Fußball-Regionalliga:Von Null auf 63

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Lange zu zaghaft: Erst spät fanden Manuel Eisgruber (li.) und seine Garchinger Kollegen in die Partie, die dann aber immer spektakulärer wurde. (Foto: Claus Schunk)

Garching beginnt gegen Ingolstadt II halbherzig, beendet die Partie aber furios: Kapitän Niebauer trifft mit einem Schuss aus der eigenen Spielhälfte zum 3:1-Sieg

Von Christoph Leischwitz, Garching

Ein Flugzeug vom nahe gelegenen Münchner Flughafen konnte es nicht sein, dafür war dieses Ding viel zu rund. Um einen Fußball konnte es sich aber auch nicht handeln, der ist normalerweise nicht so hoch und so lange unterwegs. Badegäste am Garchinger See, die am Samstag gegen 15.40 Uhr zufällig gerade in Richtung Stadion blickten, dürften sich auf jeden Fall über das Flugobjekt gewundert haben, das da plötzlich über dem Dach der Haupttribüne auftauchte. Selbst die Zuschauer im Stadion konnten ja kaum fassen, was sie da zu sehen bekamen. Es war tatsächlich ein Fußball. Exakt 63 Meter lang in der Luft, getreten vom Kapitän des VfR Garching, Dennis Niebauer (80.).

Trainer Daniel Weber trug ein ungläubiges Lachen im Gesicht, als er mit allen anderen von der Bank aufs Feld rannte und den ungläubig lachenden Niebauer an sich drückte. Es war nicht nur ein Tor, das so aussah, als hätte es jemand auf den azurblauen Himmel gemalt, viel wichtiger noch: Es war das entscheidende Tor zum 3:1 (0:1)-Endstand gegen den FC Ingolstadt II. "Es wollte doch sowieso niemand mehr laufen bei der Hitze", gab der Torschütze anschließend zu Protokoll. Sein weiter Schuss setzte erst knapp hinter der Linie auf, Ingolstadts Torwart Christian Ortag war komplett überrascht und sprang gar nicht erst hinterher. Das Tor hatte zudem eine Leichtigkeit, die man Garching in der ersten Halbzeit nicht hatte zutrauen können. "Ich war überhaupt nicht zufrieden mit dem Beginn", schimpfte Weber später. Fast nichts von dem, was man zuvor besprochen hatte, habe die Mannschaft umgesetzt, sie lief nur halbherzig Ball und Gegner hinterher. Logische Folge war das 1:0 des Ingolstädter Profis Ryoma Watanabe mit einem satten Schuss nach flotter Kombination (5.). Weber merkte, dass er etwas tun musste. Dann begann er, ins Spielfeld zu schreien, mehrmals. Er rief bestimmten Spielern zu, bestimmte Körperteile zu bewegen, und er rief es so, dass es jeder der 350 Zuschauer hören konnte. "Ich musste mich zum Affen machen", sagte Weber, dem diese Aufweck-Aktion selbst unangenehm war. Anschließend entschuldigte er sich sogar bei der Mannschaft für seine sprachlichen Eskapaden. "Aber wenn es etwas bringt, mache ich mich natürlich gerne zum Affen."

Es brachte etwas, Garching erwachte. Und das, obwohl mit dem 0:1 der ursprüngliche Plan über den Haufen geworfen war: Eigentlich wollte man mit fleißigem Pressing den Gegner vom eigenen Tor fernhalten und in der zweiten Halbzeit mit routinierten und frischen Spielern das Tempo erhöhen - Florian De Prato zum Beispiel saß aufgrund dieses Plans zunächst auf der Bank. Jetzt aber spielte sich die Mannschaft Mut an, die Standards waren gefährlich, weite Bälle auf die Offensivspieler kamen an - Dennis Niebauer vergab die beste Chance der ersten Halbzeit im Eins-gegen-Eins mit dem guten Keeper Ortag. Auch Garchings Daniel Maus hielt sein Team weiter im Spiel, er parierte in der 22. Minute gegen den durchgebrochenen Watanabe. In dem immer lebhafteren Spiel ließen aber überraschenderweise zuerst bei der Profi-Reserve die Kräfte nach. Weber brachte seine Edeljoker De Prato und Oliver Hauck, Garching dominierte nun. Die Tore erzielten Manuel Eisgruber mit seinem dritten Saisontreffer (67., Vorlage Mike Niebauer) sowie Dennis Niebauer nach Vorlage von Hauck (69.). "Wir haben in der Schockstarre des Gegners noch einmal zugeschlagen", freute sich Weber über die starke Schlussphase. Er lobte die mentale Stärke seiner Mannschaft, das Spiel so drehen zu können, auch mit Blick auf das 12:0 des FC Augsburg II gegen den SV Seligenporten. Der SVS ist ein Mitaufsteiger, der im Gegensatz zum VfR nach einem Rückstand gegen das U-23-Team eines Bundesligisten komplett auseinander fiel.

Das 63-Meter-Tor, abgeschossen hinter dem Mittelkreis, war dann noch die beeindruckende Pointe einer enormen Steigerung. Beim Schuss habe er ganz kurz daran gedacht, dass Georg Ball auch einmal so ein Tor geschossen hatte. Vor drei Jahren gegen den FC Pipinsried traf Ball sogar aus mehr als 80 Metern. Diesmal hatte Trainer Weber seine Spieler darauf aufmerksam gemacht, dass der Ingolstädter Torwart oft weit vor seinem Kasten stehe. "Das hat noch nie etwas gebracht, wenn er das gesagt hat", sagte Niebauer und grinste. "Diesmal schon."

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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