Fußball-Relegation:Das Warten hat ein Ende

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Sechs Jahre nach seinem bitteren Abschied aus Unterhaching trifft Leandro Grech, 36, mit Elversberg wieder auf seinen alten Klub - mit gemischten Gefühlen.

Von Christoph Leischwitz, München

"Jeder andere Gegner wäre mir lieber gewesen": Leandro Grech hat nicht nur schöne Erinnerungen an Unterhaching. Seine Zeit dort endete auf dem Parkplatz vor der Geschäftsstelle. (Foto: imago/Eibner)

Die zwei Jahre bei der SpVgg Unterhaching endeten für Leandro Grech auf dem Parkplatz vor der Geschäftsstelle. Mal saß der Argentinier an jenem 25. Mai 2011 in seinem Auto, mal ging er vor der Geschäftsstelle auf und ab, in der Hoffnung, dass ihn jemand anruft, oder einer das Fenster öffnet und etwas ruft wie: "Komm rein und unterschreib." Eine Woche zuvor hatte er noch mitgeholfen, den Toto-Pokal gegen Wacker Burghausen zu gewinnen, der Sieg berechtigte an der Teilnahme zum DFB-Pokal, damals wie heute ein dringend benötigter Geldsegen für den Klub. Leandro spielte damals unter starken Schmerzen, die Achillessehne hatte ihm wochenlang Probleme bereitet.

Das Warten brachte nichts ein. "Es hat sich damals niemand von mir verabschiedet", sagt Grech heute. Am nächsten Tag fuhr er nach Aalen und unterschrieb einen Vertrag beim VfR, dem er dann zum Aufstieg in die zweite Liga verhalf.

"Gemischte Gefühle" habe er, wenn er an seine eigentlich schöne Zeit in Unterhaching denkt. Am kommenden Sonntag, fast auf den Tag genau sechs Jahre nach seinem, nun ja, Abschied, werden diese Gefühle wieder greifbar werden, wenn der Mannschaftsbus der SV Elversberg am Parkplatz vorbei hinunter ins Stadion fährt und neben der Südtribüne hält, wo er einst von den Fans beklatscht wurde. "Jeder andere Gegner wäre mir lieber gewesen", sagt Grech über die Auslosung zu den Aufstiegsspielen in die dritte Liga. Doch jetzt, es tue ihm leid, treffe man sich da an einer Kreuzung, an der niemand stehen wollte. "In keiner Liga der Welt ist das so, dass du Meister wirst und nicht aufsteigst", sagt der Argentinier. Beide Mannschaften wollen unbedingt zurück in den Profifußball, weil beide in ihrem Selbstverständnis auch Profivereine sind. Für Unterhaching führt der Weg zurück nun ausgerechnet vorbei am 36-jährigen Grech, dem Defensivmann, der auch schon mehr als 100 Zweitligaspiele absolviert hat. Im rechten Mittelfeld könnte übrigens auch der ehemalige Hachinger Florian Bichler stehen, der sich nach zwischenzeitlichen Durchhängern wieder zum Stammspieler hochgearbeitet hat.

Unterhaching, das für Grech gleichbedeutend mit "Andi Brysch, Robert Zillner, die Nelly, die Liesl". Ehemalige Spieler also, die später gefeuerte Physiotherapeutin, die mittlerweile verstorbene Liesl Leiminger, Waschfrau und jahrzehntelang Mutter der Fußball-Kompanie. Vizepräsident Peter Wagstyl dürfte so ziemlich der einzige Offizielle sein, den Leandro wiedererkennen könnte. Es hat sich in relativ kurzer Zeit viel geändert in Unterhaching, selbst die Wirte in der Vereins-Gaststätte wechselten zuletzt mehrmals.

Weggänge wie jene von Grech führten dazu, dass die SpVgg nicht nur nicht aufstieg, sondern irgendwann in den Amateurfußball absank. Doch sie sind freilich auch nur ein Indiz dafür, was damals so unglaublich schiefgelaufen ist, in der Profizeit, zu der man gerne zurückkehren würde. Dabei muss der aktuelle Präsident Manfred Schwabl bis heute die damaligen Fehler ausbaden: verlorenes Sponsoren-Vertrauen, chronischer Geldmangel.

Zunächst feuerte der Verein im Frühjahr 2010 einen Trainer, der künftig ein Champions-League-Team trainieren wird, Ralph Hasenhüttl. Im Herbst stellte sich dann heraus, dass die SpVgg auf der verzweifelten Suche nach Geld für den Wiederaufstieg in Liga zwei auf einen später verurteilten Hochstapler hereingefallen war. Franco Levis hatte dem Klub viel Geld versprochen, und der hatte es zu einem Großteil ausgegeben, bevor es da war. Letztlich kam es überhaupt nicht.

Völlig verzweifelt versuchte der damalige Sportliche Leiter Francisco Copado, Geld einzusparen. Wohl auch deshalb wollte man den Vertrag von Leandro mehrmals auflösen. Hasenhüttls Nachfolger, Klaus Augenthaler, setzte sich für ihn ein. Wenn Leandro geht, soll Augenthaler damals gesagt haben, dann bin ich auch weg. "Wenn ein Mensch wie Augenthaler sich so für mich einsetzt...", sagt Leandro, und beendet den Satz nicht. Er blieb, für Augenthaler. Bis kein weiteres Vertragsangebot mehr kam. Nach Aalen ist er dann übrigens gegangen, weil er der "Wunschspieler" des dortigen neuen Trainers war, wegen Leandros Erfahrung, aber auch wegen seines Humors, der für die Gruppendynamik im Team sehr wichtig sei. Der Name des Trainers: Ralph Hasenhüttl.

"Die Fußballwelt, na ja, du musst manchmal ein bisschen dreckig sein, dann bekommst du Respekt vom Verein", sagt er. Weil er aber nicht dreckig sein wolle, sagt der gläubige Leandro, spiele er lieber ein, zwei Ligen tiefer als das, was er nachweislich kann. Bei Klubs wie Pfullendorf oder eben Elversberg habe er sich immer wohlgefühlt.

Aber all das schließt ja nicht aus, dass man trotzdem unbedingt aufsteigen will. Zumal die SV im vergangenen Jahr nur knapp scheiterte, am FSV Zwickau. Es ist die anstrengendste Phase der Saison, nicht nur wegen der Tragweite der anstehenden Spiele. Der Spielplan wollte es so, dass Meister Elversberg in der Regionalliga mit 19 Teams am vergangenen Wochenende spielfrei war, danach aber folgen drei Partien in sechs Tagen, die erste hat Elversberg schon hinter sich. Am Donnerstag traf die SV im Landespokal-Finale auf den 1. FC Saarbrücken. Durch die 2:3-Niederlage hat Elversberg den Einzug in den DFB-Pokal verpasst. Die SV und der 36-jährige Leandro konnten sich im drittwichtigsten Spiel der Saison auch nicht für die beiden wichtigsten schonen.

Für den Rückkehrer ist es womöglich eine der letzten Chancen auf ein großes Erfolgserlebnis auf dem Platz. "Ich fühle mich immer noch fit, und ich habe immer noch Spaß in der Kabine mit den anderen Spielern. Das ist in meinem Alter sehr wichtig", sagt er. Doch er macht parallel auch schon einen argentinischen Trainerschein, irgendwann soll ein deutscher folgen. Im Moment wohnt er mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Frankreich, nur ein paar Kilometer von Elversberg entfernt. Er kann sich gut vorstellen, dort zu bleiben. Aber in München hat es ihm seinerzeit auch gut gefallen. Eigentlich.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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