Fußball-Regionalliga:Rollentausch auf engstem Raum

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Beschränkt weisungsbefugt: Für zunächst eine Partie wechselte Stand-by-Abwehrchef Michael Kokocinski vom Rasen in die Coachingzone. Ob er sich dort länger einrichten darf, weiß der 31-Jährige indes noch nicht. (Foto: Foto2Press/Imago)

1860 II gewinnt mit Interimscoach Kokocinski gegen Garching

Von Matthias Schmid, München

Nur einmal musste der Schiedsrichterassistent Michael Kokocinski freundlich, aber bestimmt darauf aufmerksam machen, dass er die Coachingzone nicht verlassen möge. Kokocinski entschuldigte sich höflich und verschränkte wieder die Arme hinter seinem Rücken, wie ein Professor beim Abendspaziergang. In dieser leicht gebückten Haltung hatte Kokocinski am Freitagabend nach seiner kurzfristigen Beförderung die meiste Zeit über seine erste Partie als verantwortlicher Trainer der U21 des TSV 1860 München verfolgt. Seine Premiere endete so, wie sich der 31-Jährige das erhofft hatte: mit einem 2:1 (0:0)-Sieg gegen Aufsteiger VfR Garching. "Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich mein erstes Spiel als Regionalliga-Trainer gewonnen habe", sagte er.

Der Rollentausch war nicht so einfach für Kokocinski. Bisher hatte er Daniel Bierofka assistiert und mitunter noch auf dem Rasen als Abwehrchef ausgeholfen. Der eingeschränkte Bewegungsradius an der Seitenlinie war ihm deshalb anfangs unangenehm. Dass er durchaus das Zeug hat zum Cheftrainer, bewies er in der zweiten Halbzeit bei seinen Einwechslungen. "Da habe ich ein glückliches Händchen bewiesen", lobte er sich selbst. Denn bevor er Felix Bachschmid und Moritz Heinrich nach einer Stunde beim Spielstand von 0:0 einwechselte, hatte er sich kurz überlegt, dafür unter anderem Nicholas Helmbrecht vom Feld zu nehmen. Doch Kokocinski entschied sich kurzerhand um. "Ein Bauchgefühl", wie er sagte. Sein Bauchgefühl begünstigte dann zwei Tore. Nicht einmal eine Minute später erzielte Helmbrecht mit einem herrlichen Distanzschuss in den Winkel die Führung, vier Minuten später ließ er aus kurzer Distanz das 2:0 folgen.

Dass anschließend trotz weiterer guter Möglichkeiten noch mal so etwas wie Hektik ins Spiel kam, lag an dem wunderbaren Freistoß von Florian de Prato drei Minuten vor dem Ende. Der Garchinger Mittelfeldspieler schnibbelte den Ball aus 28 Metern über die Mauer und Torhüter Maximilian Engl hinweg ins Netz - ein Traumtor, weil der Ball keinen Zentimeter zu niedrig und keinen Zentimeter zu hoch flog. "Ich hätte aber lieber ein Unentschieden mitgenommen als mein erstes Regionalligator zu erzielen", sagte de Prato anschließend traurig. Der 30-Jährige hat durch seinen Treffer nun in jeder Spielklasse - von der Kreisklasse bis zur Regionalliga - wenigstens einmal getroffen. Das konnte ihm aber genauso wenig ein Lächeln abringen wie seinem Trainer Daniel Weber die 32 Punkte, die seine Mannschaft nach 21 Spielen schon gesammelt hat. Nach der Niederlage im Grünwalder Stadion, der dritten nacheinander, war er "richtig angefressen", wie Weber bekannte. "Ich habe 1860 noch nie so schwach gesehen. Wir haben das Spiel dominiert und haben es dann wieder selbst verkackt, alle drei oder zumindest einen Punkt mitzunehmen." Webers recht saloppe Analyse traf zumindest für die erste Hälfte zu, in der die Garchinger das Spiel kontrollierten und durch Mario Staudigls Pfostentreffer die beste Chance hatten. Die Münchner kombinierten sich zwar bisweilen sehenswert durchs Mittelfeld, dass aber auch Torschüsse zum Spiel gehören, schien ihnen fremd zu sein. Erst mit Kokocinskis Einwechselungen kam mehr Wucht ins Spiel der Sechziger.

Dass er Trainer der Mannschaft bleibt, glaubt er selbst nicht. "Der Biero wird in der Winterpause zurückkommen", sagte Kokocinski. Als er aber vernahm, dass Löwen-Investor Hasan Ismaik nach der Entlassung von Kosta Runjaic andere Pläne für Daniel Bierofka hat, war er sich plötzlich unsicher. Bierofka soll nicht nur die Zweitligamannschaft als Interimstrainer stabilisieren, sondern danach auch dem noch zu findenden Chefcoach assistieren. Es ist wie so oft bei 1860: Niemand weiß, was der andere gerade so tut. Fest steht nur, dass Kokocinski die zweite Mannschaft in den nächsten zwei Wochen betreuen wird. So lange werden die Münchner in der spielfreien Zeit noch trainieren.

"Mir macht die Aufgabe großen Spaß", gab Kokocinski zu. Ob und wie es für ihn weitergehen könnte, vermochte er dann selbst nicht mehr so richtig zu beurteilen - und das liegt nicht nur daran, dass er erst noch die B-Lizenz erwerben muss. "Ich habe eine Firma nebenher und muss schauen, wie sich das alles miteinander vereinbaren lässt", betonte Kokocinski.

Daniel Weber hörte aufmerksam zu und fand bei so viel Chaos am Ende sogar sein Lächeln wieder. Er sagte fast versöhnlich: "Wir sind nur Amateure und trainieren ab sofort nicht mehr."

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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