FC-Bayern-Frauen:Schüchtern im Mittelpunkt

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Notausgang: Falls hier jemand die umjubelte Torschützin zum 2:0 für den FC Bayern sucht – Nicole Rolser, Zweite von links, versucht sich gerade davonzustehlen. (Foto: imago/foto2press)

Mit drei Treffern für die Frauen des FC Bayern München beteiligt sich Nicole Rolser am 5:0-Erfolg gegen Potsdam. Ins Rampenlicht strebt sie trotzdem eher nicht.

Von Matthias Schmid, München

Vier Minuten vor dem Spielende musste Nicole Rolser den Rasen verlassen. Sie fluchte nicht, sie gestikulierte nicht und sie verweigerte ihrem Trainer Thomas Wörle nach ihrer Auswechslung auch nicht den obligatorischen Handschlag, wie es eigenwillige Stürmer bisweilen tun, wenn sie früher Feierabend machen müssen. Rolser, 26, lächelte, einige der Zuschauer erhoben sich sogar von ihren Sitzen, um der Angreiferin des FC Bayern am Sonntagnachmittag im Stehen zu huldigen. Sie hatte drei Tore beim 5:0 (1:0)-Sieg gegen Turbine Potsdam geschossen und maßgeblich dazu beigetragen, dass die Münchner Fußballerinnen in der Bundesliga drei Spieltage vor dem Saisonende ihren zweiten Platz vor dem SC Freiburg festigten, der drei Punkte zurückliegt. Rang zwei hinter dem VfL Wolfsburg ist das große Ziel, weil er die Teilnahme an der Champions League garantiert. "Die drei Punkte waren enorm wichtig für uns", urteilte Rolser nach der Partie, "wir haben nur noch Endspiele vor uns."

Die Begegnung gegen den Tabellenvierten, den München zuletzt im Pokalhalbfinale 3:1 besiegte, begann so, wie es sich ein Trainer gerne wünscht: mit einem frühen Tor. Nach einem Potsdamer Stellungsfehler war Rolser auf und davon gerannt, niemand konnte der flinken Stürmerin folgen, und als sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich vor Lisa Schmitz ankam, behielt sie die Ruhe und schob den Ball noch lässig an Potsdams Torhüterin vorbei zur 1:0-Führung. "Nicole hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten auch am Ball enorm weiterentwickelt", lobte Wörle.

Seine Freude und die der Zuschauer war gerade abgeklungen, als die Gäste aus Brandenburg jubilierten. Nina Ehegötz hatte mit einem Schlenzer Bayern-Torhüterin Manuela Zinsberger überwunden. Die Potsdamerinnen hatten sich schon wieder in der eigenen Hälfte versammelt, als Schiedsrichterin Ines Appelmann zu ihrer Assistentin eilte, um sich mit ihr auszutauschen. Die Münchnerinnen hatten sich zuvor bei ihr beschwert, weil sie eine Abseitsposition von Ehegötz erkannt haben wollten. Die Assistentin war offenbar zu dem gleichen Urteil gekommen, weil Appelmann das Tor zurücknahm und auf Abstoß für die Bayern entschied - sehr zum Verdruss von Nationalspielerin Svenja Huth, die wie von Sinnen auf die Schiedsrichterin zustürmte und sich lautstark echauffierte. Der Sprint und die abwertenden Gesten halfen aber nichts. Es blieb bei der Münchner Führung, die die mitgereisten Fans aus Potsdam finsteren Mächten zuschrieben: "Ohne Schiri habt ihr keine Chance", sangen sie voller Inbrunst.

"Dass das klare 1:1 nicht gezählt hat, war spielentscheidend", glaubt Potsdams Trainer Rudolph

In der Folgezeit hätten sich die eifrigen Sänger nicht beschweren dürfen, wenn ihre Lieblinge noch weitere Tore hätten hinnehmen müssen. Bayern-Kapitänin Melanie Behringer schnippelte einen Freistoß aus 20 Metern an die Latte (26.). Und in der 35. Minute vergaben die Münchnerinnen gar eine Doppelchance: Zunächst scheiterte Verena Faißt an Schmitz, ehe Innenverteidigerin Carina Wenninger aus zwei Metern den Ball gänzlich ungedeckt volley über das Tor drosch.

Und Potsdam? Kombinierte sich hin und wieder ganz hübsch durchs Mittelfeld, ohne sich weitere Gelegenheiten zu erspielen. "Dass das klare 1:1 nicht gezählt hat, war spielentscheidend", fand Potsdams Trainer Matthias Rudolph hinterher, "wir hatten in der Anfangsphase leichte Vorteile." Sein Pendant auf Bayern-Seite, Thomas Wörle, wollte die Szene vor dem vermeintlichen Ausgleich nicht bewerten.

Nach Wiederanpfiff jedenfalls kontrollierten seine Spielerinnen die Partie, sie ließen geschickt Ball und Gegner laufen und gingen mit 2:0 in Führung. Wieder war es Rolser, die den Ball über die Linie schoss. Es war der Tag der 26-Jährigen, sie trickste und dribbelte - und vor allem: Sie traf, wie sie wollte. "Ich spiele jetzt von Anfang an und spüre das Vertrauen des Trainers", erklärt sie ihre Leistungssteigerung. Eine Viertelstunde vor dem Schlusspfiff kam sie zu ihrem dritten Tor, nachdem sie zuvor in dieser Spielzeit nur zweimal getroffen hatte. Der Treffer zum 3:0 war ein Tor, das sehr gut den Blick auf ihre Stärken öffnete: Die 1,69 Meter kleine Rolser ist ballsicher, raffiniert und robust, sie schüttelte in dieser Szene ihre Gegenspielerin Rahel Kiwic wie ein lästige Fliege ab und schoss wuchtig ins Tor. Den Münchnerinnen gelang nun fast alles, sie kombinierten sich flüssig und direkt durchs Mittelfeld. Die weiteren Tore von Leonie Maier (77.) und Sara Däbritz (88.) waren die logische Folge ihrer Überlegenheit. "Begeisternd" fand Wörle das Spiel seiner Mannschaft.

Den 5:0-Endstand hatte Rolser schon von der Bank aus erlebt. So im Vordergrund zu stehen, war ihr fast ein bisschen peinlich, sie ist abseits des Rasens zurückhaltend, beinahe schüchtern. "Hinter meinem Erfolg steht die gesamte Mannschaft", hob Rolser hervor und packte auf dem Weg aus dem Stadion eine Kiste, in der die Lautsprecher verstaut waren.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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