Fußball-Regionalliga:Blauer Wahnsinn

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Sechzig eilt von Sieg zu Sieg, alle flippen total aus, während sich Trainer Bierofka weiterhin in Zurückhaltung übt und Fehler gnadenlos anspricht.

Von Sebastian Leisgang, München

Sascha Mölders fuchtelte mit seinen Händen durch die Luft, als wolle er eine lästige Stubenfliege vertreiben. "Die singen da! Und da! Da hinten!", schwärmte der Angreifer des TSV 1860 München voller Verve, deutete auf die Haupttribüne und fügte an: "Und hier sogar!" Was er den Journalisten an diesem späten Donnerstagabend gestenreich zu erklären suchte: "Ich kann das gar nicht beschreiben, das war einfach Wahnsinn. Die Stimmung kann man nicht vergleichen mit letzter Saison in der Arena." Wenig später verabschiedete er sich - nach einem aufregenden Spiel, nach dem der Anhang der Löwen den Doppeltorschützen mit vehementem Beifall und Sprechchören in die Nacht entlassen hatte.

Mit diesem 5:0 gegen den FV Illertissen hatte der TSV 1860 erstmals in dieser Saison seine Macht demonstriert. Keinen Sieg fuhr die Mannschaft bislang derart rauschhaft ein. Linksverteidiger Christian Köppel sprach von einem Festtag, Mölders vom stimmungsvollsten Auftritt und Trainer Daniel Bierofka von der bislang besten Saisonleistung.

Wer seinen Donnerstagabend an der Grünwalder Straße verbracht hatte, der wurde im Abendrot auf Giesings Höhen den Eindruck nicht los, dass Sechzig in dieser Stunde vielleicht seine Wiedergeburt zelebrierte. In der zweiten Halbzeit schwappte die Welle minutenlang durchs weite Rund, nach dem Spiel feierte die Elf ausgelassen auf dem Zaun und die Fans skandierten: "Der TSV ist wieder da!"

Unter all diesen Eindrücken verursachte Bierofka nach dem Spiel ein wenig Stirnrunzeln, als er vor den Journalisten klarstellte: "Ich werde die Sachen aufzeigen, die nicht so gut waren. Wir werden unsere Lehren aus dem Spiel ziehen." Man konnte nun auf die Idee kommen, dass Bierofka hierzu das Haar in der Giesinger Festtagsbrühe suchen müsse. Wer seinen Einlassungen aber aufmerksam folgte, der merkte: Er meinte es ernst.

Es sei nun seine Aufgabe, erklärte Bierofka, dafür zu sorgen, dass die Erfolge seinen Spielern nicht den Blick vernebeln. Tatsächlich ist er nun gefordert, die Spannung auch nach sechs Siegen in sieben Partien hochzuhalten. Irgendwann wird auch bei den Löwen der triste Alltag einkehren. Und dann muss Bierofka sicherstellen, dass sein Team ebenso konsequent auftritt wie gegen Illertissen - und sich die Spieler im Gefühl der Überlegenheit nicht zurücklehnen. Für Bierofka ist dies eine heikle Aufgabe, dürften all seine Warnungen vom Umfeld doch als Plattitüden abgetan werden.

Als nach dem Spiel die Frage aufkam, ob es nicht zu viel der Euphorie sei, den Sieg einmal mehr auf dem Zaun zu feiern, verneinte Bierofka dies. Dann fügte er mit beißender Ironie an: "Ich bin total die Partykanone. Ich bin jetzt die ganze Zeit unterwegs."

© SZ vom 19.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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