Fürstenfeldbrucks Drittliga-Handballer:Mehr geht nicht

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Unzufrieden nach dem Sieg gegen Großwallstadt: Sebastian Meinzer traf mit dem letzten Wurf, er hätte besser die Zeit heruntergespielt. (Foto: Günther Reger)

TuS Fürstenfeldbruck schlägt im ersten Heimspiel den ehemaligen deutschen Meister TV Großwallstadt mit 29:27 und verschafft sich nach dem Auswärtserfolg in der ersten Partie einen optimalen Saisonstart

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Seine erst wenige Wochen alte Aussage, wonach keiner je gedacht hätte, dass der TV Großwallstadt mal zu einem Punktspiel in Fürstenfeldbruck antreten würde, musste Martin Wild noch am Samstagabend aktualisieren. "Fürstenfeldbruck gewinnt gegen Großwallstadt, das klingt unglaublich geil", freute sich der 36 Jahre alte Handballtrainer über ein Ergebnis, das seiner Mannschaft zumindest in der Großen Kreisstadt Fürstenfeldbruck einen Eintrag für die Ewigkeit sichert. Mit 29:27 (13:12) Toren besiegten die Gastgeber den nach der Insolvenz in der dritten Liga gestrandeten ehemaligen deutschen Meister und verschafften sich selbst damit einen mustergültigen Start in die neue Saison. Zwei Spiele, zwei Siege - mehr geht nicht.

Dabei hatte Wild seinem neu formierten jungen Team so viel gar nicht zugetraut. Und auch nach dem Sieg fing er fast ein bisschen zu granteln an: "Ich ärgere mich über den Schluss", sagte Wild. Komfortabel mit 28:24 führte der TuS in Minute 57, der Sieg schien nahe, doch dann ließen sich seine Novizen noch drei Tore einschenken. Die Führung schrumpfte auf einen labilen 28:27-Zwischenstand, und es waren noch 22 Sekunden zu spielen, als Sebastian Meinzer den Ball mit Wucht aufs Tor drosch. Der Ball war drin - zum viel umjubelten 29:27-Endstand. Wäre er daneben gegangen, hätte das den Großwallstädtern noch eine Torchance eröffnen können. "Das kann man cleverer lösen", mäkelte Wild deshalb und ließ offen, ob der Schütze des Siegtores sich mit seinem unüberlegten Vorgehen einen Anpfiff seines Trainers eingehandelt hatte. Möglicherweise aber wusste Meinzer schon Bescheid, als er sich nach der Partie zwar erleichtert zeigte, aber dennoch kund tat, dass "die Enttäuschung überwiegt". Wie bitte? "Weil wir nicht unser Potenzial abgerufen haben und am Ende unclever waren."

Na gut, das schon. Man könnte das bei einem Saisonstart mit 4:0 Punkten und Tabellenplatz fünf als Luxusproblem abtun. Zumindest die mehr als 900 Zuschauer, die zum ersten Heimspiel in die Wittelsbacher Halle von Fürstenfeldbruck gekommen waren, mochten nicht mäkeln. Sie empfingen ihre Mannschaft mit roten, weißen und schwarzen Luftballons und verabschiedeten sie mit langem Applaus. Während die Gastgeber die Huldigungen von der Tribüne entgegen nahmen, saßen die Großwallstädter verstreut auf dem Hallenboden, die Fassungslosigkeit ob des Fehlstarts in ihren Blicken. Das Spiel des TVG zuvor hatte einer Solonummer von Florian Eisenträger geglichen. Über den 23 Jahre alten halblinken Rückraumspieler, der sein Haar während des Spiels zu einem kleinen, lustigen Zöpfchen zusammengebunden trägt und als Beruf Profihandballer und Praktikant angibt, läuft alles im Großwallstädter Spiel, gegen den TuS steuerte er zehn Tore bei, eine Woche zuvor waren es elf gewesen. Jens Tiedtke, der 64-fache Nationalspieler, der demnächst 36 Jahre alt wird, gab eine Portion Routine dazu, doch das war es dann auch, was vom großen Namen TV Großwallstadt übrig geblieben ist. Der Rest ist offenbar reichlich Frust in den eigenen Reihen. Mit dem Neuaufbau nach der Insolvenz scheint es nicht recht klappen zu wollen. Ein resigniert wirkender Trainer Maik Handschke stand später oben im Hallenfoyer vor der Sponsorenwand in Teamshorts und T-Shirt, beglückwünschte die Brucker Gastgeber zum Sieg und sprach vom "absoluten Chaos" in seinem eigenen Verein. Er habe "kaum eine Mannschaft", müsse mit Spielern aus der zweiten Reihe auffüllen, "die sonst in der sechsten Liga spielen". Er sei gespannt, sagte der 49-Jährige aus Schwerin, der einst für beide deutsche Nationalmannschaften gespielt hat und seit November 2013 Trainer in Großwallstadt ist, ob denn noch Spieler geholt würden. Will er denn angesichts dieser Voraussetzungen überhaupt noch weitermachen? Seine Antwort: "Kein Kommentar."

Handschkes Team war im Verlauf der Partie nur wenige Male mit einem Tor in Führung gelegen, deutlich absetzen konnten sich aber auch die Brucker nicht. Ihnen gelang bei ihrem zweiten Sieg längst nicht alles, und so mancher Wurf aufs Tor missriet gründlich. "Das hätten wir souveräner gestalten können", sagte Trainer Wild. Noch muss er den richtigen Zuschnitt für sein neues Team finden, wenngleich sich erneut Christian Haller als umtriebiger Mittelmann erwies, dem im Laufe der Partie auch noch mehrmals die Spezialaufgabe zufiel, als sechster Feldspieler aufzulaufen, wenn sein Team eine Zeitstrafe kassiert hatte. Ein riskantes Unterfangen, weil dann der Torhüter draußen bleiben muss und der Gegner bei Ballbesitz ein leeres Tor vorfindet. Ein guter Schachzug, wenn es gelingt, dabei selbst ein Tor zu fabrizieren wie beim 11:9 (21.). Konzentriert und unerschrocken machte Haller sich an die Arbeit. Der große Name der Gäste sei zwar "immer eine Nummer", sagte er hinterher, doch jetzt sei man im Ligabetrieb und "im Spiel vergisst man, dass es der TVG ist".

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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