Fußball-Regionalliga:Treibgut vor dem Tor

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Stephan Hain (re.) umkurvt zu guter Letzt 1860-Keeper Dominik Süßmaier und trifft zum 1:0. (Foto: Claus Schunk)

Beim 4:0-Erfolg gegen Rosenheim zeigt sich: Selbst an schlechten Tagen ist die SpVgg Unterhaching kaum zu gefährden

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Nein, nein, sagt Klaus Seidel. Als Gegner der SpVgg Unterhaching wolle man sich nicht hinten reinstellen, man fahre schon immer noch in den Sportpark, um Punkte zu holen. Der Trainer des TSV 1860 Rosenheim durfte am vergangenen Samstag phasenweise sogar ein wenig Hoffnung haben. An dieser Stelle sollen deshalb - große Ausnahme, versprochen - zunächst einmal die Fehler aufgezählt werden, die der Spitzenreiter in dieser Partie beging. In der zwölften Minute ließ sich Max Dombrowka ausspielen, dann ließ sich Alexander Winkler tunneln, das Solo von Rosenheims Danijel Majdancevic konnte allein Torwart Stefan Marinovic stoppen. Oft standen die Hachinger Defensivkräfte viel zu weit entfernt von ihren Gegenspielern, die in der 59. (Majdancevic) und in der 60. Minute (Sascha Marinkovic) weitere Riesenchancen hatten. Es gab sogar Flüchtigkeitsfehler, Hachings Torwart Marinovic etwa jagte einen flach gespielten Abstoß ins Seitenaus (40.). Trainer Claus Schromm schritt unruhig gestikulierend an der Linie entlang. Und man mag es kaum glauben, aber bei einem schlecht ausgespielten Konter Mitte der zweiten Halbzeit waren von der Haupttribüne doch tatsächlich zwei, drei kurze Pfiffe zu hören. Man könnte also meinen, Rosenheim sei drauf und dran gewesen, dem Favoriten ein Bein zu stellen. Tatsächlich?

Nun ja, Unterhaching gewann das Spiel dann tatsächlich nur mit 4:0 (1:0).

Die Mannschaft hat einfach zu viele Stärken. Es müsste schon eine ganze Menge mehr schiefgehen als gegen den Aufsteiger, damit das Rennen um die Meisterschaft noch einmal halbwegs spannend werden könnte. Zumal die Hachinger den Vorsprung mittlerweile auf 16 Punkte ausgebaut haben. Der markanteste Unterschied zur Konkurrenz ist natürlich ein ehemaliger Zweitliga-Profi im Angriff. Stephan Hain wurde am Samstag von den Fans besonders gewürdigt. Die Südtribüne sang "Hain is on fire", in Anlehnung an die nordirischen Stadiongesänge während der EM in Frankreich ("Will Grigg's on Fire"). Der 28-Jährige umkurvte nach einem Slalomlauf auch noch 1860-Keeper Dominik Süßmaier und traf zum 1:0 (15.). In der 79. Minute erledigte er auch den Ergebnis-Schlusspunkt, als die Rosenheimer nur noch erschöpft hinterherliefen. Hain hat nun 18 Treffer erzielt, genauso viele wie alle Rosenheimer zusammen, jenes Team, dem Hachings Trainer Claus Schromm "richtig gute Qualität in der Offensive" bescheinigt. Tatsächlich: Wie schon im Hinspiel hätte Rosenheim in Führung gehen können, auch der Ausgleich lag kurz in der Luft. "Heute hatten wir auch ein bisschen Glück, mit dem sollten wir aber nicht lange spielen", gab Schromm zu bedenken. Es gibt also noch Dinge, die man im Training besprechen kann.

Selbst wenn den Gästen ein Tor gelungen wäre, könnte sich Unterhaching immer noch auf seine Physis verlassen. Man könne eben bis zum Schluss das Tempo halten, die meisten Gegner nicht, erläuterte Schromm. Wofür die Partie gegen Rosenheim ein Muster war. Kein Zufall also, dass der frisch eingewechselte Orestis Kiomourtzoglu in der 62. Minute per Nachschuss das 2:0 erzielte und in der Folge an mehreren guten Torraumszenen beteiligt war. Ebenso wenig, dass diesmal auch ein Außenverteidiger einen Treffer erzielte, wohlgemerkt nicht nach einem Standard, sondern aus dem Spiel heraus: Maximilian Bauer überraschte nach einem Querschläger recht abgezockt den Gästekeeper mit einem Flachschuss. "Ja, wir dürfen das", sagte der 21-Jährige über seine Ausflüge und jene von Linksverteidiger Max Dombrowka, der in der 43. Minute nach einer Traumkombination knapp verzogen hatte. "Durch unsere vielen Variationen in der Offensive ist es so, dass es einen Außenverteidiger auch mal nach vorne schwemmt", so Schromm. Quasi wie Treibgut. Im mentalen Bereich arbeite man auch daran, dass in so einem Moment der Außenverteidiger gar nicht mehr daran denkt, dass er eigentlich Außenverteidiger ist, "dann sind sie Torjäger". Bauer hatte vor knapp einem Jahr im DFB-Pokal gegen Bayer Leverkusen das viel umjubelte Führungstor geschossen (Haching verlor 1:3), seitdem aber kein Tor mehr erzielt. Wenn es nach Schromm geht, dürften die Abwehrspieler ruhig noch öfter den Abschluss suchen.

"Wir wollen das jetzt durchziehen", sagte Bauer, "es hilft ja nichts, das Gas rauszunehmen", erklärte der Youngster im Team. Haching plant also, bis zum Saisonende auf diesem Niveau weiterzuspielen - kein Nachlassen. Hierfür setzt sich die Mannschaft immer wieder kurzfristige Ziele, aktuell sagt Trainer Schromm, wolle man das Jahr 2016 ohne Heimniederlage in der Liga abschließen. Dabei steht nur noch ein Spiel an, in knapp drei Wochen gegen den FC Bayern München II. Unterdessen zeigt die Mannschaft zwar gelegentlich Unkonzentriertheiten, hebt aber nie ab und zollt dem Gegner stets freundlichen Respekt. Wie groß die Überlegenheit wirklich ist, macht ein Satz von Maximilian Bauer deutlich, den er eigentlich nur beiläufig einstreute: "Ich hoffe, dass der Knoten jetzt geplatzt ist." Was Außenverteidiger der SpVgg Unterhaching eben so sagen.

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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