Fußball-Regionalliga:"Habemus Derbysieg!"

Lesezeit: 4 min

"Hier regiert der TSV!" Die Löwen-Fans durften sich am Sonntag über eine starke Leistung ihrer Mannschaft freuen. (Foto: Johannes Simon)

1860 II gewinnt die Stadtmeisterschaft. Bayern-Coach Vogel vermisst eine Mentalitätsimpfung, ein Sechzig-Spieler bittet zum Interview auf Arabisch und die Polizei hat wenig zu beanstanden.

Von Gerhard Fischer und Christoph Leischwitz, München

Der Trainer des FC Bayern München II, Heiko Vogel, saß zwar als Verlierer in der Pressekonferenz, aber er redete, als wolle er doch noch etwas gewinnen: den Preis für das schönste Sprachbild an diesem Sonntag. Er hatte zunächst davon gesprochen, dass seiner Mannschaft beim 0:2 gegen 1860 II "die Galligkeit, die Besessenheit" gefehlt hatte; als er nach den Gründen gefragt wurde, lächelte er gequält und sagte: "Wenn man Mentalität einimpfen könnte, würde ich dafür sorgen, dass meine Mannschaft einmal pro Woche zur Mentalitätsimpfung geht." Außerdem würde es wohl auch nicht helfen, die Spieler vor dem Anpfiff "einen Liter Stierblut" trinken zu lassen.

Seine Elf jedenfalls hatte diese inoffizielle Münchner Stadtmeisterschaft erstaunlich emotionsarm abgeschenkt. Dabei hatten ihre Fans ein paar Stunden zuvor den Eindruck erweckt, als stünde wieder etwas ganz Heißes bevor: Um halb zwölf standen sich an der Kreuzung Candidstraße und Tegernseer Landstraße Bayern-Fans und Löwen-Anhänger gegenüber. Polizisten auf Pferden und zu Fuß trennten die beiden Lager. Böller krachten, Farbbeutel und faule Eier flogen, die Bayern-Fans sangen "Hier regiert der FCB!", die Löwen-Anhänger riefen "Kommt doch mal rüber zum TSV!" Nach 15 Minuten war der Spuk vorbei, die Polizei geleitete die Fans ins Stadion. Auf der Straße blieben zurück: Bierflaschen, blaue Farbe von den Beuteln und ein paar Passanten, die den Kopf schüttelten über das Halbstarken-Gehabe von manchen Fußballfans. Die Polizei hatte diesmal 400 Beamte im Einsatz, das waren weniger als in den vergangenen Jahren. Aber es war ausreichend, denn es passierte nichts Schlimmes. "Es blieb überwiegend ruhig", sagte eine Polizeisprecherin am späten Nachmittag.

Und noch eine Zahl war geringer als sonst: Bloß 5646 Zuschauer waren gekommen, unter ihnen der Trainer der Löwen-Profis, Vitor Pereira. Es dürfte ihm gefallen haben, was er sah: junge Sechziger mit Siegeswillen, die phasenweise in dem System spielten, das er auch bei den Zweitliga-Kickern eingeführt hat - im 3-4-3, das im Verteidigungsfall in ein 5-2-3 umgewandelt wird. Und Pereira sah einen, der sich in der Anfangsphase vom Abwehrspieler zum Stürmer verwandelte: Marin Pongracic. Er tauchte auf dem linken Flügel auf und überwand Keeper Leo Weinkauf zum 0:1 (11.). "Wir haben in der ersten Halbzeit viele Fehler gemacht", sagte Bayern-Trainer Vogel nach dem Spiel. Damit war wohl auch das Abwehrverhalten in dieser elften Minute gemeint. Seine Verteidiger hatten die rechte Seite, auf der Pongracic angesprintet kam, so offensichtlich gemieden, als lägen dort faule Eier auf dem Rasen.

Immerhin machte sein Team danach Druck, ein bisschen wenigstens. Aber es kam nichts dabei heraus als zwei harmlose Fernschüsse von Niklas Dorsch und Marco Hingerl. Wo blieb die Kreativität? Die Bayern-Fans, die sich in der Stehhalle befanden, waren da einfallsreicher: In Anspielung auf Löwen-Herrscher Hasan Ismaik hielten sie ein Spruchband hoch, auf dem stand: "Der Scheich ruft und seine Kamele folgen."

Ansonsten waren die Fans recht brav: Die Löwen sangen "Grünwalder Stadion", weil sie diese Spielstätte als naturgegeben für alle Sechzig-Mannschaften erachten, und die FCB-Fans riefen "Bayern-Amateure", was sich lustig anhörte, weil auch in der Regionalliga-Mannschaft mittlerweile lauter Profis spielen.

"Wir haben fast über unsere Verhältnisse gespielt", fand 1860-Trainer Bierofka

Nach der Pause fiel den Bayern-Amateure-Profis auch nicht viel mehr ein: einige Fernschüsse, bei denen sich wieder der drahtige Dorsch hervortat, ein paar Flanken, bei denen sich 1860-Torwart Engl hervortat, indem er sie herunter pflückte oder mit einem kräftigen Hieb zur Seite faustete. In der 59. Minute rückte dann Mohamad Awata kurz in den Mittelpunkt, jener syrische Flüchtling, der sein erstes Punktspiel für die Löwen von Anfang an bestritt. Awata, der sich sehr bemühte, aber noch nichts Zwingendes zustande bekam, legte sich den Ball zum Freistoß hin, ballerte ihn jedoch über das Tor. In der 74. Minute wurde er ausgewechselt, und nach dem Spiel hatte er in der Mixed Zone seinen besten Auftritt: Er könne nicht viel zum Spiel sagen, weil sein Deutsch noch nicht gut sei, erklärte er in recht gutem Deutsch. Okay, auf Englisch? "Auch nicht gut", sagte Awata und bot mit einem Lächeln an, das Interview auf Arabisch zu führen. Da fand sich dann kein Gesprächspartner. Im Gehen deutete er noch auf den Löwen auf seinem Trikot. Sollte wohl heißen: "Ich bin angekommen."

Seine Sechziger hatten das Spiel auch im zweiten Durchgang unter Kontrolle, und als Nicolas Andermatt nach einem Abwehrfehler der Bayern und dem energischen Nachsetzen von Moritz Heinrich per Abstauber das 0:2 erzielte (78.), war die einseitige Partie entschieden. Die 1860-Fans ließen in ihrer Kurve blauen und weißen Rauch aufstiegen, was wohl "Habemus Derbysieg!" bedeuten sollte, ihnen aber via Stadion-Durchsage einen Rüffel eintrug.

Löwen-Trainer Daniel Bierofka sagte hernach, seine Mannschaft habe "ein richtig gutes Spiel gemacht". Sie hätte mit Kopf und Herz gekickt und dabei die taktische Disziplin nie vergessen. Seine Bilanz gegen Heiko Vogel, der die Bayern zum Saisonende bekanntlich verlässt, fällt überaus positiv aus: zwei Siege und zwei Remis stehen für ihn zu Buche. Den Bayern ist in diesen Partien kein einziges Tor gelungen.

"Wir haben fast über unsere Verhältnisse gespielt", fand Bierofka. Er habe seinen Spielern zuvor Leidensfähigkeit eingebläut und sie mit Individual-Analysen der Gegner eine Woche lang vorbereitet. Die Partie lief für ihn über weite Strecken nach Plan: Während die eigenen Mannen das gepflegte, oft langwierige Bayern-Spiel ins Leere laufen ließen, glänzten sie selbst mit schnellem Konterspiel und gefährlichen Abschlüssen. Angelo Mayer hätte nur sechs Minuten nach seiner Einwechslung schon das 2:0 erzielen können, verzog aber knapp (64.).

György Hursan vom TSV 1860 II (links) und Torsten Oehrl vom FC Bayern II im Zweikampf. (Foto: Johannes Simon)

Bayern-Coach Vogel beantwortete am Schluss noch die Frage nach dem geringen Zuschauerinteresse. "Vielleicht sind einige bei diesem schönen Wetter in die Berge gegangen", sagte er. Und murmelte fast tonlos, er hätte das wohl auch gemacht, wenn er nicht als Trainer unabkömmlich gewesen wäre.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: