Formsache:"Leben am Limit"

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Pädagogin, Schauspielerin, Kabarettistin - und heimliche BVB-Sympathisantin: Christine Eixenberger traut sich was.

SZ: Sport ist .. .

Christine Eixenberger: ...mein Ausgleich. Ich liebe Berggehen, Rennradeln und trainiere viel mit eigenem Körpergewicht. Wenn ich mich nicht bewege, werde ich "lästig", unausgeglichen, grantig. Und esse anderer Leute Süßigkeiten am Filmset weg. Weil ich mir denke: "Wenn ich mich schon nicht bewege, dann wenigstens g'scheid."

Ihr aktueller Fitnesszustand?

Also, ich fühle mich fit. Das ist vielleicht ein bisschen so wie mit der "gefühlten Realität" und der AfD. Aber das Postfaktische ist nun mal nicht die Realität. Die Wahrheit ist, wer wie Björn Höcke über das Holocaust-Mahnmal in Berlin sagt, es sei ein "Denkmal der Schande", der ist ein Nazi. Und wer in den Reihen der AfD mitläuft und ihre Parolen mitplärrt, der ist nicht "ein bisserl ein Nazi", sondern der ist ein Nazi. Das ist die Realität. D.h. ich kann erst mit Sicherheit sagen, dass ich wirklich fit bin, wenn ich das nächste Mal auf den Geigelstein gehe, ohne ein Sauerstoffzelt zu brauchen. Dann bin ich fit. Das wäre dann ein Fakt.

Felgaufschwung oder Einkehrschwung?

Ich bin Ü30. Ich brauche mittlerweile einen Felgaufschwung für einen Einkehrschwung. Spaß.

Sportunterricht war für Sie?

Von gruslig bis granatig war alles dabei. Zwölf-Minuten-Lauf: Ich habe mir nach zwei Minuten schon gewünscht, es wäre zehn Minuten später. Weitsprung: Juhuu! Mit Anlauf in einen Sandkasten springen. Mit einem Plastikbagger und einer Schaufel im Anschlag. Genau mein Ding!

Ihr persönlicher Rekord?

Als ich mit dem Rennrad die Moni-Alm-Runde gefahren und von einer Gruppe taufrischer, 60-jähriger E-Bike-Fahrer überholt worden bin mit den Worten "Geht's, Mädel? Ist zach da nauf, gell?", bin ich NICHT ausgerastet. Mein persönlicher Rekord in Sachen Impulskontrolle. Das könnte mir beim Autofahren nicht passieren.

Stadion oder Fernsehsportler?

Fußball vor dem Fernseher. Eh klar. Beginnt beides mit "F". Gehört also zusammen. Und ich liebe es. Wild durch die Gegend fuchteln, sich gnadenlos aufregen über Dinge, die man selbst im Leben nie besser machen könnte, und mindestens fünf bis sechs Mal "Ach geh, Schiriiii!" schreien. Großartig. Andere machen Power-Yoga. Ich mache das. Danach bin ich komplett fertig. Im Stadion war ich bis dato zwei Mal. Einmal sogar direkt hinter der Bayern-Bank. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, Lewandowski hat mir zugewunken. Oder er hat sich gerade warm gemacht. Auf jeden Fall hat er sich bewegt. So viel steht fest.

Bayern oder Sechzig?

Bayern-Fan zu sein ist mir zu einfach. Für Sechzig bin ich nicht leidensfähig genug. Ich bin heimlicher Dortmund-Sympathisant. In Bayern darfst das ja eigentlich gar nicht laut sagen. Da kannst du froh sein, wenn du nicht kopfüber an den nächsten Maibaum geschlagen wirst. Aber ich stehe jetzt einfach mal dazu. Leben am Limit.

Ihr ewiges Sport-Idol?

Habe ich keins, ehrlich gesagt. Das würde ja bedeuten, dass ich jemandem in sportlicher Hinsicht nacheifere. Und ganz ehrlich: Ich sehe mich nicht auf der Tartanbahn, nicht im Ferrari, nicht auf einer 500er-Maschine, nicht... Wobei. Stopp. Wieso sehe ich mich da eigentlich nicht? Ok, danke SZ! Ich suche mir jetzt ein waschechtes Idol. Aber vielleicht fange ich mal klein an. Irgendwas im Jugendsport-Bereich. Das setzt mich nicht so unter Druck.

Ein prägendes Erlebnis?

Dass ich durch das Klettern quasi meine Höhenangst überwunden habe. Beispielsweise, als ich meinen ersten Klettersteig gegangen bin. Frei hängende Brücke über einem Abgrund. Unter mir nur Leere und Felsen. Vor mir nur Dohlen und ein Murmeltier, vor denen ich mir natürlich nicht die Blöße geben wollte. Ein Drahtseil, auf dem man gehen musste. Ich habe gedacht, das schaffe ich nicht. Nie im Leben. Und dann war ich drüben. Danach war ich so stolz und so ergriffen, dass ich geweint habe. Gut, stimmt nicht ganz, ich habe schon auf dem ganzen Weg hysterisch geheult, weil ich wirklich Panik hatte. Aber am Ende waren es Freudentränen. Und noch mal ein bisserl Panik, weil ich den gleichen Weg ja wieder zurückgehen musste. Aber da habe ich für mich wieder mal festgestellt: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." Herausforderungen anzunehmen und Chancen zu ergreifen: Das macht einen am Ende des Tages stärker und fügt dem eigenen Ich wahnsinnig viel Gutes hinzu.

In welcher Disziplin wären Sie Olympiasieger?

"Schafg'schau". Manchmal starr ich einfach so vor mich hin. Das entspannt mich total. Nur die Augen trocknen irgendwann aus, weil man ja nicht blinzelt. Da muss man sich halt entscheiden: Weiter rumhocken und blöd schauen oder seine Augen vor dem Tod durch Verdursten retten. Oft nicht so einfach, diese Entscheidung.

Mit welcher Sportlerin/welchem Sportler würden Sie gerne das Trikot tauschen?

Ich glaube, dass es sehr hart ist, Spitzensportler zu sein. Ständig Top-Leistungen bringen, Funktionäre, Sponsoren, Trainer, die das Beste aus einem rausquetschen wollen. Und mit 30 oder 40 bist du dann vielleicht zu alt für den Sport. Deshalb vielleicht: Dart. "Mighty Mike" Michael van Gerwen wäre dann quasi mein Sport-Idol - und keine Angst, den musste ich auch googeln. Wobei ... vom Darten bekommst du wahrscheinlich recht häufig eine Sehnenscheidenentzündung. Ach, wisst's was: Ich behalte mein Leben. Ich mag's nämlich sehr. Berg gehen, auf der Bühne und vor der Kamera stehen. Und manchmal einfach rumhocken und ein bisserl blöd schauen. Memo an mich: Ein bisserl mehr mit dem Rennrad trainieren. E-Bike-Gangs im Oberland: Zieht's euch warm an!

Unter der Rubrik "Formsache" fragt die SZ jede Woche Menschen nach ihrer Affinität zum Sport. Künstler, Politiker, Wirtschaftskapitäne - bloß keine Sportler. Wäre ja langweilig.

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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