FC Bayern München II:Ein Schritt zurück, drei voran

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Blitz-Transfer: Am Mittwoch spielte Kwasi Okyere Wriedt mit Osnabrück noch gegen Köln. Am Freitag stand er erstmals für den FC Bayern auf dem Rasen. Von München, sagt er, habe er "bisher nur die MRT-Röhre gesehen". (Foto: imago/Revierfoto)

Wenige Stunden nach seiner Verpflichtung schießt Kwasi Okyere Wriedt gegen Schweinfurt ein wichtiges Tor.

Von Raphael Weiss, München

Es läuft die 94. Minute im Spitzenspiel der Regionalliga Bayern. Der FC Bayern München II führt 2:1 gegen den 1. FC Schweinfurt 05 und hat Einwurf in der gegnerischen Hälfte. Kwasi Okyere Wriedt hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Bauch, er humpelt über das Spielfeld. Der 23-jährige Stürmer hatte erst am Mittag den Medizincheck beim FC Bayern beendet, zwei Tage zuvor hatte er noch 90 Minuten für den VfL Osnabrück auf dem Platz gestanden. Jetzt, im Grünwalder Stadion, landet der Einwurf direkt vor den Füßen eines Schweinfurter Verteidigers. Ein letzter Konter. Wriedt sprintet noch einmal 40 Meter bis zum eigenen Strafraum, er stellt Passwege zu, kämpft, bis der Ball ins Aus geht. Dann pfeift der Schiedsrichter ab. Wriedt verschwindet erschöpft in der Jubeltraube mit seinen neuen Kollegen.

"Ich habe die Jungs heute erst beim Mittagessen kennengelernt, dann ging's auch schon auf den Platz - ohne Vorkenntnisse", erzählt Wriedt nach dem Spiel, sichtlich gut gelaunt. Kein Training, keine tieferen taktischen Besprechungen - aufgrund der komplizierten Personalsituation wurde der neue Spieler sofort eingesetzt. Die jungen Bayern mussten neun Spieler ersetzen: Sechs waren verletzt, zwei gesperrt, drei mit der ersten Mannschaft auf dem Weg nach Dortmund zum Supercup. Auf der Ersatzbank saßen nur drei Feldspieler, einer davon war Co-Trainer Tobias Schweinsteiger - der aber in Wahrheit nicht einmal eine kurze Hose unter der Trainingshose trug. "Der Trainer hat mir vor dem Spiel gesagt, dass ich Spaß haben soll und heute niemandem etwas beweisen muss", sagt Wriedt.

Das Ziel: so schnell wie möglich in die dritte Liga. Dort hat Wriedt zuletzt zwölf Tore erzielt

Letztlich tat er trotzdem beides. Gleich in seinem erste Spiel wurde klar, warum auch Zweitliga-Teams an ihm interessiert waren. Nach dem denkbar schlechten Start, dem 0:1 von Adam Jabiri 20 Sekunden nach Anpfiff, dauerte es nicht lange, bis der 1,88 Meter-Stürmer in seiner neuen Mannschaft angekommen war. Er forderte den Ball, feuerte seine Kollegen an. In der 38. Minute stand er nach einer abgefälschten Hereingabe von Fabian Benko genau dort, wo ein Stürmer stehen muss. Der Ausgleich aus drei Metern, nicht die schwierigste Aufgabe für den Mann, der vergangenes Jahr in der dritten Liga zwölf Tore geschossen und acht weitere vorbereitet hat. "Man hat gesehen, dass uns Otschi gleich weiterbringt. Er hat das Potenzial, irgendwann erste oder zweite Liga zu spielen, und menschlich passt er unglaublich gut zu uns", sagte Bayern-Trainer Tim Walter.

Die Verpflichtung hatte sich verzögert, offensichtlich war die Kaderplanung beim Drittligisten Osnabrück noch nicht endgültig abgeschlossen, dann kam die englische Woche. Osnabrück verlor bei Fortuna Köln 0:3, tags darauf packte Wriedt seine Koffer. Er kam gerade noch rechtzeitig: Die stark dezimierte Bayern-Mannschaft hätte bei einem Punktverlust gegen Schweinfurt schon zehn Zähler Rückstand (bei drei Spielen weniger) auf Tabellenführer 1860 gehabt. In sechs Partien innerhalb von 22 Tagen kann sie von Freitag an (beim VfB Eichstätt) nun eine Aufholjagd starten.

Den Ausschlag für den Wechsel von Liga drei in die Regionalliga Bayern gab laut Wriedt "die super Perspektive" beim Rekordmeister: "Hier habe ich optimale Trainingsbedingungen und einen ausgezeichneten Trainer. Auch wenn das ein Schritt zurück ist, kann ich danach drei nach vorne gehen." Mit dem Regionalliga-Team des FCB wolle er so schnell wie möglich in die dritte Liga aufsteigen. Zunächst muss er sich allerdings noch an sein neues Umfeld gewöhnen. Vor dem Spiel lernte er mit Fotos die Namen seiner neuen Mitspieler auswendig. In München ist er zum ersten Mal: "Bisher habe ich nur die MRT-Röhre gesehen." Der gebürtige Hamburger hat in seinem ersten Spiel gezeigt, dass er für die Mannschaft ein wichtiger Faktor im Meisterschaftsrennen werden kann - trotz Sprachbarriere: "Servus ist bisher das Einzige, was ich auf Bairisch kann", sagt Wriedt lachend.

© SZ vom 07.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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