Felix Blum im Portrait:Mehr als ein Hobby

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Segelfliegen ist für Felix Blum eine Lebensart. Heute hält er einen Weltrekord - seinen ersten Flug machte er als Baby auf dem Arm seiner Mutter.

Stephanie Geißler

Dem 23-jährigen Felix Blum aus Moosburg ist am Pfingstmontag ein Streich gelungen, um den ihn sicher viele Segelfliegerkollegen beneiden: ganze acht Stunden und dreiundzwanzig Minuten hielt er seinen Segelflieger ohne Einsatz des Motors, nur von Thermik getragen in der Luft, und konnte damit im internationalen Eintragsregister für Segelflüge (OLC) einen Weltrekord für diesen Tag verbuchen. "Ich habe den Flug vorher geplant, vom Flugplatz Gammelsdorf nach Weiden, über Stuttgart und wieder zurück, also im Dreieck - das gibt mehr Punkte im OLC", erklärt der sympathische Student der Automobilwirtschaft und Technik an der FH Landshut.

Die Flug-Affinität scheint ihm von klein auf antrainiert: sein Vater ist begeisterter Segelflieger seit 30 Jahren, und Felix genoss eine frühe "Horizonterweiterung", als er auf dem Arm seiner Mutter seine ersten Flugversuche machte. Dennoch: die "winzig kleine Landschaft" unter einem zu sehen, das Gefühl von Freiheit und einer "faszinierenden dritten Dimension" ist nach all den Jahren - mit 15 fing Felix selbst mit dem Fliegen an - immer noch etwas Besonderes.

Die gefährlichen Fetzenflieger

Dabei ist es ein Trugschluss zu glauben, ein Acht-Stunden-Flug sei Erholung pur. Musik hören oder vor sich hin Sinnieren sind tabu: "Man ist die ganze Zeit hochkonzentriert", stellt Felix klar. "Auch wenn das Steuern irgendwann unterbewusst abläuft, ist man permanent damit beschäftigt, das Wetter zu beobachten, nach Thermikfeldern Ausschau zu halten, und auf andere Flugzeuge Rücksicht zu nehmen."

Trotzdem, auch wenn man selbst alles richtig macht, sind Gefahrensituationen nicht ausgeschlossen. Am brenzligsten wurde es einmal durch das "Fehlverhalten eines Paragleiters", wie Felix sich betont formell ausdrückt, dann aber verschmitzt und hinter vorgehaltener Hand nachsetzt: "Wir nennen sie immer liebevoll Fetzenflieger" - wohl weil sie an einem Fetzchen Stoff durch die Lüfte gleiten. Die Situation selbst war allerdings alles andere als lustig, hätte sie doch den Paragleiter um ein Haar das Leben gekostet. "Ich war im Geradeausflug unter Wolken", berichtet Felix, "und dann kam plötzlich dieser Paragleiter im Spiralflug aus den Wolken gesegelt.

Ich habe ihn mit meinen 250 Stundenkilometern um grade mal fünf Meter verpasst." Auch wenn das nochmal gut ging: Die Schrecksekunde, die wohl vor allem dem Paragleiter noch lange nachhing, hätte vermieden werden können, denn es existieren ganz klare Regeln: "Die Berührung von Wolken ist strengstens untersagt, das kriegt man bei der Prüfung und auch danach immer wieder eingebläut".

Auf die Frage, ob das Segelfliegen ein Männersport sei, lacht Felix verlegen, bejaht und schiebt hinterher: "Aber zu Unrecht! Segelfliegen ist zwar als reine Männerdomäne verrufen, allein wegen der technischen Aspekte, aber es gibt auch Frauen und wir heißen sie immer herzlich willkommen!"

Trotz egalitärer Einstellung gibt es dennoch einen Bereich, wo Frauen körperlich im Nachteil sind: beim Pinkeln. "Hier tut man sich als Mann sicher leichter denn als Frau", gesteht Felix im Hinblick auf die verschiedenen Methoden, mit Hilfe derer man sich bei einem langen Flug "erleichtern" kann. Müssen sich Frauen mit Windeln abplagen, greifen die Herren der Lüfte zu Gefrierbeutelchen, die man aus dem Fenster wirft.

Kein Reiche-Leute-Sport

Beim Stichwort Zeitaufwand wird der 23-Jährige grüblerisch. Die Freundin eines Segelfliegers braucht viel Verständnis, so Felix, weil der Segelflieger "fliegt wenn's Wetter schön ist, und dann hört man den ganzen Tag nix mehr von ihm." Doch das Fliegen ist für ihn "mehr als ein Hobby", es ist "eine Lebensart". Daher trifft es sich auch ganz gut, dass viele seiner Freunde selbst der Flugleidenschaft verfallen sind. "Segelfliegen im Verein kann sich zwar fast jeder leisten", begegnet Felix dem Vorurteil des Reiche-Leute-Sports.

Notwendig sei aber die Vereinsarbeit. Weil man für jeden Flug mehrere Leute am Boden benötigt, die die Winde einholen oder als Flugleiter Start und Landung überwachen, gilt das Solidaritätsprinzip: "Selbst fliegen und dann heim gehen wird nicht gerne gesehen. Man bleibt immer noch da, und assistiert anderen." Segelfliegen ist Teamwork. "Fliegen schweißt zusammen", sagt er. "Schließlich vertraut man seinem Mitflieger im Doppelsitzer sein Leben an."

© Süddeutsche Zeitung vom 11. Juni 2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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