Fußball:Rätsel im Bermuda-Dreieck

Lesezeit: 3 min

Zwischen Kreis- und C-Klasse verschwinden viele Dinge spurlos: Tore. Rote Karten. Echte Profis. Ganze Mannschaften

Gerade in den untersten Amateurklassen haben es Fußball-Schiedsrichter besonders schwer - fernab der Öffentlichkeit, ohne Linienrichter, oft ohne funktionierenden Ordnungsdienst. Andererseits bedingt es ihr Leistungssystem, dass in diesen Klassen, vorsichtig gesagt, auch eher selten Felix Brych oder Wolfgang Stark anzutreffen sind. Nur zwei Gründe, wieso es hier besonders oft zu kuriosen Begebenheiten kommt. Eine Auswahl aus den zurückliegenden Monaten.

Ein Trend wird geboren

Mochte sein, dass es warm war Anfang Juni. Mochte auch sein, dass die Anhänger der AEG Dachau im Relegationsrückspiel gegen Grüne Heide Ismaning (1:3) nicht mit jedem Pfiff des Unparteiischen uneingeschränkt einverstanden waren. Und ja, ganz sicher gab es in der Geschichte des Fußballs schlimmere Arten der Selbstjustiz. Dennoch war es nicht in Ordnung, was ein 18-jähriger AEG-Fan nach Abpfiff tat: Er übergoss den Schiedsrichter Ben-Erik Salb mit einem Eimer Wasser. Wenige Wochen später kam die Ice-Bucket-Challenge in Umlauf, bei der sich unzählige Menschen freiwillig einer solchen Tortur unterzogen, womöglich hat diese Aktion ja sogar in Dachau ihren Anfang genommen. Doch all das nutzte dem Teenager nichts: Sein griechischer Verein erteilte ihm für ein Jahr Hausverbot.

Tapfere Phantom-Elf

Abpfiff der Partie FC Español II gegen MSV München III. Die Spanier verlassen erschöpft den Platz, die Gäste bleiben drauf. Wieso? Es folgt die Partie FC Español I gegen MSV II, und die Elf ist wild entschlossen, auch diese in selber Aufstellung zu bestreiten. Sie hätten das schon oft gemacht. Erst als sie hören, dass es dafür Strafen geben und ein Sieg überdies gar nicht gewertet werden würde, geben sie auf. Der MSV III wurde kurz darauf vom Spielbetrieb abgemeldet.

Einfach mal laufen lassen

Hand aufs Herz: Nicht immer macht die Schiedsrichterei Spaß. Wer stellt sich schon gerne verkatert in den Regen, um eine B-Jugend-Partie zu pfeifen? Eben. Etwa mit diesen Worten soll der Unparteiische den Trainern von SV Schwarz-Weiß München und FC Unterbiberg Hallo gesagt haben, woraufhin er tatsächlich selbst bei offensichtlichen Fouls auf den Gebrauch seiner Pfeife verzichtete. Schwarz-Weiß gewann 2:1. Wieso der Schiedsrichter ein 2:0 meldete? Den Anschlusstreffer hatte er nicht mitbekommen. Er hatte den Platz für einige Minuten verlassen, um mit einem Bekannten zu plauschen. Die Partie lief weiter.

Auffallend überqualifiziert

Grundsätzlich besitzt jeder Mensch das Recht an seinem eigenen Bild, Paparazzi hin oder her. Dass wegen ein paar Fotos Anfang September aber gleich eine ganze Fußballmannschaft Reißaus nahm, hatte andere Gründe. Fotografiert wurde ein Spieler des TSV München 1954, der dem Gegner aufgefallen war. Positiv aufgefallen. Der Mann wirbelte, was das Zeug hielt - in einer C-Klasse! Als die Gegner stutzig wurden und ihn fotografieren ließen, ließ sich der Unbekannte sofort auswechseln und türmte. Es kam zu Tumulten, fast sein gesamtes Team verließ nun den Platz. Grund: Anhand der Fotos ließ sich der Wunderspieler als Angelo Hauk identifizieren. Hauk, gerade auf Vereinssuche, hatte zuvor beim Drittligisten Burghausen gespielt und war offenbar mit fremdem Pass angetreten.

War da was?

Rote Karten sind ein prima Erziehungsmittel. Mit ihnen kann man Spieler vom Platz stellen, ihnen droht eine Sperre. Vorausgesetzt, jemand bekommt die Platzverweise mit. Mindestens vier Schiedsrichter haben in der Vorrunde darauf verzichtet, rote Karten im Spielbericht einzutragen. Erziehung ohne Konsequenz ist schwierig.

Gefahren im Dschungel

Es hätte ein schöner Feierabendkick werden können: Freitagabend, Kreisklasse der Senioren C, die SG Grafing-Ebersberg-Kirchseeon empfing den FC Aschheim. Oder besser: Hätte gerne empfangen. Was fehlte, war der Schiedsrichter. Der nämlich kämpfte sich tapfer durchs Unterholz, einen 800 Meter langen "losen, rutschigen, kurvigen" Schotterweg entlang, wie er später berichten sollte, vom Gymnasium zum Kunstrasenplatz. Dortselbst fand er keine Umkleide vor, nur eine Art halb offenes Kabuff; die nächste Kabine, so bekam er mitgeteilt, befinde sich am Hauptplatz. Der aber sei zwei Kilometer entfernt, empörte sich der tapfere Mann, weshalb er sich weigerte, die Partie zu leiten - und sich stattdessen schimpfend auf den Rückweg zum Auto machte. Quer durch oberbayerische Wildnis, "den steilen, gefährlichen, fast dunklen Weg zurück". So steht es in seiner Meldung. Dann sei auch noch ein Moped des Wegs gekommen, darauf ein Kerl, der ihn dreist aufforderte, mitzufahren. Wohl wahnsinnig? Viel zu gefährlich! Es handelte sich, wie sich später herausstellen sollte, um den Schuldirektor, der seine Fahrdienste anbot - für eine Wegstrecke, die beim Nachmessen doch nur 150 Meter betrug.

Sensible Wahrnehmung

Selbst die besten Referees haben hinten keine Augen. Doch manche gleichen das durch eine erstaunliche Gabe der Feinsensorik aus. Wie jener Regelhüter, der kürzlich in einer der häufigsten Traubenarten - der Spielertraube - von hinten einen Stoß erhielt. Zwar sah er nichts, doch machte er sofort den Torhüter als Übeltäter aus. Er habe nämlich einen "gedämpften Stoß" gespürt, wie durch einen Handschuh. Und im Ausschlussverfahren . . .

Ein Spiel dauert - mal so, mal so

Kleiner Regeltest: Heißt es 90 Minuten plus oder minus Nachspielzeit? Na? Falsch! Zumindest für das U-17-Duell zwischen TSV Trudering und SV Türkgücü-Ataspor. Zwei lange Verletzungsunterbrechungen gab es, jeweils länger als fünf Minuten. Dennoch pfiff der Schiedsrichter sogar sechs Minuten früher ab. Wieso? Der Platzwart habe Druck gemacht. Die folgende Partie der ersten Mannschaft müsse pünktlich beginnen. Quasi höhere Gewalt.

© SZ vom 27.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: