Fußball-Landesliga II:Gegenentwurf zum Größenwahn

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„Mag jemand einen Traubenzucker?“ Gilchings Trainer Wolfgang Krebs ist demonstrativ gelassen am Spielfeldrand. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Gilching verpasst nach starker Saison und 0:1 in Illertissen nur knapp die Bayernliga.

Von Christoph Leischwitz, Illertissen/Gilching

In der achten Spielminute war die Lebensversicherung drauf und dran, neues Kapital zu erwirtschaften, in Form eines lukrativen Aufstiegs. Ramon Adofo war mit einem perfekten Steilpass in Richtung gegnerisches Tor geschickt worden, der Angreifer hängte die Verfolger ab, es kam zum Showdown mit dem gegnerischen Keeper. Der aber stand genau richtig, machte die kurze Ecke zu und konnte den etwas zu schwach geratenen Lupfer Adofos zur Ecke abwehren. Für den TSV Gilching-Argelsried war dies am vergangenen Samstag die beste Tormöglichkeit, und damit auch die beste Chance, den FV Illertissen II noch von Platz zwei der Landesliga Südwest zu verdrängen. Bessere Chancen jedenfalls gab es nicht mehr, und so verloren die Gilchinger das direkte Duell bei der Regionalliga-Reserve 0:1. Offensivspieler Adofo bleibt einstweilen eine Art konventionelle Lebensversicherung. Eine, die mit 18 Toren den Klassenerhalt sichert. Nicht mehr und nicht weniger.

Die erhofften wochenlangen Qualifikationsrunden bleiben aus, ab sofort ist Urlaub. Trainer Wolfgang Krebs wollte gar nicht ausschließen, dass er auf der Fahrt in eben jenen noch ein paar Stunden darüber sinnieren würde, was man hätte besser machen können in Illertissen. "Wir haben heute manchmal die Mittel vermissen lassen", sagte der 51-Jährige, als er noch auf dem Platz stand und die Illertisser "zicke zacke, zicke zacke" schrien. Die Gastgeber hatten in der Nachspielzeit der ersten Hälfte getroffen, Torwart Felix Ruml hatte einen abgefälschten Freistoß nur mit dem Fuß abwehren können, Stephan Böck traf per Nachschuss (45.+1). Die beste Möglichkeit nach dem Seitenwechsel hatte Maximilian Ruml mit einem Distanzschuss, ernsthaft in Verlegenheit geriet die junge Illertisser Hintermannschaft aber selten - und in der Schlussphase gar nicht mehr. "Unser zentraler Spieler (Marco Brand, d. Red.) hatte Gelb, wir hatten starken Gegenwind, wir wollten Illertissen spielen lassen, die stellen sich nicht hinten rein", sagte Krebs über das Spiel seiner Elf, das bisweilen ein wenig risikoarm wirkte. Adofo war abgemeldet, die Chancen für Gilchings große Stärke, das Umschaltspiel, waren selten.

Doch die Enttäuschung über die Niederlage währte kaum über das Spiel hinaus. "Wir haben eine überragende Saison gespielt. Es ist schön, dass sich die Mannschaft so ein Finale erarbeitet hat", befand der stolze Trainer. "Wir hätten nie damit gerechnet, dass es so läuft. Wir waren schon froh, ab Weihnachten nichts mehr mit Abstieg zu tun zu haben", pflichtete ihm TSV-Sportdirektor Stefan Schwartling bei. Wäre die Mannschaft in ihrer zweiten Landesligasaison über die Relegation in die Bayernliga aufgestiegen, hätte man "ein, zwei Spieler" dazu geholt, sagte er.

Sowohl Krebs als auch Schwartling hören sich so an, als ob ihnen das mit der Bayernliga fast schon ein bisschen zu schnell gegangen wäre. Sie mögen kein Risiko beim TSV Gilching, beständige Arbeit mit kleinen Erfolgserlebnissen gefällt ihnen besser. Krebs hat vor dem Saisonfinale verlängert, er geht im Sommer beim TSV in sein elftes Trainerjahr. Er hat freilich auch defensive Lebensversicherungen im Kader, die Abwehr war ohnehin Garant für die konstanten Leistungen. Christoph Meißner und Christian Rodenwald sind Rückkehrer, sie spielen wieder in Gilching, weil andere Vereine dem "Größenwahn" verfallen seien, sagt Krebs. Er meint damit den Ex-Klub der beiden, den pleitebedrohten SC Fürstenfeldbruck, oder auch die FT Starnberg, wo er selbst einst spielte. Dank der guten Leistungen habe man zusammen mit Mannschaften wie Olching oder Oberweikertshofen wieder "ein Fundament geschaffen, dass nicht alle Spieler aus unserer Gegend nach Ismaning oder Heimstetten abwandern", sagt der Coach.

Er selbst hat auch dazu beigetragen. "Er macht einfach gewissenhafte Arbeit. Er ist immer da", sagt Sportdirektor Schwartling. Was bei Krebs auffällt, ist eine demonstrative Gelassenheit, selbst während eines Spiels um einen Relegationsplatz. "Für die Mannschaft, Murat, das ist nicht dein Spiel", ruft er einmal seinem Mittelfeldspieler Murat Ersoy zu. Dann dreht er sich um und sagt zu den Zuschauern hinter ihm: "Mag jemand einen Traubenzucker?"

Krebs unterhält sich über Theaterkarten, während seine Mannschaft im Angriff ist. Er ist mit dem Erste-Hilfe-Koffer unterwegs, wenn jemand behandelt werden muss. Als das Spiel vorbei ist, gibt er zuerst allen Spielern auf der Bank die Hand. Und auf dem Weg zur Kabine trägt er das Netz mit den Bällen. "So lange ich da bin, kann er bleiben, so lange er will", sagt Schwartling lachend. Und dann ergänzt er noch: "Ich freue mich schon riesig auf die neue Saison."

© SZ vom 22.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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