Fußball-Regionalliga:Chaka!

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Der TSV 1860 München II besiegt Augsburg II mit 1:0, weil Zugang Ngu'Ewodo ein frühes Tor erzielt. Die kleinen Löwen von Trainer Daniel Bierofka eilen seit der Winterpause von Sieg zu Sieg und bleiben dabei auch noch ohne Gegentore.

Von Gerhard Fischer, München

Kann ein Fußballspiel schon in der zweiten Minute entschieden sein? Bei der Partie zwischen dem TSV 1860 München II und dem FC Augsburg II geschah 120 Sekunden nach dem Anstoß Folgendes: Christian Köppel beförderte einen Eckball in den Augsburger Strafraum, sein Schuss war eher butterweich als wuchtig. Fünf Meter vor dem Tor bildeten die Verteidiger einen großzügigen Kreis um Menelik Ngu'Ewodo - ganz so, als wollten sie ein Kunststück des 1860-Stürmers bestaunen, zum Beispiel einen Fallrückzieher mit angeschlossenem Rittberger. Ngu'Ewodo, den alle "Chaka" rufen, nahm Köppels Hereingabe auf und schoss den Ball mit der Innenseite des rechten Fußes in den linken Winkel. Das war kein Kunststück, sondern solides Handwerk. FCA-Torwart Ioannis Gelios bewegte sich nicht, er schaute dem Ball bloß hinterher.

Und FCA-Trainer Christian Wörns stellte nachher fest, man habe "das Spiel in der zweiten Minute verloren".

Es gibt keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrates, kein vatikanisches Konzil und kein Urteil am Europäischen Gerichtshof, die besagen würden, das Schießen eines eigenen Tores nach einem 0:1-Rückstand sei verboten; der FCA hatte also noch 88 Minuten Zeit, das Spiel zu drehen. Aber Wörns, der Ex-Profi, empfand es halt so.

Es war das erste Spiel der Löwen nach dem Sieg gegen den FC Bayern, der vor 5646 Besuchern im Stadion und vor 480 000 Zuschauern im Sport-Fernsehen errungen wurde; dazu hatte die Sonne über Giesing gestrahlt. Eine Woche später sah alles nach Alltag aus: Der Himmel war grau, es regnete und stürmte, und im Stadion dominierte kein blaues und rotes Farbengemisch, sondern das Grau der Sitzschalen, denn viele waren diesmal leer geblieben. Nur 460 Fans waren gekommen. Das lag sicher am Wetter, aber auch daran, dass eine zweite Mannschaft weniger Zuschauer nach München mitbringt als etwa ein Traditionsverein wie die SpVgg Bayreuth oder Schweinfurt 05.

Die große Frage war: Wie würden sich die Löwen motivieren können? In der ersten Halbzeit spielten sie, als ginge es wieder gegen die Bayern: konzentriert, bissig, mit einer guten Ordnung und einem Pressing, das die Augsburger sicher als so angenehm empfanden wie Sprühregen im Sommerurlaub. Bloß die Torchancen fehlten. "Die könnten die Windunterstützung besser nutzen", sagte Fußball-Abteilungsleiter Roman Beer auf der Tribüne. Zweimal versuchte es Köppel mit Freistößen aus großer Distanz, beide gingen weit drüber - der zweite hätte mit ein bisschen Aufwind auch auf der Tegernseer Landstraße landen können. Auf der anderen Seite machte Löwen-Keeper Max Engl die spärlichen Chancen der Gäste zunichte.

Trainer Bierofka lobte seine Abwehr: "Weber, Pongracic und Hursan standen wie eine Wand."

Nach der Pause ließ die Konzentration bei den Löwen nach. Da spielte György Hursan einen schlampigen Pass und verdaddelte damit die Möglichkeit auf einen schnellen Gegenstoß; da ließ sich Christian Köppel die Kugel vom Fuß stibitzen, weil er nicht bemerkte, dass er verfolgt wurde; und da spielte Marin Pongracic einen Fehlpass in der eigenen Hälfte, der bloß deshalb nicht zum Ausgleich führte, weil Duman aus 16 Metern verzog. Der FCA? Dominierte die zweite Halbzeit, spielte nicht übel, aber auch "nicht zwingend", wie man so schön sagt. Zudem überzeugte erneut das Deckungszentrum der Löwen. "Weber, Hursan und Pongracic standen da wie eine Wand", sagte Trainer Daniel Bierofka.

Torschütze Chaka Ngu'Ewodo sagte hernach, er habe vor seinem Treffer nicht viel nachgedacht - er wollte den Ball "nur gegen die Laufrichtung des Torwarts schießen". Alles andere sei Instinkt gewesen. Also fast gerdmüllerhaft.

Ngu'Ewodo, der im Winter vom Bayernligisten Pullach gekommen war, machte damit sein erstes Pflichtspieltor für 1860. In seinem ersten Interview war er bescheiden. "Ich lerne hier jeden Tag", sagte er.

Trainer Bierofka meinte fast seppherbergerhaft, das nächste Spiel nach einem Derby sei immer das schwerste. "Wir haben da viele Körner gelassen - auch im mentalen Bereich." Er könne die Mannschaft verstehen, dass sie ihre Tugenden diesmal nicht zu 100 Prozent auf den Platz bringen konnte. "Der Tank war leer." Der Sieg sei glücklich gewesen.

Immerhin, 1860 hat alle Spiele in diesem Jahr gewonnen und kein Tor kassiert - 1:0 in Memmingen, 2:0 gegen Bayern, 1:0 gegen Augsburg. Das kann man schon mal bestaunen.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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