Fußball-Regionalliga:Garchinger Hitze

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Der dezimierte VfR erkämpft sich gegen den FC Bayern II einen überraschenden 1:0-Sieg. Die Münchner fallen auf Rang drei zurück, der Aufsteiger findet sich auf dem sechsten Platz in der Regionalliga wieder

Von Christoph Leischwitz, Garching

Das einzige Tor des Spiels passte gut zum Wetter: ein trockener Schuss, der den Torwart auf dem falschen Fuß erwischte. Der lag dann für einen kurzen Moment am Boden und blinzelte verstört in die Sonne, als ob er die Sonnencreme vergessen hätte. Mike Niebauer hatte Andreas Rössl überwunden, der Außenseiter VfR Garching hatte gegen den Favoriten FC Bayern II in der 65. Minute die Führung erzielt. Dabei blieb es, auch weil danach auch nicht mehr allzu viel vom Favoriten kam. Garchings Trainer Daniel Weber sprach hernach von einem "Bravourstück" seiner Mannschaft, er ziehe seinen Hut. Für seinen Trainerkollegen Heiko Vogel hingegen war es "ein gebrauchter Tag". Und das bei dem Wetter.

Es war nicht einfach nur ein überraschender Sieg gewesen, sondern auch einer, der aller Fußballlogik widersprach. "Ich hatte 14 gesunde Spieler zur Verfügung", sagte Weber nach dem Spiel, und eigentlich stimmte nicht einmal das: Torwart Daniel Maus spielte mit einer entzündeten Zahnwurzel und wurde in der Nacht auf Samstag noch von Schüttelfrost geplagt. Und Alexander Rojek, der in der 78. Minute eingewechselt worden war, musste aus Erschöpfung in der Nachspielzeit wieder vom Feld genommen werden; er lief auf, obwohl er zurzeit Antibiotika einnimmt. Wegen der Personalnot spielten mehrere Akteure auf ihnen fremden Positionen, und das auch noch in einem ungewohnten 5-3-2-System. Trotzdem gelang es, den Bayern die Spielfreude zu nehmen. "Wir haben wirklich alles rausgehauen. Das macht uns ja gerade so stark, dass wir sagen: Jetzt erst recht", so der Torschütze Mike Niebauer. Sozusagen oben drauf bekamen sie ja auch noch die Mittagshitze - der VfR Garching trägt nun seine Heimspiele um 13 Uhr statt um 14 Uhr aus.

Mit aller Macht: Garchings Kapitän Dennis Niebauer (oben) überspringt FC-Bayern-Amateur Tim Häußler. (Foto: Claus Schunk)

Der Favorit hatte seine beste Phase ausgerechnet Mitte der zweiten Halbzeit gehabt, sie wurde vom Gegentor beendet. Milos Pantovic hatte die Garchinger Abwehr noch am meisten beschäftigt, bezeichnender Weise war es dann aber der gefährlichste Spieler, der nach 77 Minuten raus musste. Die Profimannschaft der Bayern hatte nämlich mindestens im gleichen Maß wie das Amateurteam mit der Kondition zu kämpfen. "Wir haben meteorologisch gesehen hier zur Primetime gespielt. Und man hat uns angemerkt, dass wir am Dienstag ein intensives Spiel hatten", sagte Trainer Heiko Vogel über das beschwerliche 2:2 gegen Wacker Burghausen.

Umgekehrt habe er in dieser Saison noch keinen Gegner erlebt, der gegen Bayern nicht "die letzten Körner rausgehauen" habe - insofern sei auch seine Mannschaft gegen clever spielende Garchinger an ihre Leistungsgrenzen gekommen.

Das war die offizielle Erklärung. Die etwas weniger offizielle war schon während der Partie herauszuhören gewesen, wenn Vogel seinen Spielern Anweisungen zurief. Nein, man müsse beim Fußball ja nicht aufs Tor schießen, sagte er mit sarkastischem Unterton. Die Harmlosigkeit im sogenannten letzten Drittel, also vor dem gegnerischen Tor, hatte Vogel in den vergangenen Wochen aber auch schon mehrmals öffentlich kritisiert. Dabei fehlen ihm derzeit lange nicht so viele Spieler wie etwa den Garchingern. Lediglich die Premiere von Torsten Oehrl im Bayern-Trikot lässt immer noch auf sich warten. Der 30-jährige ehemalige Bundesliga-Profi fehlt seit der Vorbereitung wegen einem Bänderanriss. "Es wird noch dauern", sagt Vogel über Oehrls Einsatzfähigkeit.

Auch Münchens Raphael Obermair (li.) kann das Siegtor von Mike Niebauer nicht verhindern. (Foto: Claus Schunk)

Es war einer der erfahrensten Bayern-Spieler, der den entscheidenden Fehler beging. Nicolas Feldhahn verlor im Spielaufbau auf der linken Seite den Ball gegen Dennis Niebauer, der davonspurtete und in der Mitte seinen frei stehenden Bruder perfekt bediente. In einer insgesamt chancenarmen Partie hatte dieser eine Fehler den Ausschlag gegeben. Feldhahn hatte wenige Minuten zuvor mit einem Kopfball die beste Bayern-Chance des Spiels gehabt (63.). "Er darf auch einmal patzen", fand Vogel, dank Feldhahn habe man auch schon viele Spiele gewonnen.

Die jungen Bayern sind nun auf den dritten Tabellenplatz abgerutscht, Garching steht auf Rang sechs. "Vielleicht hätten die Bayern gegen Burghausen die Schlagzahl noch einmal erhöht, gegen uns haben sie vielleicht gedacht: Wir kriegen das auch so noch hin", sagte VfR-Coach Weber. Mit anderen Worten: Der VfR wird vielleicht immer noch unterschätzt. Ein Erfolgsgeheimnis ist, dass die Mannschaft Freude daran findet, sich komplett zu verausgaben. "Diese Saison macht einfach unglaublich Spaß", sagte Mike Niebauer, zehn Minuten nach dem Spiel, tief atmend und mit schweißüberströmtem Gesicht.

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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