Fußball:Das verflixte letzte Drittel

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Revierkampf zweier ehemaliger Löwen: Adriano Grimaldi (links, KFC Uerdingen) räumt Türkgücü-Verteidiger Aaron Berzel aus dem Weg. (Foto: Revierfoto/imago-images.de/Imago/Revierfoto)

Türkgücü München fehlt es bei der 0:1-Niederlage gegen den krisengeschüttelten KFC Uerdingen an Ideen und Durchsetzungsvermögen. Der Aufsteiger ist nun schon seit vier Spielen sieglos.

Von Stefan Galler, München

Der Torwart hat in einer Fußballmannschaft bekanntlich eine ganz besondere Stellung inne. Das fängt schon damit an, dass er ein anderes Trikot trägt als die anderen. Und - wohl der entscheidende Unterschied - er darf als einziger den Ball in die Hand nehmen. Dann gibt es ja auch noch Randaspekte, etwa die als besonders fair angesehene Geste, dass der Torschütze, der gegen seinen ehemaligen Verein ins Schwarze trifft, möglichst ausdrücklich einen entsprechenden Jubel verweigert. Doch was soll der Keeper tun, wenn ihm gegen die ehemaligen Kollegen gleich eine ganze Reihe außergewöhnlicher Paraden gelingt? Explizites Nicht-Jubeln wäre da wohl kaum zielführend. Und manchmal gibt es ja auch gar keinen Grund für Ehrenrunden, so wie am Samstag für René Vollath, den Schlussmann von Türkgücü München. Der brachte zwar die Spieler seines vormaligen Arbeitgebers KFC Uerdingen nahe an den Zustand der Verzweiflung, dennoch verlor der Aufsteiger am Ende 0:1 (0:1).

Vollath zeigte sich am Mikrofon von Magentasport entsprechend zerknirscht: " Ich kann mich über meine eigene Leistung nicht freuen, wir haben verloren. Wir hatten zu wenig Durchschlagskraft. Und wenn man keine Tore macht, kann man nicht gewinnen." Er sei es nicht gewohnt, "so viel zu tun" zu haben, sagte der Keeper, wollte jedoch etwa die wegen eines Corona-Falls im Vereinsumfeld abgesagte Partie vor einer Woche gegen die SpVgg Unterhaching und den dadurch zum wiederholten Mal verlorenen Spielrhythmus nicht als Ausrede gelten lassen: "Ich bin ein Freund davon, den Fokus auf Dinge zu legen, die ich selbst beeinflussen kann."

Es war nicht gerade ein Spiel für Offensivfetischisten, Torchancen blieben die Ausnahme. Dabei ging es spektakulär los: Fridolin Wagner steckte den Ball auf den früheren Sechziger Adriano Grimaldi durch, dessen Versuch Vollath entschärfen konnte (2.). Auf der Gegenseite brachte Kilian Fischer nach Ablage von Toptorjäger Petar Sliskovic nur einen Roller zustande (7.), danach stellten beide Angriffsabteilungen ihre Bemühungen vorerst ein.

Ein abgefälschter Schuss lässt Vollath keine Chance

Auch Uerdingens Heinz Mörschel fand in der 27. Minute keinen geeigneten Abnehmer für einen möglichen Pass, also hielt er einfach mal direkt aus gut 25 Metern drauf - und weil der Münchner Alexander Sorge den Ball abfälschte, hatte Vollath diesmal das Nachsehen. Ein Nackenschlag, von dem sich Türkgücü so schnell nicht erholte. Oder wie es Trainer Alexander Schmidt ausdrückte: "Wir sind diesem Tor gefühlt dem kompletten Spiel hinterhergelaufen."

Dabei taten sich die Münchner extrem schwer, überhaupt in Abschlusssituationen zu kommen. Dagegen blieb der KFC weiterhin gefährlich, etwa gleich nach der Pause, als Gino Fechner den Kollegen Mike Feigenspan bediente und jener es gleich mit zwei ehemaligen Uerdingern aufnahm: Boubacar Barry tanzte er locker aus, scheiterte aber am glänzend reagierenden Vollath (48.), der kurz danach auch noch einen Schuss von Peter van Ooijen parierte (50.). "Wir können uns bei unserem Torwart bedanken, dass wir nicht das 0:2 bekommen haben", sagte Trainer Schmidt hinterher und spielte auch auf jene Szenen an, als sein Team bereits die Abwehr entblößt hatte und Vollath etwa gegen Christian Kinsombi einen starken Reflex zeigte (87.).

Die beste Chance hat Türkgücü erst in der 89. Minute - Sararer trifft nur den Pfosten

Nach vorne ging bei Türkgücü auch in der Endphase wenig, ein Kopfball von Sliskovic nach Flanke von Sercan Sararer flog knapp am Tor vorbei (76.), die beste Ausgleichschance hatte Sararer dann erst in der 89. Minute selbst, als er nach einem kraftvollen Antritt aus 20 Metern nur den Außenpfosten traf. "Gerade im letzten Drittel hat die Präzision beim letzten Pass gefehlt. Wir haben einen großen Aufwand betrieben", sagte Schmidt. Letztlich ohne Ertrag: Der Drittliganeuling ist nun schon seit vier Partien sieglos.

Auf der Gegenseite wurde ausgelassen gefeiert, obwohl diese Adventszeit für den KFC noch trostloser ist als für den Rest der Republik: Präsident und Investor Mikhail Ponomarev hat seinen Ausstieg für den kommenden Sommer angekündigt, schon jetzt ist von angeblich seit September ausstehenden Spielergehältern die Rede. Und auch bei der Miete für das Düsseldorfer Stadion ist man im Rückstand - mit fast einer Viertelmillion Euro. Deshalb wäre die Partie gegen Türkgücü beinahe abgesagt worden, hätte der Klub nicht eine Zahlungsvereinbarung unterzeichnet, die ihn dazu verpflichtet, den Fehlbetrag zu begleichen .

Uerdingens Trainer Stefan Krämer zeigte sich vor diesem Hintergrund nach dem Spiel emotional: "Ich bin seit 23 Jahren Trainer, ich weiß nicht, wann ich zuletzt so stolz auf eine Mannschaft war wie heute", sagte er und lobte den Teamgeist der durch die Umstände so gebeutelten Mannschaft: "Wie die Jungs zusammenhalten, ist echt krass."

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