäufe hätten ihm im Abstiegskampf die letzte Hoffnung geraubt. Insofern dürfte ihm Volckmanns Konzept sehr zusagen. Ziege sagt: "Der Klub und die Mannschaft haben ein großes Potenzial, das es zu nutzen gilt."

Gelingt dem Globetrotter auf Mallorca der große Wurf? (Foto: Claus Schunk)

Gleich nach seinem Rücktritt in Unterhaching hatte der ehemalige Bayern-Profi und Europameister von 1996 klargemacht, dass er gerne als Trainer weiterarbeiten möchte, nach Möglichkeit in der Region. Zuletzt arbeitete er als Experte und Co-Moderator für Zweitligaspiele im Sportfernsehen und hatte sich ebendort als Sportchef für 1860 München ins Gespräch gebracht. Im Grünwalder Stadion war er des Öfteren bei Amateurspielen anzutreffen und engagierte sich bei dem Projekt "wiederentdeckt", einem Förderprogramm für junge Fußballer mit Hindernissen auf dem Weg zum Profi. Auf der Homepage des Projekts war Ziege noch am Mittwoch neben dem ehemaligen Bundesligatrainer Michael Oenning und Torwart Richard Golz als Sichtungstrainer aufgeführt. Nach dem Angebot aus Spanien, heißt es von Seiten einer Kölner Kommunikationsagentur, die im Namen Zieges spricht, werde dieses Engagement nun hintangestellt.

Ziege selbst ist schwer zu erreichen, selbst für die Agentur, es ist gerade alles recht stressig. Was ein Stück weit verständlich ist, denn es gibt - siehe oben - viel zu organisieren und zu besprechen. Außerdem bestritt seine neue Mannschaft am Mittwochnachmittag ein Pflichtspiel, das letzte, bevor Ziege für den kürzlich beurlaubten Gustavo Siviero übernimmt.

Es geht im Moment noch verhältnismäßig familiär zu in dem spanischen Traditionsverein. Dessen Umfeld muss man sich deutlich kleiner als die SpVgg Unterhaching vorstellen. Das Stadion, in das Atlético während der Finanzkrise umzog, fasst gerade einmal 1500 Zuschauer, gespielt und trainiert wird auf Kunstrasen. Am vergangenen Sonntag gewann das Team 2:1 beim FC Barcelona B und und behauptete damit den vierten Platz in der Segunda Division B, Gruppe III. Ziege landet vom deutschen Abstiegs- direkt im spanischen Aufstiegskampf. Eine Winterpause kennt die Liga nicht, allein im Dezember stehen noch vier Ligaspiele auf dem Programm.

Christian Ziege, 43, unter anderem zwei Mal deutscher Meister, trainiert ab sofort Atlético Baleares. (Foto: Imago)

Schon wieder zurück in Deutschland ist indes Francisco Copado, den Ziege als möglichen Co-Trainer mit nach Mallorca genommen hatte. Der 41-Jährige assistierte Ziege bei der SpVgg. Am vergangenen Sonntag, erzählt Copado, habe er eine SMS von Ziege bekommen, ob er sich das Engagement in Spanien vorstellen könnte - am Montag saß er mit im Flieger. Der Stürmer hat 1996/97 auf Mallorca gespielt, für den Lokalrivalen RCD. Darüber hinaus wäre Copado, gebürtiger Kieler mit spanischen Wurzeln, ein nützlicher Dolmetscher für Ziege gewesen. "Nach einer Nacht darüber schlafen" lehnte Copado aber ab. Sein Engagement beim Bezirksligisten TSV Moosach mache ihm viel Spaß, im Januar will er sich für den Fußballlehrer-Kurs des DFB in Köln anmelden. Vielleicht ging ihm alles auch einfach nur ein bisschen zu schnell. Im Gegensatz zu Ziege, um den man sich keine Sorgen zu machen brauche: "Er spricht ja Italienisch, er wird schon zurechtkommen", sagt Copado.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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