Fußball-Regionalliga:Gute Zeiten

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Sascha Bigalke galt mal als eines der größten Talente des deutschen Fußballs. In Unterhaching blüht er einmal mehr auf

Von Stefan Galler, München

Er hat, wie er selbst sagt, ein "gespaltenes Verhältnis" zu den Medien. Das rührt aus der Zeit, als Sascha Bigalke in seiner Heimatstadt Berlin und in Köln für die Hertha und den FC gespielt hat. "Die Boulevardzeitungen dort mussten sich immer gegenseitig übertreffen in ihren Geschichten", sagt er. Das habe ihn genervt. Deshalb sei er auch bei der SpVgg Unterhaching, der er sich im vergangenen Winter zum bereits dritten Mal angeschlossen hat, nie offensiv auf die Presse zugegangen. Ganz im Gegenteil. Nach Schlusspfiff, wenn die Journalisten in der Mixed Zone warten, macht sich Bigalke, 1,67 Meter, noch ein bisschen kleiner. "Ich mag das nicht, mich jede Woche hinzustellen und rumzutönen, wie toll ich bin." Andererseits wolle er auch nicht arrogant wirken, weshalb er zuletzt halt doch mal mit den Reportern redete, nachdem er bei Hachings 5:0-Sieg in der Fußball-Regionalliga gegen Illertissen drei Tore erzielt hatte. Aber lieber trifft er sich zum Einzelinterview. "Da kann man besser klarmachen, um was es einem geht. Das ist mir wichtig."

Grundsätzlich hält sich das öffentliche Interesse an einem Viertligisten in Grenzen. Aber Haching ist in dieser Saison auf dem besten Weg, nicht nur auf sich aufmerksam zu machen, sondern Maßstäbe zu setzen. Nach dem Startrekord mit neun Siegen ließ die Spielvereinigung beim 0:0 in Seligenporten am Freitag erstmals Punkte liegen. Und doch könnte der Vorort-Klub mit einem Sieg im Nachholspiel an diesem Dienstag (19 Uhr) beim FC Bayern II bereits einen Riesenschritt in Richtung Meisterschaft machen. "Ich denke schon, dass wir aktuell der stärkste Regionalligist aller fünf Staffeln in Deutschland sind", sagt Bigalke. Dass das in hohem Maße mit seiner Leistung zusammenhängt, ist dem 26-Jährigen bewusst. Dennoch nennt er die "Mischung in der Mannschaft" als Hauptgrund für die Erfolgsserie. "Es sind Erfahrene im Team, die sich aber nicht zu schade sind, auch mal auf der Bank zu sitzen. Und dann gibt es einige starke jüngere Spieler, die lernwillig sind." Die dritte Gruppe seien jene, "die für diese Liga eigentlich zu gut sind". Klar, wen er damit meint: Stürmer Stephan Hain, Defensiv-Allrounder Dominik Stahl - und sich selbst.

Bigalkes Saisonbilanz ist atemraubend: In zehn Spielen hat er sieben Tore erzielt und elf weitere vorbereitet - macht fast zwei Scorerpunkte pro Partie. Plötzlich kreuzt Trainer Claus Schromm am Tisch auf und frotzelt: "Gibt es nicht irgendetwas Negatives, das man über Sascha schreiben könnte?" Nicht dass gleich wieder zu viele Interessenten den semmelblonden Offensivspieler umschwirren. Schromm und Präsident Manfred Schwabl wollen ihren Kader zusammenhalten, das ist klar. Und so hat der Klubchef seinem Schlüsselspieler im Frühjahr einen "unverschämt guten" (Bigalke) Fünfjahresvertrag angeboten. "Er hat mir totale Lust darauf gemacht, Teil dieses Projekts zu sein", sagt der filigrane Techniker. Lust darauf, beim früheren Erstligisten etwas mit aufzubauen. Die Entwicklung müsse ja nicht mit der Rückkehr in die dritte Liga enden. "Warum sollte es uns nicht gelingen, wie Würzburg zweimal hintereinander aufzusteigen?", fragt Bigalke. "Aber das geht natürlich nur, wenn die Mannschaft zusammenbleibt."

Er selbst kann zumindest vorerst seinen Trainer beruhigen: "Im Winter werde ich mich mit keinerlei Angeboten beschäftigen." Im Sommer werde man dann sehen, was passiert. Allerdings würde er sich keineswegs jedem beliebigen Zweitligisten anschließen: "Der Spielstil muss passen, und es muss eine Sympathie zum Klub da sein." Dem FC St. Pauli etwa könnte er nicht widerstehen, gibt Bigalke zu.

Doch das sei derzeit alles kein Thema. Er fühle sich wohl in Haching, auch weil er als Assistenzcoach der U 16 ins Vereinsgefüge eingebunden wird und nebenher die ersten Schritte seiner Trainerausbildung machen kann. Und dann ist er neuerdings auch noch als "Fernsehexperte" unterwegs, beim neuen Sport-Streaming-Dienstleister DAZN, der unter anderem die englische Premier League und die spanische Primera Division im Internet zeigt und sich selbst als "Netflix des Sports" anpreist. "Das macht viel Spaß", sagt Bigalke.

Demnächst zieht dann auch noch seine Verlobte, Schauspielerin Nadine Menz, fest zu ihm. Sie arbeitet als Darstellerin in der Fernsehserie Gute Zeiten, schlechte Zeiten in Berlin, weshalb beide zuletzt ständig pendelten. "Von November an haben wir eine gemeinsame Wohnung, noch steht nicht genau fest, wann sie nach München zieht."

Es läuft bei Sascha Bigalke, doch das war nicht immer so. Einst galt er als eines der größten Talente im deutschen Fußball, trug in verschiedenen Altersklassen 47 Mal den Adler auf der Brust, wurde 2007 mit der U17-Nationalelf in Südkorea WM-Zweiter - und teilte sich damals ein Zimmer mit Toni Kroos. "Ein super Typ mit trockenem Humor", sagt Bigalke über den Weltmeister. Noch heute schreibe er ihm eine SMS, "wenn er dann doch mal was gewinnt" - und Kroos antworte jedes Mal. "Wahnsinn, was er erreicht hat. Und dabei ist er total normal geblieben."

Auch Sascha Bigalke hätte eine solche Karriere machen können. Doch schon in jungen Jahren bei Hertha BSC erlitt er drei Mittelfußbrüche. Er ging nach Haching, wechselte nach einer starken Drittligasaison zum 1. FC Köln, feierte mit Trainer Peter Stöger die Zweitligameisterschaft - und erlitt in der Vorbereitung auf die Bundesliga einen Kreuzbandriss. Leider habe der Verein dann nicht mit offenen Karten gespielt, sagt Bigalke: "Keiner von den Verantwortlichen hat mir gesagt, dass ich mir besser einen neuen Verein suchen soll." Sein Vertrag wurde aufgelöst.

Im Sommer 2014 kehrte Bigalke nach Haching zurück. Mit dem damaligen Trainer Christian Ziege wurde er nie recht warm, "es lief so lala", sagt er. Im November folgte der nächste Kreuzbandriss, danach war er vereinslos. "Da habe ich kurz überlegt, etwas anderes zu machen, aber das Problem war nachvollziehbar: ein aufgelöstes Implantat im Knie. Ich hatte einfach Pech", sagt Bigalke. Er nahm sich Zeit für die Reha, meldete sich im Januar 2016 gesund und hielt sich bei der SpVgg fit.

Nun also das dritte Engagement. Wenn es nach Schromm und Schwabl geht, wird es das längste werden.

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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