Fußball-Bezirksliga-Serie:Ruch und Segen

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Weil Berg am Starnberger See reich ist, spielt der MTV gegen Vorurteile an. Und manchmal auch gegen die eigene Trägheit.

Von Christian Bernhard, Berg

Philipp Obloch hat regelmäßig mit der Elite des europäischen Spitzenfußballs zu tun, erst am Mittwoch war er in Dortmund beim Champions-League-Achtelfinalspiel. Obloch arbeitet als Daten-Analyst und betreut die deutschen Profivereine, er zerlegt die Auftritte der Bundesligisten in taktische Fein-Schnipsel, die dann den Vereinen zugespielt werden. Was Obloch bei Dortmunds 4:0-Sieg gegen Benfica Lissabon sah, gefiel ihm, denn auch er ist ein Freund von schnellem Offensivfußball. In seiner Funktion als Vereinstrainer beschäftigt er sich aber mit anderen Kalibern, etwa dem Herakles SV München, gegen den er am Sonntag mit dem MTV Berg in die Rückrunde der Bezirksliga Süd startet.

Der MTV ist kein normaler Bezirksligist, dafür steht alleine der Ort, in dem er beheimatet ist. Die 8000-Einwohner-Gemeinde am Ostufer des Starnberger Sees ist die Heimat zahlreicher reicher und prominenter Personen, auch Michael Ballack, Oliver Bierhoff und Jens Lehmann haben in der Gegend ein Domizil. Obloch ist in seiner zweiten Saison in Berg, davor leitete er den DFB-Stützpunkt Oberhaching und war im Nachwuchsleistungszentrum in Rosenheim tätig. Er sagt, der MTV sei der speziellste Verein, in dem er bisher gearbeitet hat. Der gebürtige Hamburger, der seit sieben Jahren in Bayern lebt, drückt es so aus: "Die Leute, die in Berg leben, sind nun mal nicht von existenzieller Armut bedroht."

Das bekommen die MTV-Spieler auch auf dem Platz zu spüren. Obloch hat das Gefühl, dass viele Gegner gegen sein Team "schon einen Tick motivierter sind". Er versteht das, er würde es als gegnerischer Trainer auch nicht anders machen und "auf diesen Knopf drücken". Florian Garke kennt diese Situation allzu gut, der 29-Jährige ist seit seiner Kindheit im Verein. Nach vielen Jahren als Kapitän leitet er seit knapp eineinhalb Jahren die Fußballabteilung des MTV. Er sagt: "Wir haben kein Problem damit und können damit umgehen."

Der MTV geht als Vierter in die Rückrunde, hat aber nur sieben Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone. "Erschütternd wenig" sei das, betont Obloch, der ob der Umstände (keine Zugänge, kein Trainingslager, viele Krankheitsfälle) von einer "sehr zähen" Winter-Vorbereitung spricht. Nichtsdestotrotz habe Berg in Sachen "Stimmung und Intensität" die Kurve gekriegt. Obloch glaubt, "dass wir stark genug sind, mit unten nichts zu tun zu bekommen". Falls doch, wäre er zumindest nicht unvorbereitet. Seit der Saison 2009/10 spielt Berg in der Bezirksliga, rettete sich aber bis auf eine Ausnahme immer erst spät oder über den Umweg Relegation - so wie in der vergangenen Saison.

Obloch baut öfter unorthodoxe Dinge ein: So lässt er sein Team in der Vorbereitung auch mal zehn Minuten lang ohne Torwart spielen, um die Sinne fürs Gegenpressing zu schärfen. Oder er setzt seinen Torwart als Innenverteidiger ein, damit dieser die Perspektive eines Abwehrspielers besser kennenlernt. Obloch sieht Potenzial für mehr, aber auch "immer wieder", warum es nicht zu mehr reicht. Mal machen Spieler während der Vorbereitung wochenlang Urlaub, mal sinkt die Trainingsbeteiligung in Prüfungsphasen merklich. "Sie nehmen sich Freiheiten", sagt Obloch und betont, dass es schwierig sei, "sich hohe Ziele zu setzen, wenn man nebenbei diverse andere Sachen im Fokus hat." Aber eigentlich sind sie ganz zufrieden in ihrer begüterten Gemeinde.

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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