FC Bayern II:Kontrollverlust der Sorglosen

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Ab durch die Mitte: Der pfeilschnelle Wooyeong Jeong lässt sich auch von Aschaffenburgs Kapitän Simon Schmidt nicht bremsen, der Koreaner erzielte das frühe 1:0. (Foto: Claus Schunk)

Die Reserve des FC Bayern führt mit 2:0 gegen Aufsteiger Aschaffenburg. Ein Elfmeter bringt die Mannschaft von Holger Seitz jedoch aus dem Rhythmus, die beim 2:2 die ersten Punkte der Saison liegen lässt.

Von Julian Ignatowitsch, München

Lange hatte man Thomas Müllers Worte vom Vorabend im Kopf. Die Bayern hätten das Spiel über 90 Minuten gestaltet und kontrolliert, seriös und engagiert seien sie an die Sache herangegangen. Müller war nach dem 3:0-Sieg gegen den VfB Stuttgart in der Bundesliga hochzufrieden. Am Sonntagmittag im Grünwalder Stadion nun empfing die U23 des FC Bayern in der Regionalliga den Aufsteiger Viktoria Aschaffenburg. Jene Spieler also, die irgendwann mal dort spielen wollen, wo Thomas Müller seit Jahren spielt. Der im Übrigen entstammt auch der Reserve und seine Worte passten fast 70 Minuten perfekt zum Spielverlauf der Sonntagspartie. Der FC Bayern führte souverän mit 2:0, hatte Spiel und Konkurrent im Griff.

Dann foulte Bayern-Torhüter Ron-Thorben Hoffmann den gegnerischen Angreifer Michél Harrer, Aschaffenburgs Abwehrmann Ugurtan Kizilyar (68.) verwandelte den fälligen Foulelfmeter zum 1:2 sicher. Und plötzlich konnte man feststellen, dass die jungen Bayern eben noch keine Thomas Müllers sind, sprich: der abgezockte Profi, der alljährlich die Meisterschale auf dem Marienplatz in die Höhe streckt. Die sogenannten Bayern-Amateure zeigten plötzlich Nerven, machten Fehler im Spielaufbau und in der Abwehr und verloren Resul Türkkalesi mit einer gelb-roten Karte (85.). Beim darauffolgenden Freistoß stieg der Aschaffenburger Luca Dähn zum Kopfball hoch und verlängerte den Ball ins Tor. Es war der 2:2-Ausgleich und gleichzeitig das Endergebnis. Der Aufsteiger hatte dem Tabellenführer den ersten Punkt abgeknöpft. Noch eine Viertelstunde nach Abpfiff feierten die Gästespieler mit einer mitgereisten Handvoll Fans auf der Haupttribüne das überraschende Unentschieden.

Bayerns Trainer Holger Seitz sprach da bereits die "Nachlässigkeit seiner Mannschaft bei Standards" an, denen beide Gegentore entsprangen. Ansonsten wollte er aber nicht allzu kritisch sein. Gut kombiniert habe sein Team, gekämpft und die Partie zwar nicht 90 Minuten, aber über weite Strecken kontrolliert.

FCB-Mittelfeld-Regisseur Adrian Fein wechselt auf Leihbasis zu Jahn Regensburg

Die Bayern hatten sehr effektiv begonnen. Der Führungstreffer fiel früh in der dritten Minute mit der ersten richtigen Gelegenheit: Der Koreaner Wooyeong Jeong nutzte einen katastrophalen Fehlpass von Aschaffenburgs Torwart Ricardo Döbert zu einem kurzen Solo und brachte sein Team mit einem Rechtsschuss aus zwölf Metern, der noch abgefälscht wurde, in Front. Die Münchner kamen viel über rechts, bauten ihr Offensivspiel in Ruhe auf, ließen aber "zu viele Chancen liegen", wie Trainer Seitz bemängelte: Kwasi Okyere Wriedt vergab aus fünf Metern frei vor Döbert (8. Minute), Meritan Shabani verfehlte mit einem Fernschuss das Tor (19.) und Linksaußen Maximilian Franzke, der zuletzt beim 3:1-Sieg in Garching doppelt getroffen hatte, schob den Ball aus spitzem Winkel knapp am langen Eck vorbei.

Die erste Torchance für Aschaffenburg ließ fast eine halbe Stunde auf sich warten: Stürmer Pasqual Verkamp, lange der auffälligste Akteur der Gäste, schoss gut einen Meter am Tor von Hoffmann vorbei. Mehr war vom Aufsteiger in der ersten Halbzeit nicht zu sehen. Die Bayern dagegen spielten sich weitere Möglichkeiten durch Wriedt (25.) und Shabani (42.) heraus und hätten bereits mit drei, vier Toren führen können.

Auch in der zweiten Halbzeit kontrollierten die FCB-Talente das Geschehen und kamen durch einen wunderschönen Schlenzer von Maxime Awoudja aus 30 Metern ins Kreuzeck zum zweiten Treffer (61.). Awoudja, seit dieser Saison mit einem Profivertrag ausgestattet, gehörte über weite Strecken insgesamt zu den besten Spielern auf dem Feld: hinten sicher und zweikampfstark, nach vorne immer wieder mit gefährlichen Pässen und Ideen. Trotzdem war symptomatisch an diesem Tag, dass gerade er das entscheidende Kopfballduell vor dem Ausgleich verlor. "Das Tor geht auf meine Kappe", räumte er anschließend ein und schob nach: "Wir waren uns nach dem 2:0 vielleicht schon etwas zu sicher und haben nach dem Anschlusstreffer die Kontrolle über das Spiel verloren." Auch der Schiedsrichter machte in dieser Szene keine sonderlich gute Figur, denn er übersah unmittelbar vor dem Anschlusstreffer der Gäste ein Offensivfoul.

Einig war man sich dennoch: Einen Zwei-Tore-Vorsprung dürfe der Favorit zu Hause nicht aus der Hand geben. Nach sieben Siegen in Serie zum Saisonstart verlieren die Bayern ihre perfekte Punkteausbeute, sind aber nach wie vor Tabellenführer und haben bei einem Spiel weniger einen Punkt Vorsprung auf den Zweiten Wacker Burghausen.

Trainer Seitz sieht "Schweinfurt, Nürnberg II und Burghausen" als die ärgsten Konkurrenten im Rennen um den Spitzenplatz, der das erklärte Ziel der Münchner ist, die in die dritte Liga aufsteigen wollen. Einen schmerzhaften Weggang mussten sie dabei kurz vor Ende der Transferperiode hinnehmen: Mittelfeld-Regisseur Adrian Fein wechselt auf Leihbasis zu Jahn Regensburg, was Trainer Seitz ausdrücklich bedauert. Trotzdem stellt er klar: "Unser Kader ist stark genug und sehr talentiert." Nur ein neuer Thomas Müller ist momentan eher nicht in Sicht.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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