Türkgücü-Ataspor München:Ernüchterter Aufsteiger

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Lufthoheit ohne Wert: Menelik Chaka Ngu'Ewodo (oben), ehemaliger Angreifer des SV Pullach, kann sich beim mit Spannung erwarteten Duell gegen seinen ehemaligen Klub (vorne Alexander Benede) zumindest in dieser Szene durchsetzen. Viele Torchancen sah das Bayernliga-Derby allerdings nicht. (Foto: Claus Schunk)

Vor 22 Jahren kickte Türkgücü-Ataspor München zuletzt in der - damals drittklassigen - Bayernliga. Bei seiner Rückkehr muss der hochambitionierte Klub ein enttäuschendes 0:2 in Pullach hinnehmen.

Von Fabian Swidrak, Pullach

Es war nicht zu verstehen, was Andreas Pummer und der Schiedsrichter im Detail miteinander besprachen. Zu viele Zuschauer brüllten. Sie wurden immer lauter, als der Schiedsrichter der Seitenauslinie näherkam. Am Urteil änderte das Gebrüll nichts: Pummer, Trainer des SV Türkgücü-Ataspor München, musste hinter die Bande. Auch er hatte sich über die Entscheidung des Schiedsrichters beschwert, wenngleich er später angab, lediglich nach einer Erklärung für die Entscheidung verlangt zu haben. Umstritten war jene Entscheidung, die dazu geführt hatte, dass der SV Pullach sein erstes Saisonspiel in der Bayernliga Süd gegen Türkgücü 2:0 (1:0) gewann, statt nur mit einem Tor Vorsprung. Jene Entscheidung, durch die sich Pummer um die Gelegenheit beraubt fühlte, vielleicht noch den Ausgleich zu erzielen.

Knapp 84 Minuten waren gespielt, als Pullachs Daniel Leugner den Ball zum 2:0-Endstand im Tor versenkte. Das Zustandekommen des Treffers war jedoch regelwidrig. Der Ball kam über einen auf der Torauslinie postierten Pullacher Spieler zu Leugner. Zwar stand auch ein Spieler Türkgücüs auf gleicher Höhe, beide standen allerdings hinter dem Torhüter und Leugners Passgeber damit im Abseits. Das Schiedsrichtergespann erkannte die durchaus knappe Abseitsstellung nicht.

Trotz allem von dieser Szene ausgelösten Frust sagte Türkgücüs Trainer Pummer nach dem Spiel, sie sei nicht der Grund für die Niederlage gewesen: "Wir waren spielbestimmend. In der letzten halben Stunde haben wir es nicht zu Ende gebracht und deswegen können wir uns von der Leistung heute auch nichts kaufen."

Das erste Spiel des höchstambitionierten Bayernliga-Aufsteigers war mit Spannung erwartet worden. Zuletzt kickte der Klub 1996 als SV Türk Gücü München in der damals drittklassigen Bayernliga. Zwei Jahre ist es inzwischen her, dass Vereinspräsident Hasan Kivran während einer Pressekonferenz im Café Glockenspiel am Münchner Marienplatz ankündigte, den SV bis 2020 in die Regionalliga führen zu wollen. Im Sommer 2017 verpflichtete Türkgücü schließlich Trainer Pummer, der direkt den Aufstieg schaffte und sich damit lediglich an Kivrans Plan hielt.

Vor der gerade begonnenen Saison hat der Verein seinen Kader erneut enorm verstärkt und zahlreiche Spieler mit Erfahrung im höherklassigen Fußball verpflichtet. Türkgücü absolvierte Testspiele gegen Klubs aus der Regionalliga. Die Bilanz: ein Sieg gegen Garching (4:2) und eine knappe 1:2-Niederlage gegen Buchbach. Durch Siege gegen Freising (4:2) und Deisenhofen (3:0) qualifizierte Türkgücü sich für die Hauptrunde des bayerischen Verbandspokals. Frank Schmöller, Trainer des SV Pullach, hatte den Auftaktgegner bereits vor dem Spiel zum Ligafavoriten erklärt.

Der Druck, der auf den Spielern und Trainer Pummer lastet, ist außergewöhnlich. Sind es die Methoden auch? Pullachs Coach Schmöller sagt, am vergangenen Dienstag habe es beim Training seiner Mannschaft einen Besucher mit Videokamera gegeben. Kollege Pummer bestreitet, dass Türkgücü das Training filmen ließ.

"Pullach hat hier jahrelang das Spiel gemacht. Heute stehen sie hinten drin", sagt Pummer

Das Aufeinandertreffen beider Mannschaften am Sonntag war schließlich vor allem aus Sicht des SV Türkgücü eine gute Gelegenheit, um zu überprüfen, ob die Mannschaft schon in dieser Saison um die Spitzenplätze der Liga mitspielen kann. Immerhin hatten die Pullacher die vergangenen vier Spielzeiten stets mindestens auf dem zweiten Tabellenplatz abgeschlossen.

Tatsächlich sahen die Zuschauer eine ausgeglichene erste Halbzeit, in der sich keiner der beiden Kontrahenten eine nennenswerte Torchance erspielte. Türkgücüs Pablo Pigl traf zwar mit einem Flachschuss den Außenpfosten (25.), vorausgegangen war dem Aluminiumtreffer allerdings kein schöner Spielzug, sondern ein Ballverlust von Pullachs Alexander Benede tief in der eigenen Hälfte.

"Pullach hat hier jahrelang das Spiel gemacht. Heute stehen sie hinten drin und wir haben so viel Ballbesitz", sagte Pummer, der fünf Spieler in seine Startelf berufen hatte, die erst vor dieser Saison zu den Münchnern gewechselt waren. Schmöller dagegen begann die Saison ohne neue Spieler. Die beiden wichtigsten Zugänge standen ihm gar nicht zur Verfügung. Stürmer Felix Braun, von der Reserve des TSV 1860 München gekommen, weilt in einem schon länger gebuchten Urlaub. Mittelfeldspieler Daniel Brändle, der für die Nationalmannschaft Liechtensteins spielt, fehlt nach seinem Wechsel aus der Schweiz noch die nötige Spielgenehmigung.

In der zweiten Halbzeit kam dann auch Pullach zu Torchancen. Max Zander scheiterte zunächst im Eins-gegen-eins an Türkgücü-Keeper Issa Ndiaye (66.). Lukas Dotzler brachte die Heimmannschaft schließlich nach starker Vorarbeit von Martin Bauer in Führung (70.). Weder vor noch nach dem zweiten Treffer geriet der Pullacher Sieg ernsthaft in Gefahr.

© SZ vom 16.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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