Fußball-Regionalliga:Brav wie ein Fähnlein Pfadfinder

Lesezeit: 2 min

"Wir treffen zu oft die falschen Entscheidungen": Andreas Scheidl vergab aus fünf Metern die größte Chance für die Löwen. (Foto: Imago)

1860 II lässt sich in Schweinfurt in der Nachspielzeit übertölpeln

Von Matthias Schmid, München

An Niederlagen kann und will sich Daniel Bierofka auch mit 36 Jahren nicht gewöhnen. Unmittelbar nach dem Spiel beim 1. FC Schweinfurt war er über den Platz des Stadions geschlurft, seine Gestik und Mimik, eigentlich jede Faser seines Körpers, signalisierte: Bitte nicht ansprechen. Wer es doch tat, bekam seinen Ärger über den Gegentreffer in der zweiten Minute der Nachspielzeit zu spüren. "Wir haben gespielt wie eine Jugendmannschaft", schimpfte der Trainer des Regionalligisten TSV 1860 München II.

Am Tag nach der 0:1 (0:0)-Niederlage hatte sich Bierofka wieder beruhigt, nach einer Nacht "betrachtet man die Dinge wieder emotionsloser", sagt der ehemalige Profi. Kritisch gegenüber seiner Mannschaft, die am Freitagabend knapp den Altersdurchschnitt von 20 Jahren überschritt, äußerte er sich nach wie vor. "Wir haben noch immer genügend Momente im Spiel, in denen wir uns nicht clever genug anstellen", hadert Bierofka. Die Niederlage in Schweinfurt war bereits die zweite nacheinander, zum zweiten Mal blieben seine Spieler ohne Torerfolg. Das Alter und die damit verbundene Unerfahrenheit im Strafraum will er nicht als mildernde Umstände gelten lassen. "Das ist keine Frage des Alters, sondern ob ich mich im Strafraum unbedingt im Eins-gegen-eins durchsetzen möchte", betonte Bierofka.

Bis zum Strafraum war das Spiel seiner Mannschaft wieder sehr ansehnlich gewesen. Die Münchner kombinierten sich durchs Mittelfeld, schnell und schnörkellos, sodass Schweinfurts Trainer Gerd Klaus lobend feststellte, dass die "Sechziger mit den Bayern das beste Nachwuchsteam der Liga sind". Doch sobald sich die Münchner dem Tor von Christopher Pfeiffer näherten, war es mit der spielerischen Herrlichkeit vorbei. Plötzlich war da ein Abspiel zu viel, ein Haken, ein unsauberer Pass. Oder es kam nur ein Schüsschen heraus wie in der 45. Minute von Richard Neudecker. "Uns fehlt im Abschluss die nötige Konsequenz", findet Bierofka. Da sich die Schweinfurter ähnlich umständlich anstellten und 1860-Torhüter Michael Netolitzky mit dem Fuß einen Schuss von Kevin Frey abwehrte (43.), gingen beide Mannschaften mit einem 0:0 in die Kabinen.

Nach dem Seitenwechsel änderte sich nicht viel am Charakter des Spiels, sowohl Schweinfurt als auch München spielten im gegnerischen Strafraum brav und zuvorkommend wie ein Fähnlein Pfadfinder. Bis zur 70. Minute. Dann schickte Schiedsrichter Roman Potemkin Emanuel Taffertshofer mit einer gelb-roten Karte vom Rasen, nachdem sich der Sechziger in eine kleine Rangelei mit Marino Müller gestürzt hatte. "Dadurch haben wir uns selber geschwächt", ärgerte sich Bierofka. Der Platzverweis ärgerte ihn umso mehr, da er seine Spieler davor gewarnt hatte, sich von den Schweinfurtern provozieren zu lassen. "Das darf Emanuel deshalb einfach nicht passieren." Die Hinausstellung befreite die Teams allerdings von ihren taktischen Fesseln, plötzlich boten sich zahlreiche Torgelegenheiten. 1860-Torhüter Netolitzky parierte einen Schweinfurter Kopfball (74.) mit den Fäusten, ehe die Münchner im Gegenzug zu ihrer besten Chance kamen. Noch am Tag danach konnte es Bierofka nicht glauben, dass es Andreas Scheidl nach einem Schuss von Nico Karger fertigbrachte, mit dem Abpraller aus fünf Metern ausgerechnet den einzigen Schweinfurter zu treffen, der noch auf der Linie stand. "Wir treffen zu oft die falsche Entscheidung", sagte Bierofka. Das war freundlich formuliert für einen Ball, den er früher vermutlich mit verbundenen Augen über die Linie bugsiert hätte. So kam es wie es oft kommt in einem Fußballspiel, bei dem ein Team beste Chancen vergibt: Schweinfurt schoss in der Nachspielzeit durch den eingewechselten Müller den Siegtreffer.

Allzu lang will sich Bierofka damit freilich nicht aufhalten: "Ich vertraue meinen Spielern und bin davon überzeugt, dass wir bald wieder unsere ordentliche Trainingsarbeit auch im Spiel umsetzen werden." An Niederlagen will er sich erst gar nicht gewöhnen.

© SZ vom 14.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: