Fußball-Regionalliga:Oberkatastrophenholperei

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Bisher hat Aufsteiger VfR Garching die Liga aufgemischt, nun geht den Amateuren allmählich der Dampf aus. Nach dem 1:8 gegen Unterhaching unterliegt das Team auch gegen Bayreuth 1:2 und hofft auf die Winterpause

Von Matthias Schmid, Garching

Daniel Weber setzte seine Tochter auf eine Mülltonne, um in Ruhe reden zu können. Doch so etwas wie Ruhe wollte sich in den Katakomben des Garchinger Seestadions nicht einstellen, seine Tochter babbelte, sie schaute und ruckelte. Also stellte der Cheftrainer des VfR Garching den kleinen Quengler wieder auf den Boden, von wo er sich gleich aufmachte zu neuen Abenteuern und irgendwann nicht mehr zu sehen und zu hören war. Weber machte sich auf die Suche nach seinem Kind und kam ohne seine Tochter zurück. "Sie ist in der Umkleidekabine, und der Co-Trainer passt auf sie auf", erzählte Weber mit einem beruhigten Lächeln.

Ähnlichen Bewegungsdrang und Entdeckergeist hätte sich Weber an diesem Tag auch von seinen Spielern gewünscht. Sie wirkten in der Regionalliga-Partie gegen die SpVgg Bayreuth seltsam ermattet, "viel zu passiv und fahrig", wie sich der 43-Jährige hinterher wunderte. Die 1:2-Niederlage war das folgerichtige Resultat am Samstagnachmittag. Für den Aufsteiger, der die Liga bisher so bemerkenswert aufgemischt und schon 32 Punkte gesammelt hat, bedeutete das die zweite Niederlage nacheinander. In der Vorwoche hatten die Garchinger gegen Tabellenführer Unterhaching 1:8 verloren.

"Die Niederlage heute hatte damit aber überhaupt nichts zu tun", versicherte Weber. Allerdings ließen die Körpersprache seiner Spieler und ihre Fehlpassquote in der ersten Hälfte einen anderen Schluss zu. Besonders nach dem frühen 0:1-Rückstand (14.) wirkten sie verunsichert, die Verteidiger spielten vor allem vorsichtig ihren Torhüter Daniel Maus an und auch im Mittelfeld waren kunstvolle Kombinationen eher die Ausnahme, sodass Kapitän Dennis Niebauer als zentraler Stürmer kaum einen Ball berührte. "Für den tiefen und schweren Boden war es in der ersten Hälfte aber ein sehr ordentliches Spiel von beiden Mannschaften", fand Weber und fügte hinzu: "Mit Chancen auf beiden Seiten." Es ist nicht überliefert, ob Garchings Trainer dabei auch die Tormöglichkeiten aus dem Abschlusstraining mitrechnete, denn objektiv betrachtet kam nur Bayreuth zu Gelegenheiten aus dem Spiel heraus. Als aufregendste Garchinger Szene blieb nach einer halben Stunde kein sehenswerter Spielzug, sondern nur ein hörenswerter Sprechgesang von Weber Richtung Schiedsrichter Michael Emmer hängen: "Emmi, wir spielen doch keine B-Jugend mehr!"

Allerdings kann der Sport im Allgemeinen und der Fußball im Besonderen die kuriosesten Geschichten schreiben. Eine solche war der gänzlich überraschende Ausgleich für den VfR in der 38. Minute. Nach einem Foulspiel am lauffreudigen Florian de Prato legte sich Daniel Suck 18 Meter vor dem Tor in halbrechter Position den Ball zurecht, er lief ein paar Meter an, er schoss, der Ball flog und landete unter gütiger Mithilfe von Bayreuths Torhüter Jonas Hempfling hinter die Linie. Es war ein Treffer, der sich nicht angedeutet hatte, wie ein Regenschauer aus heiterem Himmel. Die Bayreuther hätten höher führen können, wenn sie ihre Spielzüge präziser und konsequenter zu Ende gespielt hätten.

Nach dem Seitenwechsel änderte sich wenig. Einmal musste Garchings Georg Ball einen Schuss von Steffen Jainta von der Linie köpfeln (59.), ein anderes Mal spielte Patrick Weimer im Fünfmeterraum zu ungenau (72.). Und Garching? Kam nicht einmal zu einem Torschuss. "Oberkatastrophe" nannte Weber die Leistung seiner Spieler in der zweiten Hälfte. Seine Erklärungsansätze führten ihn zur Fitness. "Uns scheint allmählich die Luft auszugehen." Es war eine Erkenntnis, die den Trainer weder beunruhigte noch am Training zweifeln ließ. Dreimal in der Woche versammelt er seine Mannschaft zu Übungseinheiten, die Garchinger sind reine Amateure. "Auf diesem Niveau ist es ganz normal, dass wir am Jahresende ein paar Probleme bekommen." Hinzu kommt zu dieser Jahreszeit der holprige Rasen, der seinen Spielern im Training und im Spiel zu schaffen macht. Bezeichnend war da die Szene in der 76. Minute, als Torwart Maus im Strafraum über den Ball schlug. Dieser hatte davor einfach die Richtung geändert, weil sich ausgerissene Grasbüschel zu einem Hügel aufgetürmt hatten. Passiert ist allerdings nichts, weil der Gegenspieler vor dem leeren Tor ausrutschte. Es war Slapstick pur, wie eine Sequenz aus Dick und Doof. Später, beim Siegtreffer durch Kristian Böhnlein (80.) nach einem feinen Dribbling, war Maus ohne Chance.

Ein Spiel müssen die Garchinger in diesem Jahr noch überstehen, am Freitagabend beim TSV 1860 II. "Da wollen wir noch mal alles raushauen und was mitnehmen", sagte Daniel Weber, "ich mag solche Tage wie heute nämlich überhaupt nicht. Ich hasse es zu verlieren."

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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