Fußball-Regionalliga:Unruhige Zeiten

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Rudelbildung mit Folgen: Illertissens Ardian Morina (verdeckt) sieht nach einer Tätlichkeit gegen Sechzigs Florian Pieper (am Boden) die rote Karte. (Foto: Foto2press/Imago)

1860 II steckt nach dem 0:1 gegen dezimierte Illertisser im Abstiegskampf

Von Christoph Leischwitz, München

Andreas Frick ist ein höflicher Mensch. Zehn Minuten nach dem Gastspiel des Fußball-Regionalligisten FV Illertissen in München trat der Mittelfeldspieler aus der Kabine und fragte die Offiziellen des TSV 1860 II mit einem freundlichen Lächeln: "Kann ich hier irgendwo meine Schuhe putzen?" Niemand antwortete ihm. Dieser Frick besaß doch tatsächlich die Chuzpe, nach so einem rotzfrechen Auftritt seinen Sieg auch noch mit Münchner Leitungswasser begießen zu wollen. Nicht nur, dass der 24-Jährige zahlreiche Zweikämpfe gewonnen hatte und sich etwa ein Dutzend Mal foulen ließ, nur, um dem Gegner den Spielfluss zu rauben. Er hatte in der 39. Minute auch noch ein schier unmögliches Tor geschossen, hatte einen willensstarken Sololauf von der Mittellinie mit einem Lupfer über Torwart Kai Fritz abgeschlossen. Und mit dieser Aktion das Spiel entschieden. Kurz gesagt: Frick ist ein Spielertyp, den es beim TSV 1860 München II zurzeit nicht gibt. Und deshalb macht die Mannschaft im vierten Jahr in der Regionalliga Bayern nun eine ganz neue Erfahrung: Sie steckt zum ersten Mal im Abstiegskampf.

Trainer Daniel Bierofka stellte sich vor seine Mannschaft, bei der momentan einige Leistungsträger fehlen - zu allem Überfluss musste 20 Minuten vor dem Spiel auch noch Torwart Michael Netolitzky mit Kreislaufproblemen passen. Bierofka wollte auch seinem 30-jährigen Kapitän Michael Kokocinski keinen Vorwurf machen, jenem Spieler, von dem man am ehesten erwarten darf, so aufzutreten wie Illertissens Frick. "Er hat ja Verantwortung übernommen", sagte Bierofka schulterzuckend. Zum Beispiel in der 24. Minute, als die Sechziger nach einem Foul an Florian Pieper einen Elfmeter zugesprochen bekamen. Doch diesen trat Kokocinski so uninspiriert, dass Illertissens Torwart Patrick Rösch keine Probleme damit hatte. Danach wurde das Spiel immer hitziger.

Zwei Minuten nach dem Elfmeter bekam Sechzigs Jimmy Marton am Boden liegend den Ball an den Kopf geschossen. Nach der anschließenden Rudelbildung sah Illertissens Ardian Morina die rote Karte (27.). Die Gäste hielten diese Entscheidung für überzogen und verlangten erfolglos dieselbe Strafe für Sechzigs Fabian Hürzeler wegen angeblicher Tätlichkeit. Doch kurioserweise profitierten die Gäste von der Dezimierung. "Die stellen sich dann mit zehn, äh, neun Mann hinten rein", sagte Hürzeler später. Eigentlich hatte Sechzig in den ersten Minuten schnell und konzentriert nach vorne gespielt. "Aber wir müssen endlich mal wieder in Führung gehen, dann spielt sich's leichter", sagt Hürzeler fast flehentlich. Die ganze Unruhe habe jedenfalls nicht dazu beigetragen, die Linie wiederzufinden: "Da haben wir einfach noch nicht genug Erfahrung."

Die Unruhe wollte nicht weichen. Sie mündete in der 87. Minute in einem weiteren Platzverweis für Gästekeeper Rösch. Zunächst war Schiedsrichter Julian Kreye zu seinem Assistenten gelaufen, dem etwas aufgefallen war: Sechzigs Auswechselspieler hatten sich regelwidrig hinter dem Illertisser Tor aufgehalten, um dort Bälle einzusammeln - Rösch hatte immer wieder auf Zeit gespielt. Als der Schiedsrichter die Spieler ermahnen wollte, fiel ihm auf, dass sich Rösch ebenfalls hinter dem Tor herumtrieb und nicht bereit war, weiterzuspielen - er zeigte ihm Gelb-Rot.

Zwei gute Chancen hatten die Sechziger gegen Ende noch, beide durch den eingewechselten 19-Jährigen Felix Bachschmid. Doch zwischen den ersten und letzten fünf Minuten herrschten vor allem Hektik und Ideenlosigkeit. Bierofka weiß, dass sich seine Kommentare angesichts sechs Spielen ohne Sieg mittlerweile sehr ähneln. "Wir brauchen einfach ein Erfolgserlebnis", sagt er. Auf die Mannschaft einzuprügeln wäre das Gegenteil von Motivation. Wenigstens in einem Punkt ist sich Bierofka völlig sicher: "Wir sollten ein paar Spieler aus der F-Jugend als Balljungen holen."

Dringend zu empfehlen wäre außerdem, das Spiel seiner Mannschaft auch auf dem Feld wieder schneller zu machen.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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