BCF Wolfratshausen:Flug durch den gekrümmten Raum

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Augen zu und rein: Michael Marinkovic, Schütze des 2:1-Siegtreffers für den BCF Wolfratshausen gegen Gundelfingen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Durch einen 2:1-Erfolg auf Kunstrasen kämpft sich der BCF an die Nichtabstiegszone heran, bleibt aber am Tabellenende.

Von Christoph Leischwitz, Wolfratshausen

In der 58. Minute sah dann auch Christopher Korkor ganz kurz mal die gelbe Karte. Der Ghanaer in Diensten des BCF Wolfratshausen hatte auf der Bank sitzend einen ins Aus springenden Ball ein bisschen zu lange festgehalten - Spielverzögerung. Sechs Minuten zuvor waren die Wolfratshauser in Führung gegangen, kein Wunder also, dass die Gäste des FC Gundelfingen etwas ungehalten waren - die Zeit lief gerade gegen sie. Als der Schiedsrichter Korkor dann auch noch bat, die Bank zu verlassen, dachten einige Zuschauer, die rote Karte übersehen zu haben. Doch in Wahrheit hatte der Schiedsrichter die gelbe zurücknehmen müssen. Korkor saß zwar auf der Bank, doch er stand gar nicht im Kader.

Der BCF ist zwar immer noch Tabellenletzter, aber punktgleich mit den Gästen aus Schwaben

Ein enger Kunstrasen, der Tabellenletzte empfing den Vorletzten, es war eine erwartbar hektische Partie, in der es permanent jemand eilig hatte und ein anderer demonstrativ überhaupt nicht. Das Ergebnis musste relativ betrachtet werden: Die Farcheter hatten am Schluss 2:1 (0:0) gewonnen, doch irgendwie hätte es auch 3:2 für Gundelfingen stehen können.

101 Jahre nach der Formulierung der allgemeinen Relativitätstheorie zeigte sich mal wieder, wie sehr sich Zeit und Raum auch in der Bayernliga krümmen können, wenn sich die beteiligten Massen ins Zeug legen. Einerseits diese ständigen Unterbrechungen durch Fouls, die das Spiel verlangsamen und Standardsituationen entscheidende Bedeutung geben. Der BCF zum Beispiel hatte schon nach acht Minuten drei Freistöße aus vielversprechender Positionen ausgeführt. Ein lauter Schrei, ein Pfiff, ein Stöhnen des Gegners an der Seitenlinie, Gespräche hinter vorgehaltener Hand, wer ausführen darf - das kann sich ziehen. Andererseits diese vielen Ballverluste im Mittelfeld, die oft binnen Sekunden zu Torchancen führten - bestes Beispiel hierfür war ein Fernschuss des Farcheters Sandro Wolfinger aus etwa 50 Metern, der das Tor nur um Zentimeter verfehlte (19.).

Was kann man als Trainer eigentlich tun, um auf so ein Spiel nachhaltig positiv einzuwirken? BCF-Trainer Marco Stier hatte die Startelf gegenüber der 0:1-Niederlage beim TSV Rain auf tiefem Rasen auf mehreren Positionen geändert. Und darauf geachtet, dass verstärkt Spieler zum Einsatz kamen, die auf engem Raum und mit wenig Zeit gute Entscheidungen treffen können. Zu ihnen zähle er auch Bayernliga-Veteran Wilson Onyemaeke, so Stier, einer von acht Zugängen in der Winterpause. Doch der 30-Jährige habe nach einem Aufenthalt in Nigeria aus privaten Gründen noch Trainingsrückstand. "Ich denke, er ist aber bald so weit", sagte Stier.

Taktische Vorgaben fallen für solch ein Spiel kurz aus. "Jeder Einwurf ist gefährlich. Man muss sich auch mal fallen lassen und einen Standard rausholen. Ich glaube, Gundelfingen hatte 25 Stück und wir ungefähr 15", schätzte Stier. Eigentlich habe man ja eine spielstarke Mannschaft, aber Gundelfingen habe im Zentrum alles zugestellt. "Dann kommen eben die langen Bälle." Phasenweise verging die Zeit wie im Flug. Nach einer ersten Hälfte mit leichten Vorteilen für den BCF hatte Emin Kaya in der 52. Minute nach einem Konter über die linke Seite die Führung erzielt. Doch kurz darauf begann die starke Phase der Gäste mit mehreren guten Gelegenheiten des "Brechers", wie Stier ihn nannte, des eingewechselten Gundelfingers Daniel Wiener. Der Angreifer war es dann auch, der trotz diverser zeitlicher Krümmungsversuche des BCF (siehe Korkor) zum 1:1 traf (68.).

"Aber wir haben eine Reaktion gezeigt", sagte Stier: Sie holten wieder verstärkt Freistöße heraus. Der Siegtreffer von Michael Marinkovic passte dann in jeder Beziehung zum Spiel: In der 78. Minute legte er sich in knapp 25 Metern Entfernung den Ball zurecht. Der Schuss touchierte den Kopf eines Gegenspielers in der Mauer, die Kugel flog plötzlich auffällig langsam und doch unhaltbar ins rechte Kreuzeck. Marinkovic rannte zur Trainerbank, Stier umarmte ihn, Getränkeflaschen spritzten. "Vorne Bälle halten, Entlastung kriegen", so beschrieb Marinkovic seine Hauptaufgaben nach den beiden Führungen. Und eigentlich habe man das ganz gut hinbekommen. Am Ende hatte Gundelfingen noch dicke Chancen, Wolfinger blockte in der 90. Minute einen Schuss aus vier Metern.

Der BCF ist nun zwar immer noch Tabellenletzter, nun aber punktgleich mit den Gästen aus Schwaben - und auch nur zwei Punkte von einem Nichtabstiegsplatz entfernt (auch wenn der Tabellen-13. Bogen drei Spiele weniger absolviert hat). Was in den nächsten Wochen wichtig sei? "Dass jeder für den anderen läuft und für den anderen da ist", meint Marinkovic. Angesichts des immens großen Kaders von 30 Spielern bedeutet das beim BCF auch, dass eine Mehrheit mitziehen muss, obwohl sie nicht spielt. Wie man das bewerkstelligen kann, das hatte Christopher Korkor, der nicht einmal im Kader stand, schon mal vorgemacht.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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